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Welche Rolle die richtige Rolle spielt: «The Ordinaries»

Wer kann ich sein, wenn ich nicht dem Ideal entspreche? Das fragt der Film «The Ordinaries - Die Gewöhnlichen». Seine Welt ist ein Filmset, alle Menschen sind Darsteller.
TV-Ausblick ZDF «The Ordinaries»
Paula (Fine Sendel) sucht im Archiv des Instituts nach einem Flashback ihres verstorbenen Hauptfigurenvaters, © Valentin Selmke/ZDF/dpa

Man stelle sich vor, das ganze Leben ist ein Film und die Menschheit ist unterteilt in Hauptfiguren und jene, die sonst noch am Set gebraucht werden. Hier will Paula Feinmann (Fine Sendel) mehr erreichen als ihre ruhig und emotionslos wirkende Mutter, eine Nebenrolle mit wenigen Sätzen im Skript und noch weniger Verständnis für die Welt. Paula will die ganz große Rolle spielen. 

«The Ordinaries - Die Gewöhnlichen» ist zu sehen am Dienstag (13. August) im ZDF (23.15 Uhr). Der Film gehört zur Reihe «Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten» und steht auch in der ZDF-Mediathek. Das Drama nutzt eine besondere Erzählweise: Es handelt von der Filmwelt. Es wird eine Welt kreiert, die einem Set gleicht. Hier dreht sich alles um die richtige Inszenierung und die optimale Darstellung, das Alltagsgeschehen ist ein ewiges Schauspiel. 

Hauptrollen-Familien führen abends keine Gespräche, sie singen und tanzen um und auf dem Esstisch. Nebenfiguren stehen so lange still im Freien herum, bis die Klappe fällt, da ihre Hauptrolle vorbeikommt. Und wer etwas ausgefressen hat, wird von Polizisten mit Schnitt-Pistolen gejagt, die Filmsequenzen kürzen. Schnittfehler zeigen sprunghaftes Verhalten. 

Welche Rolle es spielt, die große Rolle zu spielen

Hier will Paula als Nebenrollen-Tochter also in die Oberschicht aufsteigen und hat es bereits auf die Hauptrollen-Schule geschafft. Sie ist zwar Klassenbeste im panischen Schreien, aber sie kann zu ihren Texten keine emotionale Begleitmusik erzeugen. Die dafür nötige Suche nach großen Gefühlen gerät zur Suche nach ihrer Herkunft und Identität.

«The Ordinaries» ist kein Teenager-Film, der nur das Erwachsenwerden thematisiert. Er ist ein Porträt einer disfunktionalen Klassengesellschaft. Ihre Elite sind die Stars in einer farbenfroheren Welt, darunter stehen die Nebenrollen, die einen blass kolorierten Alltag stur nach Drehplan führen. Abgegrenzt davon leben die Fehlbesetzungen, die Filmfehler, die Zensierten, die Schwarz-Weiß-Darsteller. Und die Outtakes. Schauspieler also, deren Sequenzen zwar gedreht, aber aus der gesendeten Fassung geschnitten wurden.

Der Spielfilm wirft die Frage auf, welche Rolle es spielt, welche Rolle man im Leben bekommt. Wie es sich für jene anfühlt, die nie gesehen werden. Und sind eigentlich alle Geschichten vorbestimmt? 

Komplexe Handlung, gesellschaftspolitische Themen

Die Geschichte in der Optik der 1950er und 60er Jahre ist traurig und wird im Verlauf stetig komplexer mit vielen Meta-Ebenen. Die gesellschaftlichen Probleme sind jene, die unsere Geschichte und das Heute gut kennt: Es geht um Stigmatisierung und Ausgrenzung. Wie viel Vielfalt eine Gesellschaft zulassen möchte und wie die Elite ihren Status mit aller Macht erhält. Es geht um die Deutung der Geschichte und gar um die Interpretationshoheit von Völkermord. 

Auf der Suche nach ihrer Herkunft taucht Paula mithilfe der Fehlbesetzung Hilde (Henning Peker) ein in die düstere Welt der Ausgegrenzten. Sie erlebt dort eine große Überraschung, wer sie eigentlich wirklich ist - und damit sein darf. 

«The Ordinaries - Die Gewöhnlichen» von Regisseurin und Co-Autorin Sophie Linnenbaum gehört zur Vor-Auswahl der deutschen Beiträge für die Oscars 2024 und hat mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Förderpreis Neues Deutsches Kino beim Filmfest München 2022 und bester abendfüllender Spielfilm beim First Steps Award 2022. In diesem Sommer wählte die ZDF-Nachwuchsredaktion Das kleine Fernsehspiel das Stück in seine «Shooting Stars», die im Juli und August gezeigt werden.

© dpa ⁄ Simone A. Mayer, dpa
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