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Wilfried Schmickler wird 70: «Ich kann nicht improvisieren»

Mit wortgewaltigen Tiraden nimmt Kabarett-Urgestein Wilfried Schmickler politische und gesellschaftliche Entwicklungen aufs Korn. Dass er manchmal auch böse Reaktionen erntet, macht ihm keine Angst.
Treffen mit Kabarettist Wilfried Schmickler
Treffen mit Kabarettist Wilfried Schmickler
Treffen mit Kabarettist Wilfried Schmickler

An dem denkwürdigen Abend, als die Ampelkoalition platzte, hatte Wilfried Schmickler gerade einen Auftritt im Sauerland. «In der Pause meinte dann jemand zu mir: "Haben Sie es schon gehört? Der Scholz hat den Lindner entlassen." Ich dachte, das darf nicht wahr sein, ausgerechnet jetzt.» Er habe das dann nach der Pause kurz in sein Programm einfließen lassen - für seinen Auftritt am folgenden Abend allerdings noch ziemlich viel Arbeit mit dem Umschreiben gehabt. «Ich muss ja auf aktuelle Entwicklungen reagieren», sagt der Kabarettist, der am heutigen Donnerstag 70 Jahre alt wird. 

Wer den wortgewaltigen Schmickler mit seiner pointierten, mitunter rasend schnellen Sprache auf der Bühne erlebt, mag es kaum glauben, wenn er sagt, Spontanität liege ihm nicht. «Ich kann nicht improvisieren. Ich brauche einen Text vor mir.» Entsprechend akribisch bereite er sich vor und recherchiere viel zu einem Thema, ehe er sich dann an seinen Schreibtisch setze und etwas aufschreibe. «Das fließt mir nicht aus den Händen, im Gegenteil. Ich bastle und feile, hadere bis zum Schluss und ändere immer wieder etwas ab.»

Als politischer Kabarettist ist Schmickler, der in der quirligen Kölner Südstadt wohnt, einer der Letzten seiner Art. Sein Publikum ist mit ihm gealtert, besteht ganz überwiegend aus Menschen «50 plus». «Die haben den gleichen Hintergrund wie ich. Das ist ein Vorteil, weil wir die gleiche Sprache sprechen. Wenn da lauter 25-Jährige säßen, müsste ich erst mal erklären, was die DDR überhaupt war.» Somit habe er auch gar nicht den Ehrgeiz, jüngere Fans zu gewinnen.

Flüchtlinge und Gendern sind Reizthemen

In sozialen Medien sei er nicht aktiv, sagt er, und zieht gewissermaßen zum Beweis schmunzelnd sein altes Handy - kein Smartphone - aus der Tasche. Diese Kommunikation auf den Internet-Plattformen - «das geht mir alles zu schnell, da komme ich auch nicht mehr mit», meint er schulterzuckend. «Wer mir etwas zu sagen hat, kann eine E-Mail schreiben.» 

Er sei überzeugt davon, dass er sich durch seine Nicht-Präsenz in sozialen Medien vieles an Hetze und Bedrohungen erspare, meint Schmickler. Allerdings kämen auch per E-Mail regelmäßig böse Kommentare bei ihm an. «Vor allem bei den Themen Flüchtlinge und Gendern rappelt es.» Angst habe er deswegen aber nicht. «Die Absender schreiben meistens anonym, die tun mir eher leid, weil sie so feige sind.»

Angefangen hat der gebürtige Leverkusener in den 70er Jahren, als er in einem selbst verwalteten Jugendzentrum eine Theatergruppe gründete. Als Mitglied eines Trios sammelte Schmickler mehrere Jahre Bühnenerfahrung und trat dann zunehmend als Solokünstler auf. Im Laufe seiner Karriere erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Deutschen Kleinkunstpreis und den Prix Pantheon. Momentan ist er mit seinem neuen Programm «Herr Schmickler bitte!» auf Tour.

Legendäre Sketche mit «Loki und Smoky»

Überregional bekannt wurde er vor allem durch die WDR-Kabarettsendung «Mitternachtsspitzen». Fast 30 Jahre lang gehörte er dort zum festen Ensemble. Geradezu legendär sind seine Sketche mit Uwe Lyko, in denen die beiden als «Loki und Smoky» den kettenrauchenden früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und dessen Frau Loki aufs Korn nahmen. 

Ende 2020 stieg Schmickler aus der Sendung aus, gemeinsam mit seinen Kollegen Lyko und Jürgen Becker. Auch rückblickend bereut er diese Entscheidung nicht, wie er versichert: «Es war der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören.»

Mit dem Kabarett aufhören will Schmickler vorläufig nicht. «Das ist eine Frage der Kraft.» Und die reiche noch, auch wenn die teils weiten Autofahrten zu den Auftrittsorten zunehmend anstrengender für ihn würden. 

Zu seinem Geburtstag hat Schmickler rund 250 Freunde und Wegbegleiter eingeladen. Die Feier soll im Atelier seiner Ehefrau sein, die dort eine Ausstellung mit Fotos, Plakaten und anderen Erinnerungsstücken über ihn zusammengestellt hat. «Da ist schon einiges zusammengekommen», sagt er. «Ich habe viel erlebt.»

© dpa ⁄ Petra Albers, dpa

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