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True Crime aus der Nazizeit: «The Darkest Files»

Paintbucket Games will viel mit seinem neuen Werk: «The Darkest Files» soll NS-Verbrechen aufarbeiten und gleichzeitig ein unterhaltsames Videospiel sein. Kann das klappen?
Key Art «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Screenshot «The Darkest Files»
Key Art «The Darkest Files»

Es ist ein grausamer Fall, den die Staatsanwältin Esther Katz in der jungen Bundesrepublik aufklären will: Ein Mann im Rentenalter wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs hingerichtet, angeblich wegen Hochverrats. Doch vieles passt im ersten Fall, der im Spiel «The Darkest Files» zu lösen ist, nicht zu den Akten. Wurde der Mann zu Unrecht erschossen?

Esther Katz ist eine fiktive Person. Im Spiel gehört sie zum Team von Fritz Bauer, einem der hartnäckigsten Verfolger von NS-Verbrechen im Deutschland der 1950er und 1960er Jahre. Bauer war Generalstaatsanwalt in Frankfurt und hatte für seine Ermittlungen eine Gruppe junger und unbelasteter Staatsanwältinnen und Staatsanwälte um sich versammelt. Ester Katz ist im Spiel eine von ihnen. Und die Spielenden schlüpfen in ihre Rolle.

Akten wälzen, Zeugen befragen

Bei den Ermittlungen ist viel klassische Recherchearbeit zu erledigen: Zunächst gibt es Akten aus der Zeit des Verbrechens. Sie sind die Grundlage dafür, Zeuginnen und Zeugen einzuladen und zu befragen. Spannend: Paintbucket Games setzt in dem Spiel auf reale Fälle.

Während der Befragungen kommt das wohl ungewöhnlichste Feature des Spiels zum Einsatz, ein spannender Kunstgriff: Aus den Büroräumen in Frankfurt, in denen sich Katz und das Team sonst bewegen, werden die Spielenden quasi zum jeweiligen Tatort teleportiert.

Tatort-Besuche per Zeitmaschine

Dort spielen sich die Geschehnisse von damals vor ihren Augen ab - und zwar immer etwas anders, je nachdem, wie sie die Zeuginnen und Zeugen nacherzählen. Anhand bestimmter Gegenstände im Tatort-Bereich können dann noch weitere Fragen gestellt werden, die gegebenenfalls zu weiteren Erkenntnissen und Beweisen führen.

So füllt sich im Verlauf mehrerer In-Game-Tage die Akte mit Aussagetranskripten, Dokumenten, Fotos und weiteren Belegen. Anhand eines Grundrisses des Tatorts kann man dann eine Theorie aufstellen, wie sich die Tat tatsächlich abgespielt haben könnte.

Nazis den Prozess machen

Als Nächstes wird den Verdächtigen der Prozess gemacht: Vor Gericht präsentiert Esther Katz ihre Theorie. Einsprüchen der Gegenseite werden dann die einschlägigen Dokumente und Aussagen entgegengestellt, damit die wahren Schuldigen verurteilt werden können.

Dieser Ablauf macht aller Grausamkeit der Verbrechen zum Trotz Spaß. Je nach Schwierigkeitsgrad müssen die Spielenden im Prozess entweder nur die richtigen Dokumente, oder sogar die entscheidenden Absätze hervorheben, um ihre Theorie zu beweisen.

Grips und Knobelei sind gefragt

Das erfordert ordentlich Grips und kann zu langer Knobelei zu einzelnen Details der jeweiligen Fallakte führen. Das Spiel macht das leider nicht wirklich einfacher. Zwar sind alle Dokumente verfügbar, sogar die genauen Transkripte der Gespräche mit den Zeuginnen und Zeugen.

Man sieht jedoch maximal zwei Seiten gleichzeitig, die man nur über Lesezeichen selbst sortieren kann. Eine Art leerer Tisch, auf dem man sich die Akte selbst auslegen kann, wäre hier hilfreicher gewesen. Immerhin: Es gibt ein Hilfesystem, das wichtige Tipps geben kann.

Urteile variieren nach Argumentation

Je nachdem, wie viel Staatsanwältin Katz beweisen kann, ergehen auch unterschiedliche Urteile gegen die Angeklagten. In einer anschließenden Videosequenz bewertet Bauer den Erfolg des Prozesses. Danach können sich Spielende dann auch ansehen, wie es wirklich gewesen ist. Denn wie zuvor erwähnt: Alle Fälle im Spiel sind real.

Daneben geht es in «The Darkest Files» aber auch darum, unter welchen Bedingungen und gegen welche Widerstände Fritz Bauer und sein Team arbeiten mussten. Esther Katz bekommt Drohbriefe, eine Zeitung verfasst abschätzige Artikel, eines Tages fliegt ein Stein durch die Scheibe des Büros. Als junge Frau wird Katz auch mehrfach nicht ernst genommen oder sogar sexistisch beleidigt.

Ein Spiel als Warnung

Was das Spiel aussagen will, macht es schon im Intro mit einem Zitat von Fritz Bauer klar: «Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.» Das Spiel rückt sehr nah an die Grausamkeiten der Nazizeit heran, macht sie persönlich greifbar und gibt damit die Warnung aus: nie wieder.

Gleichzeitig kritisiert es die im Nachkriegsdeutschland schweigende Gesellschaft, wenn es um NS-Verbrechen ging - und geht auch der Frage nach, inwieweit Justiz und Polizei in der jungen Bundesrepublik noch von NS-Angehörigen durchsetzt, wenn nicht sogar bestimmt waren.

Düstere Graphic Novel in englischer Sprache

Optisch gestützt wird das Thema durch den prägnanten visuellen Stil von Paintbucket Games. Alles ist sehr dunkel, fast schwarz-weiß gehalten, die Umgebungen und Charaktere erinnern an eine düstere Graphic Novel.

Vertont wurde das Spiel - wohl mit Blick auf die internationale Vermarktung - leider nur auf Englisch (mit teils ausgeprägtem deutschen Akzent). Für Texte und Untertitel lassen sich als Sprachen aber auch Deutsch oder Französisch einstellen

Fazit: Beeindruckend und fesselnd, aber nur zwei Fälle

Gewünscht hätte man sich am Ende dann doch mehr Umfang. Katz löst im Laufe des Spiels zwei Fälle, darauf folgt ein kurzer Epilog. Die Fälle sind zwar anspruchsvoll und können nur mit großer Detailversessenheit und oftmals wohl nur nach mehreren Anläufen gelöst werden. Doch viel mehr als zehn Stunden Spielzeit kommen dabei trotzdem nicht herum.

Dennoch ist Paintbucket Games ein beeindruckendes Stück irgendwo zwischen Visual Novel und Anwaltsspiel gelungen. Es fesselt emotional und kann auch spielerisch überzeugen.

«The Darkest Files» ist für PC und Mac via Steam verfügbar. Es kostet rund 20 Euro und ist ab zwölf Jahren (USK) freigegeben.

© dpa ⁄ Benedikt Wenck, dpa
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