Wenn in einem Königshaus etwas passiert, ist sie meistens vor Ort: Leontine Gräfin von Schmettow. Blaues Blut ist ihr Fachgebiet. Sie kommentiert und moderiert (fast) alle royalen Großereignisse, steht regelmäßig bei Sendungen wie "Brisant" (ZDF) oder "Mein Nachmittag" (NDR) als Expertin vor der Kamera. Ihr Fachwissen beruht auf über 20 Jahren Erfahrung. Damals begann ihre Karriere mit der Zusammenarbeit mit Rolf Seelmann-Eggebert (GOLDENE KAMERA 1985), mit dem sie auch heute noch gemeinsam auf dem Bildschirm zu sehen ist – wie etwa am 8. Juni bei der Geburtstagsparade für die Queen.
Aber auch hinter der Linse ist die freie Journalistin aktiv: Sie recherchiert, filmt und schreibt über den europäischen Hochadel, verfasst für den NDR die Kolumne "Royalty Inside". Regelmäßig erscheinen neue dokumentarischen Filme von ihr. Jetzt präsentiert der NDR ihren neusten Film über das erste Ehejahr von Prinz Harry und Meghan.
GOLDENE KAMERA sprach mit der Gräfin, die selbst dem schlesischen Adelsgeschlecht entstammt, über das royale Paar, ihre journalistische Arbeit und den Wandel in der Monarchie.
An das britische Königshaus kommt man bekanntlich nur schwer ran. Wie haben Sie das geschafft?
Das stimmt. Die britische Queen gibt keine Interviews, da braucht man nicht zu hoffen, dass man mal mit einem Tee auf ihrem Sofa landet. Im Gegensatz zu den schwedischen Hoheiten, die ganz anders sind. Aber auch die Mitglieder des englischen Königshauses habe ich alle getroffen, wenn auch eher auf offiziellen Anlässen. Zum Beispiel bei einer Gartenparty im Buckingham Palast.
Wie ist der Film entstanden?
Ich begleite Prinz Harry und Meghan schon länger. Letztes Jahr habe ich ihre Hochzeit bei RTL kommentiert und sie in einer TV-Dokumentation für die ARD portraitiert. Um ein Gespür für die beiden zu bekommen, habe ich Harry und Meghan immer wieder auf Terminen getroffen und mit Menschen gesprochen, die ihnen nahestehen. Wobei man sagen muss, dass die meisten Freunde nicht vor laufenden Kameras sprechen wollen.
Harry und Meghan haben es geschafft, einen Schutzwall um sich zu bauen. Jeder aus ihrem Bekanntenkreis weiß, wenn man sich mit den Journalisten einlässt, ist es mit der Freundschaft vorbei. Gespräche sind zwar möglich, aber nicht vor der Kamera. Es ist wie ein Puzzle, das schließlich ein Bild ergibt. Ein Bild, das natürlich durch den subjektiven Blickwinkel der jeweiligen Betrachter gefärbt ist. Wie die Royals wirklich ticken und denken, das wissen wir nicht, auch wenn man sich über 20 Jahre, so wie ich, mit ihnen beschäftigt.
Woher bekommen Sie noch mehr Informationen? Nutzen Sie auch die sozialen Medien?
Das Wichtigste sind die Insider wie Angestellte vom Hof, zum Beispiel habe ich den ehemaligen Butler von Prinz Charles interviewt. Neben den Informationen aus erster Hand, tausche ich mich mit Experten vor Ort aus und lese natürlich alle englischen Zeitungen. Die sozialen Medien nutze ich eher passiv. Ich sehe natürlich, was die Royals posten.
Wer ist der "Trump" unter den Adligen? Wer nutzt die sozialen Medien am besten für sich?
Der will man nicht sein. (lacht) Die Schweden machen das gut. Auch Meghan hatte ihren eigenen Blog. Oft sind es natürlich die Pressestellen, die für sie twittern. Die Spanier hinken da eher einen Schritt hinterher.
Wie abhängig sind die Königshäuser von den Medien?
Sie leben davon. Was sie tun, müssen sie in die Öffentlichkeit bringen. Wenn sie keiner wahrnimmt, sind sie überflüssig und könnten abgeschafft werden. Dafür braucht man heutzutage nicht mal mehr eine Revolution. Die Bürger geben viel Geld für die Königshäuser aus und wollen auch sehen, was die Royals damit tun.
Und wovon hängt der Zeitpunkt ab, wann die Royals mit einer Nachricht nach außen gehen? Zum Beispiel Mette-Marits Lungenfibrose wurde der Öffentlichkeit sehr spät bekanntgegeben…
Das hängt von der Art der Nachricht ab. Über Charities erfahren alle sofort. Private oder kritische Nachrichten, wie auch die Magersucht von Victoria, sind da schon schwieriger. Bei Victoria und Mette-Marit waren die Krankheiten nicht mehr zu übersehen. Da war es besser, proaktiv an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor die Gerüchte weiter befeuert wurden. Außerdem setzen sie damit ein Zeichen für andere Betroffene.: "Ihr seid nicht allein". Vor 50 oder 60 Jahren wäre man mit solchen privaten Mitteilungen vermutlich nicht an die Presse gegangen.
Was war für Sie das Prägnanteste im ersten Meghan-Harry-Jahr?
