Madrid, 1993: Ein scheinbar perfekt geplantes Verbrechen erschüttert Spanien. Die Entführung der deutsch-spanischen Studentin Anabel Segura hält das Land über zwei Jahre in Atem. Am Ende herrscht traurige Gewissheit: die junge Frau wurde von ihren Kidnappern ermordet.
In der Netflix-Doku 900 Tage ohne Anabel, die am 22. November 2024 erscheint, werden die Entführung, der Mord und die Täter:innen genauer unter die Lupe genommen. Doch wie nah halten sich die Macher:innen der Dokumentation an die realen Begebenheiten? Das verraten wir Dir im Folgenden.
Die wahre Geschichte hinter der Entführung von Anabel
Die BWL-Studentin Anabel Segura, Tochter des deutschen Unternehmers José Segura, verschwindet beim morgendlichen Joggen im noblen Madrider Wohnviertel La Moraleja. Ein Gärtner beobachtet, wie die junge Frau gewaltsam in einen weißen Lieferwagen gezerrt wird, der anschließend über die Autobahn flieht.
In der Folge erhält die Familie mehr als zwanzig Anrufe. Die Entführer:innen fordern ein Lösegeld von 150 Millionen Peseten, umgerechnet rund 900.000 Euro. Was die Familie zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Anabel ist bereits tot.
Sie wurde etwa sechs Stunden nach der Entführung bei einem Fluchtversuch ermordet. Doch die Täter:innen lassen es monatelang so aussehen, als sei Anabel noch am Leben.
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In ihrer Verzweiflung nehmen die Eltern eine Hypothek auf ihr Haus auf und setzen gemeinsam mit dem Innenministerium eine hohe Belohnung aus. Als vermeintliches Lebenszeichen erhalten sie eine Tonbandaufnahme, die sich später als Fälschung herausstellt: Die Stimme gehört Felisa Garcia, einer Komplizin der Täter.
Ortiz Aon und Muñoz Guadix: Wie wurden die Täter:innen gefunden?
Im Fall der entführten 22-jährigen Deutsch-Spanierin wendet sich die spanische Polizei nach erfolglosen Ermittlungen an das deutsche Bundeskriminalamt (BKA).
Der Spracherkennungsexperte Professor Dr. Hermann J. Kuenzel führt daraufhin eine bahnbrechende phonetische Analyse der Täter:innenstimmen durch. Seine Ergebnisse präsentiert er in einer spanischen Fahndungssendung, vergleichbar mit „Aktenzeichen XY ungelöst”. Die Ausstrahlung führt zu rund 1.500 Zuschauerhinweisen.
Die akribische Arbeit der Madrider Mordkommission führt schließlich zur Festnahme der Täter:innen: Die Verhaftung erfolgt am 28. September 1995, nachdem ein Bewohner der Gegend von Escalona (Toledo) eine der Stimmen auf einer gezeigten Tonbandaufnahme wiedererkennt: Es sind Ortiz Aon und Muñoz Guadix.
Sie gestehen, das Opfer unmittelbar nach der Entführung getötet zu haben, forderten aber noch zwei Wochen lang Lösegeld von der Familie. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in Toledo verleiht der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar später Professor Dr. Kuenzel das Weiße Kreuz des Verdienstordens der spanischen Polizei für seine Mithilfe bei dem Fall.
Mord an Anabel: Wo wurde die Studentin aufgefunden?
Die Verhaftung der Täter:innen führt zu einem traurigen Fund: In einem verlassenen Lagerhaus nahe Toledo, rund 65 Kilometer südlich von Madrid, entdeckt die Polizei Anabels sterbliche Überreste.
Während einer Pressekonferenz betont der Anwalt der Familie Segura, dass die Eltern trotz ihrer Trauer keine Rachegedanken hegen, sondern auf die Gerechtigkeit des Rechtssystems vertrauen. Mit der Entdeckung endet eine 900 Tage währende Suche – der längste dokumentierte Entführungsfall in der spanischen Geschichte.
900 Tage ohne Anabel: Gefängnisstrafe für die Täter
Das Gericht verurteilt die beiden Täter 1999 wegen Entführung und Mordes zunächst zu 39 Jahren Haft. Der Oberste Gerichtshof Spaniens erhöht das Strafmaß später auf 43 Jahre.
Ortiz Aon stirbt 2009 im Alter von 48 Jahren im Gefängnis von Ocaña an einem Herzinfarkt. Sein Komplize Muñoz Guadix wird nach 18 Jahren Haft 2013 aus dem Gefängnis von Herrera de La Mancha entlassen. Bei seiner Entlassung zeigt er Reue und gibt zu, die Tat aus finanziellen Gründen begangen zu haben. Wo er sich heute aufhält und welcher Tätigkeit er nachgeht, ist unbekannt.
Wieso wurde Muñoz Guadix frühzeitig entlassen?
Falls Du Dich fragst, wieso Guadix trotz der Schwere seiner Tat und dem hohen Strafmaß so früh aus dem Gefängnis entlassen wurde: Die Grundlage für seine Freilassung ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur umstrittenen spanischen Parot-Doktrin.
Diese Rechtsvorschrift aus dem Jahr 2006 hatte das Berechnungssystem für Haftstrafen bei Schwerverbrechern verschärft, indem Strafminderungen für jedes Delikt einzeln statt auf die Gesamtstrafe angerechnet wurden. Als der Europäische Gerichtshof diese Praxis als Verstoß gegen die Menschenrechte einstufte, musste Spanien zahlreiche Häftlinge frühzeitig freilassen.
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Die Entlassung von Muñoz Guadix, die auf dieser juristischen Formalie und nicht auf einer Neubewertung seiner Taten basierte, entfachte in Spanien eine intensive gesellschaftliche Diskussion über Strafvollzug und Sicherheit.
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