Völlig ausgelaugt winkte Alexander Zverev nach dem geplatzten Traum vom erneuten Olympia-Gold noch einmal ins Publikum, dann verließ er ernüchtert das Pariser Tennis-Stadion. Auf den Tag genau drei Jahre nach dem Coup in Tokio scheiterte der von gesundheitlichen Problemen gehandicapte beste deutsche Tennisprofi bei hochsommerlichen Temperaturen im Viertelfinale mit 5:7, 5:7 am Italiener Lorenzo Musetti.
Danach trauerte Zverev der verpassten Medaillenchance nach. «Ich hatte Niederlagen in meiner Karriere, die enttäuschender waren. Aber das, was am meisten enttäuschend ist, ist, dass die Olympischen Spiele einmal in vier Jahren sind», sagte Zverev. Nach 2:04 Stunden verwandelte Wimbledon-Halbfinalist Musetti seinen ersten Matchball und zerstörte Zverevs Hoffnung, zum zweiten Mal bei Olympia zu triumphieren.
Zverev fühlt sich «schrecklich»
Der 27-Jährige offenbarte nach dem Match körperliche Probleme, die ihn schon in der gesamten Woche eingeschränkt hätten. «Ich wurde wirklich sehr, sehr schnell müde jedes Mal und brauchte längere Pausen», berichtete Zverev. Gegen Musetti habe er sich nach einem Satz «schrecklich» gefühlt, erklärte der Hamburger und kündigte an, in seiner Wahlheimat Monaco Bluttests machen zu lassen.
Dass die Müdigkeit mit seiner Diabetes-Erkrankung zu tun habe, glaube er nicht. «Dann hast du das Gefühl, du bist langsamer und du hast keine Lust, irgendwas Obersportliches zu machen», schilderte Zverev. Hier werde ihm nach einer gewissen Zeit schwindelig. «Ich sehe vier Bälle, die auf mich zukommen und kann gefühlt wirklich gar nichts mehr machen.»
Schon wieder machte ihm damit sein Körper einen Strich durch die Rechnung, ein großes Ziel zu erreichen. In Wimbledon hatte sich Zverev auf Rasen so gut gefühlt wie nie zuvor in seiner Karriere, ehe ihn dann eine Knieblessur beim Achtelfinal-Aus stark einschränkte.
Der Deutsche Tennis Bund verfehlte mit dem Ausscheiden des letzten verbliebenen Teilnehmers das Minimalziel von einmal Edelmetall. Seine zweite Medaillenchance im Mixed-Wettbewerb hatte Zverev mit Laura Siegemund schon in Runde eins verspielt. Am Vortag war Angelique Kerber im Damen-Einzel in ihrem letzten Karriere-Match ebenfalls im Viertelfinale ausgeschieden.
In Tokio schrieb Zverev deutsche Tennis-Geschichte
Getragen von dem Gefühl, die ganze Nation zu repräsentieren, war Zverev vor drei Jahren in Japan durch das olympische Turnier gerauscht. Sogar vom serbischen Topstar Novak Djokovic hatte sich der deutsche Tennis-Hoffnungsträger damals im Halbfinale nicht aufhalten lassen. Am 1. August 2021 feierte er als erster deutscher Tennisprofi bei den Herren Gold im Einzel.
Sein Viertelfinale gegen Musetti hatten die Organisatoren am späten Mittag angesetzt, obwohl er sein Achtelfinale anders als der Italiener tags zuvor erst am Abend beendet hatte. Die kurze Pause habe aber nicht die entscheidende Rolle gespielt, meinte Zverev.
Wie in den vergangenen Runden fand Zverev nicht wie erhofft in die Partie und gab - auch verschuldet durch einen Doppelfehler - gleich sein erstes Aufschlagspiel zum 0:1 ab. Mit dem Service des Weltranglisten-16. aus der Toskana kam er zunächst nicht zurecht.
Zverevs Break-Rückstand hatte bis zum 4:5 Bestand. Beim drohenden Satzverlust nutzte er eine der wenigen Nachlässigkeiten Musettis, um auszugleichen. Allerdings führten drei vermeidbare Fehler prompt zum nächsten Aufschlagverlust. Nach 61 Minuten war der erste Durchgang weg - nach einem Stoppball des Italieners, der den weit hinter der Linie positionierten Zverev mehrfach mit kurzen Bällen überraschte.
Bei erneut hochsommerlichen Temperaturen hatte Zverev erstmals im Turnierverlauf sein schwarzes Nationaloutfit zu einem weißen T-Shirt getauscht. Während der Seitenwechsel legte er sich nicht nur kühlende Handtücher auf die Schulter, sondern auch Eisbeutel auf den Kopf oder unter das Shirt. Im zweiten Satz ließ er sich von Zuschauern in der ersten Reihe einen Fächer geben und wedelte sich ein wenig Luft zu.
Bei 4:3 schlossen die Organisatoren das Hallendach, der Platz lag dann im Schatten. Doch auch das half Zverev nicht mehr. Bei 5:5 leistete sich Zverev eine Schwächephase bei eigenem Aufschlag und ermöglichte dem Italiener das entscheidende Break. «Es ist jetzt an der Zeit zu schauen, was los ist und hoffentlich wieder zurück zu meiner Bestform zu kommen, die ich vor ein paar Wochen, ehrlich gesagt, auch noch hatte», sagte Zverev.