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Krebspatienten beistehen: So klappt Trösten ohne Floskeln

Die Diagnose Krebs belastet nicht nur Patienten. Auch Angehörige fragen sich, wie sie nun beistehen können. Zwei Patienten erklären, was ihnen geholfen hat - und warum Schweigen das Schlimmste ist.
Mutter und Tochter unterhalten sich
Ulrike Filippig

«Du bist stark! Du wirst den Krebs besiegen!» Sätze wie diese sagen manchmal Freundinnen oder Kollegen, wenn sie von einer Krebsdiagnose erfahren. Bei Erkrankten kann diese Reaktion jedoch Gedanken auslösen wie: «Und wenn ich mich schwach fühle und die Krankheit nicht besiege? Wer weiß, wie es ausgeht?»

Auch wenn es gut gemeint ist, sollten Angehörige Floskeln vermeiden. Denn: Es gibt viele Worte und Taten, die Betroffenen mehr Trost und Kraft geben können als ein «Das wird schon». Zwei erzählen, was ihnen nach der Krebsdiagnose gutgetan hat. 

Ehrliches Interesse zeigen - und spontan vorbeikommen

Bei Patrick Schloss wurde 2012 Darmkrebs festgestellt. Seine Frau hatte ihn nach tagelangen Verstopfungen im Urlaub zur Darmspiegelung geschickt – und ihm dadurch das Leben gerettet. Der Tumor im Enddarm war so groß, dass er dauerhaft ein Stoma – also einen künstlichen Darmausgang - braucht. Dabei wird über eine Öffnung in der Bauchdecke der Darminhalt in einen Beutel geleitet. 

«Die Vorstellung einen künstlichen Darmausgang zu bekommen, hat mir mehr Angst gemacht als der mögliche Tod», berichtet der heute 68-Jährige. «Es gab Phasen in meinem Leben, da wollte ich nicht mehr leben.» Eine schwere Zeit – auch für seine Familie. «Was mir geholfen hat, war der Zusammenhalt meiner Familie sowie ehrliches Interesse.»

Der ehemalige Professor für Biochemie erzählt ein Beispiel: Als er nach der ersten Operation aus dem Krankenhaus kam, rief sein damaliger Chef an. «Er hat sich nach mir erkundigt und ich habe gesagt: "Um es kurz zu machen, es geht mir beschissen".» Da sei der Institutsleiter noch am selben Abend zu Besuch gekommen. «Wir haben viele Stunden gesprochen.» Das sei ein wichtiger Wendepunkt gewesen, so Schloss. «Da habe ich mich wertgeschätzt gefühlt. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.» 

Warum Schweigen so wehtut

Doch es gab auch andere Reaktionen: «Von meiner Band hat mich in dieser Zeit niemand besucht. Sie meinten später: "Wir wussten nicht, was wir mit dir reden sollen"», erzählt Schloss. «Alles, Hauptsache ihr wärt gekommen», sagt er heute. 

Damals habe er sich alleingelassen gefühlt, sagt der Hobbymusiker, der mittlerweile mit einer Freundin musiziert. Aus seiner Sicht sei es besser, zu sagen «Ich habe Angst etwas Falsches zu sagen» als gar nichts zu sagen. «Schweigen ist das Schlimmste!», findet er.

Ähnlich sieht es auch Ulrike Filippig. Die heute 50-Jährige war 2015 an Brustkrebs erkrankt. «Wer sich unsicher ist, was er ansprechen kann, sollte einfach fragen», sagt sie. 

Was hat ihr nach der Diagnose gutgetan? Ihr habe geholfen, dass ihr Mann sie zu allen Untersuchungsterminen begleitet hat. Mut habe ihr auch der Satz einer Freundin gemacht: «"Erinnere dich, was du in deinem Leben schon alles geschafft hast. Wenn das eine schafft, dann du." Das war ein Volltreffer! Das hat mich beflügelt, weil es mit dem Herzen ausgesprochen wurde und im Herzen angekommen ist.»

Erkrankungen können nicht verglichen werden

Manche Leute versuchen, ihre Sprachlosigkeit zu überspielen oder erzählen von anderen Krebspatientinnen und -patienten - nach dem Motto: Meine Tante hatte das auch. «Bitte nicht», sagt Ulrike Filippig. «Jede Erkrankung verläuft anders. Das darf man nicht miteinander vergleichen.» Oft hilft es, wenn Freunde einfach zuhören.

