In Russland hat in Jekaterinburg am Ural der Prozess gegen den seit mehr als einem Jahr inhaftierten US-Reporter Evan Gershkovich wegen angeblicher Spionage begonnen. Die erste Sitzung fand nach Angaben russischer Agenturen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Medien durften nur bei Prozessbeginn den Angeklagten in einem Glaskäfig des Verhandlungssaals fotografieren. Die Anhörung dauerte mehrere Stunden, die zweite Sitzung wurde auf den 13. August verschoben. Auch die weiteren Prozesstage sollen hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Nach Angaben der russischen Generalstaatsanwaltschaft soll Gershkovich im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA geheime Informationen gesammelt haben. Es sei um die Produktion und Reparatur von Rüstungsgütern in der Fabrik Uralvagonzavod in Nischni Tagil gegangen. Gershkovich sei bei seinem illegalen Tun nach allen Regeln der Konspiration vorgegangen, hieß es. Der im März 2023 bei einer Recherchereise festgenommene Gershkovich und sein Arbeitgeber, das «Wall Street Journal», haben die Vorwürfe dementiert.
So schrieb die Chefredakteurin der Zeitung, Emma Tucker, in einem Kommentar zum Verhandlungsbeginn: «Es überhaupt als Prozess zu bezeichnen, ist unfair gegenüber Evan und eine Fortsetzung dieser Justizfarce, die bereits viel zu lange dauert». Der Kreml gehe mit aller Härte gegen unabhängige Berichterstattung vor und habe «Journalismus praktisch zu einem Verbrechen gemacht».
Russland lasse weder die Unschuldsvermutung für den US-Reporter gelten noch seien Beweise vorgelegt worden. «Diese falsche Anschuldigung der Spionage wird unweigerlich zur falschen Verurteilung eines unschuldigen Mannes führen», schrieb Tucker weiter. Gershkovich habe gute Arbeit geleistet. Nun drohten ihm dafür bis zu 20 Jahre Haft. Das «Wall Street Journal» werde Evans Geschichte so lange erzählen, bis er sie irgendwann selbst erzählen könne.
US-Regierung: Anklage entbehrt jeglicher Grundlage
Die US-Regierung bezeichnete das Verfahren einmal mehr als «nichts anderes als ein Scheinprozess». Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, sagte in Washington: «Evan (Gershkovich) war nie für die US-Regierung beschäftigt. Evan ist kein Spion. Journalismus ist kein Verbrechen, und Evan hätte von vornherein nicht inhaftiert werden dürfen.» Es gebe keine Rechtfertigung für Gershkovichs Inhaftierung. Russland benutze ihn lediglich als Druckmittel.
Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow wies die Vorwürfe als «kontraproduktive Versuche, den Prozess zu politisieren», zurück. Wenn Washington tatsächlich am Schicksal Gershkovichs interessiert sei, sollte die US-Administration weniger lautstark kritisieren und stattdessen «ernsthaft auf die Signale achten, die sie in Washington über entsprechende Kanäle bekommen haben.»
Der Kreml wollte weder den Prozess noch angeblich laufende Verhandlungen zu einem Gefangenenaustausch um Gershkovich kommentieren. Solche Themen könnten nur in aller Stille gelöst werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Inhaftierung von US-Bürgern in Russland zieht oft komplizierte Verhandlungen zwischen Moskau und Washington über eine Freilassung oder einen Austausch nach sich. Trotz der gespannten russisch-amerikanischen Beziehungen gab es in der Vergangenheit immer wieder Gefangenenaustausche.