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Russland verurteilt US-Reporter zu 16 Jahren Haft

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit macht Russland dem Korrespondenten vom «Wall Street Journal» wegen angeblicher Spionage den Prozess. Trotz des Urteils könnte sich sein Schicksal bald wenden.
US-Reporter Gershkovich
Kann der US-Reporter auf einen Gefangenenaustausch Russlands mit den USA hoffen? (Archivbild) © Uncredited/AP/dpa

Die russische Justiz hat den US-Reporter Evan Gershkovich in einem umstrittenen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen aus dem Gericht in der Stadt Jekaterinburg am Ural. International wurde das Urteil scharf kritisiert. US-Präsident Joe Biden versprach, dass die US-Regierung weiterhin für Gershkovichs Freilassung kämpfe.

Am dritten Verhandlungstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit sah das Gericht die Spionage als erwiesen an. Gershkovich, der als Korrespondent für das «Wall Street Journal» in Russland arbeitete, die US-Zeitung selbst wie auch die US-Regierung haben die Vorwürfe stets als haltlos zurückgewiesen. Gershkovich hielt daran auch vor Gericht fest. «Der Angeklagte hat keine Schuld eingestanden», sagte eine Gerichtssprecherin. Washington fordert seine Freilassung.

Der 32 Jahre alte US-Reporter war im März 2023 festgenommen worden. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB erhob die Spionage-Anschuldigungen gegen ihn. Laut Anklage soll er im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA konspirativ Informationen über die Rüstungsfabrik Uralvagonzavod gesammelt haben. Die Verteidigung sagte, Gershkovich habe in der Region als Journalist recherchiert. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer 18 Jahre strenge Lagerhaft.

Letzter US-Korrespondent zu Sowjetzeiten als Spion festgenommen 

Der Fall Gershkovich ist beispiellos in der jüngeren russischen Geschichte. Seit dem Ende der Sowjetunion saß kein einziger westlicher Journalist wegen Spionage hinter Gittern. Gershkovich hat die meiste Zeit seiner seit mehr als einem Jahr andauernden Untersuchungshaft in einem Moskauer Gefängnis verbracht. Er klagte immer wieder ohne Erfolg gegen die Verlängerung der Haft.

Biden wies die Verurteilung in einer Stellungnahme als unrechtmäßig zurück. Gershkovich sei Zielscheibe der russischen Regierung geworden, «weil er Journalist und Amerikaner ist». Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete das Urteil als «politisch motiviert» und warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, Angst vor der Kraft von Fakten zu haben. Der britische Premierminister Keir Starmer äußerte sich ähnlich. Das Urteil sei verachtenswert und unterstreiche Russlands Verachtung für die Pressefreiheit. 

Zuletzt wurde 1986 der damalige Moskauer Büroleiter des Nachrichtenmagazins U.S. News & World Report Nicholas Daniloff mit Spionagevorwürfen festgenommen. Im Gegensatz zu Gershkovich wurde er aber nicht verurteilt, sondern nach einigen Tagen freigelassen - im Austausch gegen einen kurz zuvor in den USA festgenommenen russischen Spion. Ein ähnliches Szenario deutet sich aber nun auch im aktuellen Fall an.

Hinter den Kulissen wird verhandelt 

Nach offiziellen russischen Angaben laufen im Verborgenen Verhandlungen mit den USA über einen Austausch von Gershkovich gegen einen russischen Inhaftierten. Beobachter in Moskau deuten die schnelle Verurteilung als möglichen Hinweis darauf, dass es darüber bald eine Einigung geben könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, damit es zu einem Austausch kommt.

Der Machtapparat presst so immer wieder in den USA inhaftierte Russen frei. Ende 2022 wurde so der in den USA einsitzende Waffenhändler Viktor But gegen die bekannte US-Basketballerin Brittney Griner ausgetauscht. Die russischen Behörden hatten Griner, die zu der Zeit auch in Russland spielte, am Flughafen mit einer geringen Menge Haschischöl festgenommen und dann zu einer langen Haft verurteilt.

Das jetzige Interesse des Kremls gilt wohl auch einem nach dem Mord in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten 2021 verurteilten Russen in Deutschland. Der Mörder erschoss dem deutschen Urteil zufolge im Auftrag staatlicher Moskauer Stellen aus Rache einen georgischen Staatsbürger, weil der im Tschetschenienkrieg russische Soldaten getötet haben soll.

Warnung an westliche Reporter 

Der Prozess gegen Gershkovich hatte am 26. Juni begonnen. Nach dem zweiten Verhandlungstag beendete das Gericht am Donnerstag die von der Justiz so bezeichnete Beweisaufnahme. Medien berichteten, dass ein örtlicher Abgeordneter aus Jekaterinburg, der sich mit dem US-Reporter getroffen hatte, vor Gericht als Zeuge ausgesagt habe. Der Politiker hatte schon zuvor berichtet, dass der US-Bürger sich für militärische Fragen interessiert hätte.

Gershkovich hatte wie viele westliche Journalisten in Russland mit einer Akkreditierung des Moskauer Außenministeriums gearbeitet und recherchiert. Danach gab es auch offizielle Warnungen an westliche Reporter, in Kriegszeiten in das für seine Rüstungsindustrie bekannte Jekaterinburg 1.800 Kilometer östlich von Moskau zu reisen. 

Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Lage im Land besonders gespannt. Vertreter westlicher Medien, die aus offiziell so bezeichneten unfreundlichen Staaten kommen, laufen schnell Gefahr, als Spione denunziert zu werden.

Kritik aus Deutschland

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht in dem Urteil auch eine Warnung des Kreml an das internationale Pressecorps in Russland, im eigenen Interesse nicht unter der Oberfläche zu graben. Die Bundestagsabgeordnete Renata Alt sprach von einer «Machtdemonstration des Kremls». Diese erhöhe auch den Druck auf den Westen für die Freilassung des Tiergarten-Mörders, sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Redaktionshinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass der Georgier in Berlin 2021 im Tiergarten ermordet wurde. Die Tat ereignete sich aber im Kleinen Tiergarten, einer anderen Parkanlage.

© dpa ⁄ Friedemann Kohler und Ulf Mauder, dpa
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