Ich war sehr überrascht, als ich Meghan drei Tage nach der Hochzeit beim ersten öffentlichem Termin, der vorgezogenen 70. Geburtstagsfeier von Prinz Charles, sah. Die Frau, die oft, für royale Maßstäbe zu kurze Röcke und ripped Jeans getragen hatte, sah man plötzlich mit Nylons, schickem Kleid und Hut. Man hatte das Gefühl, sie ist über Nacht Prinzessin geworden.
Was sind und waren die größten Herausforderungen für Meghan?
Sie spricht zwar als Amerikanerin die gleiche Sprache. Aber was in Amerika üblich ist, ist es in England noch lange nicht. Zum Beispiel als Royal eine luxuriöse Babyshower-Party zu geben. Meghan darf den 'kulturellen Gap', der zwischen den beiden Ländern besteht, nicht unterschätzen. Was man aus dem Palast hört, hat sie wohl eine sehr fordernde Art. Dahinter steckt der eigene Anspruch, die Vision, Vieles zum Guten zu bewegen. Sie ist es gewohnt, Dinge schnell umzusetzen. Aber das entspricht nicht der Schnelligkeit eines Palastes, in dem die Uhren seit fast einem Jahrtausend ein wenig anders ticken. Das ist noch eine Lernkurve, die vor ihr liegt. Der optischen Verwandlung sollte eine Innere folgen.
Inwiefern?
Als Schauspielerin hat sie gelernt, sich selber zu promoten. Als Mitglied des Königshauses aber repräsentiert sie Großbritannien, es geht nicht um sie. Das ist eine schwierige Lernkurve für jemanden, der 38 Jahre alt wird (am 4. August, Anmerkung der Red.) und bereits durch andere Lebensumstände und eine eigene Karriere geprägt wurde.
Wie sind Sie Adelsexpertin geworden?
Ich habe für das "Hamburg Journal" (NDR) gearbeitet und fand die Filme von Rolf Seelmann-Eggebert schön. Eines Tages habe ich bei ihm angeklopft und gesagt, wir kennen uns zwar nicht, aber ich hätte da eine Idee. Und so haben wir drei Jahre zusammen gearbeitet und haben 13 deutsche Fürstenhäuser filmisch portraitiert. Danach fragt mich der NDR, ob ich die Hochzeit von Prinz Edward und Sophie kommentieren will. (Die beiden hatten am 19. Juni 20. Hochzeitstag, Anmerkung d. Red.) So bin ich da reingerutscht. Vor kurzem haben Rolf Seelmann-Eggebert und ich drei Stunden lang für die ARD die Geburtstagsparade der Queen kommentiert.
Was ist das Wichtigste, was Sie von Rolf Seelmann-Eggebert gelernt haben?
Seine Maxime ist, diejenigen, die im Fokus seines journalistischen Interesses stehen, so zu behandeln, wie er selbst behandelt werden möchte. Das ist es, was mir als erstes zu ihm einfällt und was auch ich beherzige.
Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Auch wenn das britische Königshaus oft die besten Geschichten, Prunk und Glamour liefert, berichte ich natürlich auch über die anderen europäischen Königshäuser. Mein nächster Film, der im Herbst im NDR laufen wird, trägt den Arbeitstitel „Im Auftrag Ihrer Majestät“. Es geht um Menschen, die für die Königshäuser arbeiten: vom Clockmaker im Windsor Castle, der nichts anderes zu tun hat, als die Uhren im Palast aufzuziehen und umzustellen– und damit ist er bestens ausgelastet– bis zum Flagman, der die Flaggen hisst sowie dem Swanmarker, der sich um die königlichen Schwäne auf der Themse kümmert.
Wer ist Ihr Lieblings-Royal?
In dem Moment, in dem ich mich mit einem Königshaus beschäftige, sind das meine Lieblinge. Wenn ich beispielsweise mit dem Kronprinzenpaar Haakon und Mette durch Norwegen reise oder mit Victoria von Schweden unterwegs bin, dann sind sie es, die mich faszinieren. Im NDR habe ich den Ruf, Prinz Harry sei mein Liebling. Ich kann mir einfach vorstellen, dass man mit ihm ganz viel Spaß hat. Er ist das menschliche Antlitz des Königshauses und tut der Monarchie gut. Die Königshäuser können nur überleben, wenn wir das Gefühl haben, darin leben echte Menschen, die durch Freud und Leid gehen. Wir können uns alle erinnern, wie Harry tieftraurig hinter dem Sarg der Mutter herlief. Dieses Bild werden wir nie vergessen und deswegen verzeihen wir ihm auch so viel.
Täglich gibt es Neuigkeiten zu einem Königshaus. Eigentlich müssten Sie doch viel öfter im Fernsehen berichten…
Das stimmt. Aber ich habe einfach nicht genug Zeit. Es wird von Senderseite auch immer wieder darüber nachgedacht und auch der Versuch gestartet, die Schlagzahl zu erhöhen, zumal die Quote sehr gut ist. Aber wenn ich einen Film mache, bedeutet das, dass ich mich damit drei bis vier Monate beschäftige. Ich reise nach London, führe Interviews, treffe die BBC, sitze einen Monat nur im Schnittraum und so weiter. Aber Sie haben Recht, man könnte so unglaublich viel mehr machen. Sie sprechen da genau meinen wunden Punkt an.
Interview: Kristina Heuer