Olympia-Debütantin Annett Kaufmann schlug kurz ungläubig die Hände über dem Kopf zusammen, dann rannte sie zum Jubeln mit ihrem Tischtennis-Team. «Ich bin überglücklich, dass wir im Halbfinale stehen, dass wir das irgendwie geschafft haben», sagte die 18-Jährige, die vor wenigen Wochen ihr Abitur machte.
Auch ihre Mitspielerinnen waren beeindruckt von der Leistung, die das ersatzgeschwächte deutsche Frauen-Team in Paris ins Halbfinale brachte. «Annett ist ein Wunder, wirklich. Sie ist zum ersten Mal bei Olympia. Dass sie so gut spielen kann mit 18», sagte die 41 Jahre alte Silber-Gewinnerin von 2016, Shan Xiaona.
Bei der Bundestrainerin fällt der Stress ab
Nach dem 3:1 gegen Indien spielen die Deutschen in der Runde der letzten vier am Donnerstag (20.00 Uhr) gegen Japan überraschend um eine Medaille. Bundestrainerin Tamara Boros kamen im Moment des Sieges die Tränen. «Da ist der ganze Stress von diesem Jahr rausgekommen», sagte sie.
Denn Kaufmann rückte erst einige Wochen vor den Spielen durch den Ausfall von Deutschlands Topspielerin Ying Han in den Kader. Und dann zog sich auch noch Nina Mittelham, die in der Weltrangliste Deutschlands bestplatzierte Spielerin ist, in Paris bei ihrem Zweitrunden-Aus im Einzel eine Bandscheibenverletzung zu und musste durch Yuan Wan ersetzt werden.
«Ich bin ein Fighter»
Wie schon beim knappen Sieg gegen die USA in der ersten Runde gewannen Shan und Yuan zum Auftakt das Doppel gegen Sreeja Akula und Archana Girish Kamath (3:1). Das sei «unfassbar wichtig» für sie gewesen, sagte Kaufmann. Die 18-Jährige gewann ihr erstes Einzel gegen Manika Batra. Shan, die ebenfalls schwer von einer Bandscheibenverletzung beeinträchtigt ist, unterlag Kamath.
Mit beeindruckender Souveränität sicherte Kaufmann dann den deutschen Sieg und wischte alle kleinen Rückschläge weg. «Das bin einfach ich. Das ist mein Charakter. Ich bin ein Fighter», sagte die Spielerin vom SV DJK Kolbermoor. «Ich kann nur selbstbewusst reingehen. Wenn ich mit Angst reingehe, kann ich auch direkt die Hand geben.»
Eine Medaille zu holen, wird trotzdem schwer, aber es braucht eben auch nur noch einen Sieg. «Da muss jeder über seinem Niveau spielen, anders geht es nicht», sagte Kaufmann. «Aber wir können so schon stolz sein.»
Auch Timo Boll zollte den deutschen Tischtennis-Frauen «großen Respekt», gab aber zugleich zu bedenken: «Gegen Japan wird es verdammt schwierig, da dürfen wir uns nichts vormachen. Das wäre wohl die größte Sensation von Olympia», sagte Boll, der in Paris beim 0:3 im olympischen Viertelfinale des Männer-Teamwettbewerbs gegen Schweden sein letztes internationales Spiel als Tischtennis-Profi bestritt, im ZDF.