Würde Ernest Hemingway noch leben, eine moderne Gesellschaft hätte sich wohl an ihm abzuarbeiten: Der Amerikaner verkörperte das Männlichkeitsbild eines echten Draufgängers und Frauenhelden. Der Schriftsteller war Großwildjäger, Kriegsteilnehmer, Reporter und Hochseeangler - und jemand, der weder Bars noch Frauen widerstehen kann. Heute (am 21.7.) wäre der Nobelpreisträger 125 Jahre alt geworden.
Vor über 60 Jahren brachte sich der Nobelpreisträger um, denn sein Dasein als Lebemann begleiteten Depressionen und Selbstzweifel. Der Suizid ist kein Einzelfall in Hemingways Familie.
Am Anfang seines Lebens mangelte es dem jungen Ernest Miller Hemingway materiell an nichts. Geboren 1899 in einem Vorort von Chicago, wuchs der Arztsohn in einem sicheren und bildungsreichen Umfeld auf. Doch zur Enttäuschung seiner Eltern schlug der junge Mann seine Privilegien in den Wind und entschied sich, Reporter in Kansas zu werden sowie als Ambulanzfahrer in den Ersten Weltkrieg zu ziehen.
Faszination für den Krieg
Nach einer schweren Verwundung in Italien und einer enttäuschten Liebe kehrte er zurück und schrieb weiter. Zunächst verfasste er Geschichten für Zeitungen, dann Reportagen und schließlich Romane. Mit «Fiesta» gelang Hemingway 1926 der Durchbruch. Das Buch ist vor allem wegen der Schilderung der Stierhatz in Pamplona bekannt, dreht sich aber hauptsächlich um das Leben der Pariser Künstler, das in den Cafés stattfand.
Eine Hauptfigur war in Kansas Journalist, wurde Ambulanzfahrer in Italien, erlitt dort schwere Verwundungen - und wurde impotent. Die Parallelen zu Hemingways eigenem Leben sind offensichtlich, aber impotent? Das war Hemingway nicht, zumindest nicht dauerhaft, denn aus seinen ersten beiden Ehen gingen drei Kinder hervor.
Fasziniert war der Schriftsteller von jeher von der alles verzehrenden Natur des Krieges. Im Spanischen Bürgerkrieg war er Kriegsberichterstatter, am D-Day im Juni 1944 überquerte er mit amerikanischen Truppen den Ärmelkanal und erlebte Kämpfe in der französischen Normandie.
Die Encyclopaedia Britannica schreibt in ihrem Artikel über Hemingway: «Er nahm auch an der Befreiung von Paris teil und beeindruckte, obwohl er vordergründig Journalist war, die Berufssoldaten nicht nur als mutiger Mann im Kampf, sondern auch als echter Experte in militärischen Angelegenheiten, Guerillaaktivitäten und der Informationsbeschaffung.» Unter seinen Freunden galt der Schriftsteller jedoch auch als mental zerbrechlich. Als Getriebener, der sich mit Alkohol Erleichterung verschaffen wollte, doch damit alles nur schlimmer machte.
Literarisch aus der Mode gekommen
Immerhin nannte die «New York Times» ihn 1950 den «wichtigsten Schriftsteller seit dem Tod von William Shakespeare». Vier Jahre später erhielt er den Literaturnobelpreis - längst überfällig nach Meinung seiner Bewunderer und auch seiner eigenen.
Heute betrachtet man ihn kritischer, er passt nicht mehr so recht ins 21. Jahrhundert. Seine Werke sind wie jene von anderen breitbeinig auftretenden Schriftstellern wie Jack London, Irwin Shaw und Norman Mailer unter anderem wegen ihrer Darstellung von Geschlechterrollen aus der Mode gekommen.
Als Hemingway 29 Jahre alt war, nahm sich sein Vater das Leben. Diese Last begleitete ihn sein ganzes Leben, zusammen mit Depressionen, Erfolgsdruck und Alkohol. Damals behandelte man das mit Elektroschocks. Hinzu kam eine Paranoia: Hemingway hatte sich mit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro eingelassen, dessen Grausamkeiten aber stets ignoriert. In seinen letzten Lebensjahren war er überzeugt, dass das FBI jeden seiner Schritte überwachte.
Serie von Selbsttötungen in der Familie
Am 2. Juli 1961 nahm Hemingway sich mit seiner Lieblingsflinte das Leben. «Ein Unfall», erklärte die Familie zunächst. Erst Jahre später gestand seine vierte Frau Mary ein, dass es Suizid war. Überrascht hat das niemanden mehr. Auch war es kein Einzelfall in Hemingways Familie: Seine Schwester Ursula (1966), sein Bruder Leicester (1982) und seine Enkelin Margaux (1996) nahmen sich das Leben. Hemingways drittes und jüngstes Kind starb 2001 in einem Frauengefängnis in Miami. Gloria - der Geburtsname lautete Gregory - hatte sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen.