Es war ganz schön was los im Frauen-Musikjahr 2002: Norah Jones säuselte Schmusejazz auf «Come Away With Me», Shania Twain lieferte selbstbewussten Country-Pop mit «Up!» und Christina Aguilera bewegte sich mit dem kantigeren «Stripped» weg vom Teenie-Pop – aber war da auch noch dieser Teenager aus Kanada. Gerade einmal 17 Jahre war dieses Mädchen mit den langen glatten Haaren und den übergroßen Klamotten und sie spielte Musik mit einer Attitüde, wie noch kein junger Kommerz-Star zuvor: Avril Lavigne. «Let go» hieß ihr Album, und es lieferte mit «Complicated», «Sk8er Boi» und «I'm with You» gleich drei Hits, die auch heute noch Millionen Fans mitsummen können. Mehr als 22 Jahre liegt die Veröffentlichung nun zurück – Lavigne feiert am 27. September ihren 40. Geburtstag.
Ihr andauernder Erfolg liegt zum einen an der immensen Ohrwurmqualität der Melodien, zum anderen aber auch daran, dass die Sängerin mit den blonden Haaren auffiel. Inszeniert als Skaterin mit Baggy-Hose, Krawatte und selbstbewusster Attitüde sang sie in den von ihr mitgeschriebenen Songs vom Verknalltsein, vom authentischen Auftreten und von der dauernden Suche nach einer Person, zu der sie gerne heimkommt. Hinzu kam: Die 1984 geborene Kanadierin hatte für Fans zwar das Image als coole Freundin von nebenan, doch von Anfang an fand die Presse immer auch Gefallen an den knalligen Schlagzeilen über ihr Privatleben.
Zwei Ehen schreiben jede Menge Schlagzeilen
Da war beispielsweise die Ehe mit Deryck Whibley, Sänger von «Sum 41», einer Band mit etwas glaubwürdigerer Punk-Attitüde. Whibley musste bei seinen Konzerten auf «April nervt»-Schilder blicken und sich den Vorwurf anhören, dass seine Partnerin für den Ausverkauf dieser Musikrichtung stehe. Dennoch heirateten die beiden 2006. Whibley war damals 26 Jahre alt, Lavigne war 21. Er habe sich damals noch gefühlt wie ein Teenager aus einem Vorort von Toronto, sagte Whibley im vergangenen Jahr dem Magazin «GQ» über die Phase der Heirat. «Aber die kanadische Presse hat über diese Nachricht wie über eine Hochzeit bei den Royals berichtet.» Die beiden flüchteten nach Los Angeles, doch die anspruchsvollen Kalender der Musikstars erschwerten gemeinsam verbrachte Zeit – nach vier Jahren ließen sie sich scheiden.
Es folgte eine zweijährige Beziehung mit einem Stiefbruder von Kim Kardashian und schließlich eine zweite Ehe mit einem noch berühmteren Musikerkollegen: Nickelback-Frontmann Chad Kroeger. Im Sommer 2013 heiratet der damals 38-Jährige die zehn Jahre jüngere Sängerin, nachdem sie im Jahr zuvor gemeinsam Musik geschrieben hatten. Doch auch diese Ehe hält nicht, zwei Jahre später gibt Lavigne über Instagram die Trennung bekannt: «Nicht nur durch die Hochzeit, sondern auch durch die Musik haben wir uns viele unvergessliche Momente erschaffen», schrieb sie. «Wir sind noch immer die besten Freunde und werden das auch für immer bleiben.» Tatsächlich bleiben die beiden durch gemeinsames Songschreiben und Produzieren verbunden.
Schwere Krankheit zwingt zu fünf Jahren Pause
Inzwischen ist es etwas stiller um Lavigne geworden, was lange Zeit auch medizinische Gründe hatte. 2014 wurde bei ihr Lyme-Borreliose diagnostiziert, eine Infektionskrankheit, die unter anderem das Nervensystem und die Gelenke schädigen kann. In dieser Phase sei sie ständig müde und teils zu schwach zum Duschen gewesen, erklärte Lavigne später dem «People»-Magazine. «Ich dachte, ich sterbe. Es hat sich angefühlt, als ob all mein Leben aus mir rausgesaugt würde», sagte sie. Erst nach fünf Jahren schaffte sie mit dem Comeback-Album «Head Above Water» («Kopf über Wasser») den Schritt zurück in die Öffentlichkeit.
Heute blickt Lavigne auf sieben Studioalben und eine frisch beendete «Greatest Hits»-Tour zurück. Sie hat drei Parfums verantwortet, ein eigenes Modelabel gestartet und wurde mit einem Stern auf Hollywoods «Walk of Fame» gewürdigt. Zum letzten Konzert ihrer Tour postete Lavigne auf Instagram ein Foto vor Tausenden Fans, verbunden mit einem Text, der zeigt, wie sehr sie die Lethargie der Krankheit überwunden hat. «Ich war so lange Zeit in meinem Leben unterwegs», heißt es da, «aber am Ende jeder Tour merke ich, wie besonders das ist, was wir machen, wie viele Leute man dafür braucht, um meine Vision zur Wirklichkeit werden zu lassen – und wie sehr ich mich aufs nächste Mal freue.»