Doch manchmal ist direkter Kontakt schwierig, wenn etwa nach einer Transplantation das Infektionsrisiko zu groß ist. Dennoch sind Austausch und Rituale wichtig. «Sie geben gerade in Krisenzeiten Halt», sagt Ulrike Filippig. Wer sich also bislang jeden Freitagabend mit seiner besten Freundin getroffen hat, sollte das weiter machen – zur Not eben per Telefon oder Video-Call. 

So können kleine Gesten aussehen

Es kann Phasen geben, da ist sogar das Beantworten von Nachrichten für Betroffene anstrengend. Dann sind kleine Gesten kostbar. So können Freundinnen und Freunde Fotos von schönen gemeinsamen Erlebnissen schicken. Oder auch von einem Blumenstrauß, wenn richtige Blumen während der Chemotherapie nicht erlaubt sind. 

Oder sie erstellen eine Playlist und ergänzen die Auswahl an einem festen Wochentag. So kann sich der Patient etwa jeden Mittwoch auf neue Songs freuen und die Musik anhören, wenn ihm danach ist.

Neben tröstenden Worten und Gesten helfen auch konkrete Taten, wie einkaufen oder kochen. «Eine Freundin hat damals gesagt, in den Herbstferien nehme ich deinen Jüngsten mit», sagt Ulrike Filippig. «Das hat mich entlastet, weil ich wusste, dass mein Sohn zwei unbeschwerte Wochen hat und ich in dieser Zeit nicht auch noch die Mutterrolle ausfüllen musste.»

Wenn Gegenstände Trost spenden

Was auch guttun kann: Den Fokus immer wieder auf Schönes zu lenken - und wenn es nur eine vermeintliche Kleinigkeit ist. «Mich hat eine Freundin regelmäßig mit einem Öl massiert. Ich hatte mir als Duft einen Waldgeruch ausgesucht, der mir Kraft gibt und mich entspannt», sagt Ulrike Filippig. Das Öl habe sie zu jeder Untersuchung mitgenommen, und sich mithilfe des Geruchs an die positiven Momente erinnert. «Das hat mir ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zurückgegeben.»

Ob ein bestimmtes Öl, ein Schutzengel, Duftkissen oder Stofftier – oft ist es hilfreich, wenn Patienten einen Glücksbringer an die Hand bekommen, der sie durch die Behandlung begleitet.

«Rückblickend war die Zeit der Therapie in Bezug auf meine Freundschaften keine schlimme Zeit. Im Gegenteil, es gab so viel Wertschätzung und positiven Austausch mit nahen Menschen», sagt Ulrike Filippig. Einer Freundin habe sie damals erzählt, dass sie viel Silbermond höre. «Sie hat mir dann eine CD mit Widmung der Band besorgt.» Da stand: Ulrike, du schaffst das! «Das hat mich umgehauen. Da bekomme ich heute noch Tränen, wenn ich daran denke.»

Behandlung beendet? Beistand ist weiter gefragt

Auch wenn Patienten als geheilt gelten, müssen sie in den ersten Jahren zur engmaschigen Nachsorge. «Vor jeder Untersuchung hatte ich große Angst vor einem Rückfall», sagt Patrick Schloss. Da hätten Sätze geholfen wie: «Es ist so lange gut gegangen, warum soll der Krebs jetzt wieder kommen?», «Wir drücken die Daumen» oder einfach: «Wir denken an dich».

«Wenn die Behandlung abgeschlossen ist, fallen Patienten oft in ein Loch», sagt Ulrike Filippig. Die Zeitabstände der Kontrolluntersuchungen werden größer - oft kämen dann die Gefühle hoch. Ulrike Filippig hat nach der Erkrankung ihr Leben umgekrempelt: Heute begleitet sie hauptberuflich Krebspatienten und Angehörige. Seit vier Jahren bildet sie Onko-Lotsen aus.

Patrick Schloss haben Besuche bei der Selbsthilfevereinigung ILCO geholfen. Mittlerweile engagiert er sich selbst bei dem Selbsthilfeverband für Menschen mit Stoma. Eine seiner Botschaften an Darmkrebs-Patienten: «Auch mit Stoma kann ich viele Dinge machen, bei denen ich befürchtet hatte, dass sie nicht mehr möglich sind, wie Fahrrad fahren, Schwimmen und auf Konzerte geben.»

© dpa ⁄ Isabelle Modler, dpa
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