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UN: Humanitäre Lage im Gazastreifen immer katastrophaler

Menschen fliehen im Gazastreifen erneut vor Einsätzen des israelischen Militärs. Sie finden Zerstörung sowie verheerende hygienische Zustände vor. Die UN beschreiben eine verzweifelte Lage.
Nahostkonflikt - Chan Junis
Verheerende hygienische Zustände im Gazastreifen erhöhen Krankheitsrisiken. (Archivbild) © Hashem Zimmo/TheNEWS2 via ZUMA Press Wire/dpa

Erneut müssen Zehntausende Menschen im Gazastreifen nach einem jüngsten Evakuierungsbefehl von Israels Militär flüchten. Laut Vereinten Nationen werden sie in einer prekären humanitären Lage mit verheerenden hygienischen Zuständen ihrem Schicksal überlassen. Humanitäre Einrichtungen müssen schließen. Menschen werden selbst aus Notunterkünften wieder vertrieben, in die sie vor dem Krieg geflüchtet waren. UN-Organisationen warnen vor einer weiteren Verschärfung der Krise für Zivilisten.

«Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind hat im Gazastreifen unvorstellbare Gewalt, Vertreibung, Krankheit, Hunger und Erniedrigung erlitten», sagt der Sprecher des UN-Nothilfebüros Ocha, Jens Laerke, der dpa. «Wir fürchten, dass jeder Tag noch höllischer ist als der davor, bis die Waffen schweigen, die Vertreibungen im Kriegsgebiet stoppen und wir alle lebensrettende Hilfe hineinbringen können, die gebraucht wird und wir uns sicher im Gazastreifen bewegen können.» Die Menschen brauchten alles: Nahrungsmittel, Trinkwasser, Hygieneartikel, Medikamente und psychosoziale Unterstützung, um die Horrorerlebnisse zu verarbeiten.

150.000 Menschen erneut aus Chan Junis geflohen

Anfang der Woche hatte Israel wegen eines neuen Militäreinsatzes die Bewohner eines Gebiets in Chan Junis im südlichen Gazastreifen aufgerufen, ihre Unterkünfte zu verlassen. Nach Schätzungen des UN-Nothilfebüros OCHA flüchteten 150.000 Menschen eilig aus ihren Notbehausungen. Sie sollen in der humanitären Zone Al-Mawasi westlich von Chan Junis und Rafah unterkommen, in die bereits zuvor zahlreiche Menschen geflohen sind. «Es wurden viele gesehen, die ohne jegliche persönliche Gegenstände unterwegs waren», so OCHA.

Auf Bildern aus Chan Junis ist zu sehen, wie Menschen in Massen eilig die Stadt in Richtung Westen verlassen. «Alte Menschen auf Eselskarren, Menschen mit Behinderung, die im Rollstuhl durch den Sand geschoben werden und deren Habseligkeiten sich auf ihrem Schoß stapeln», berichtete eine Sprecherin des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). «Die Menschen hören Schüsse und rennen um ihr Leben.»

Viele Menschen flüchten in bereits überfüllte Gebiete. «Die Menschen sind gezwungen, in Gebiete mit wenig oder gar keiner Infrastruktur zu gehen, in denen es nur begrenzten Zugang zu Obdach, Gesundheitsversorgung, sanitären Einrichtungen und sonstiger humanitärer Hilfe gibt», sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Dienstag. Im Gebiet sind laut OCHA vier medizinische Einrichtungen sowie acht Suppenküchen und Verteilzentren für Lebensmittel gewesen. Bis auf eine Gemeinschaftsküche hätten alle schließen müssen.

Hygienische Zustände im Gazastreifen verheerend

Dort und in weiten Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens sind die hygienischen Zustände verheerend. Menschen leben in überfüllten Zeltlagern. Überall türmen sich Müllberge, weil Diesel für Lkws zum Abtransport fehlt, hieß es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die unhygienischen Zustände erhöhen demnach Krankheitsrisiken massiv.

Fäkalien und Abwasser treiben demnach teils ungefiltert durch die Straßen, weil auch für die Generatoren der Abwasseranlagen Diesel fehlt. In den unhygienischen Zuständen mit wenigen Toiletten und wenig Trinkwasser erkranken Zehntausende Menschen an Durchfall und Hautausschlägen. Staub von den zerstörten Gebäuden löst Atemwegsinfekte aus.

Polio-Virus in Abwasserproben entdeckt

Unter diesen Bedingungen ist das Ausbreitungsrisiko von Krankheiten nach WHO-Angaben sehr hoch. So wurde etwa das für Kinderlähmung verantwortliche Polio-Virus in Abwässer entdeckt. Bislang sei das Polio-Virus zwar noch in keinem Patienten nachgewiesen worden, doch die Polio-Gefahr sei sehr groß, sagte WHO-Vertreter Ayadil Saparbekov am Dienstag. Er warnte vor einer sich verschlimmernden Situation dort: «Es könnte sein, dass mehr Menschen an ansteckenden Krankheiten sterben als an verletzungsbedingten Leiden.»

Humanitäre und medizinische Einrichtungen mussten bereits schließen. Nur 16 von einst 36 Krankenhäusern im Gazastreifen können nach WHO-Angaben eingeschränkt arbeiten. Von zehn Feldlazaretten sind noch vier voll in Betrieb, weitere vier eingeschränkt. Sollten Krankheiten sich weiter ausbreiten, würde sich die Lage in den Krankenhäusern noch verschlimmern.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober im Süden Israels verübt haben. Dabei töteten sie mehr als 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen. 

© dpa
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