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Neuer, Müller, Kroos: Das letzte Hurra der Rio-Champions

Dänemark soll nicht das Ende sein. Doch nach der EM bahnt sich eine Zäsur an. Neben Kroos könnte auch für Neuer und Müller die DFB-Zeit vorbei sein. Der Bundestrainer spricht schon von einem Schnitt.
Neuer, Kroos und Müller (v.l.)
Die drei Weltmeister haben eine Mission in Europa: Manuel Neuer (v.l.), Toni Kroos und Thomas Müller wollen den Titel. © Federico Gambarini/dpa

Thomas Müller stand auf dem kleinen Podest und fühlte sich «wie bei einer Pferde-Auktion». Alle Blicke auf ihn, ein flotter Spruch hier, ein Augenzwinkern da. Müller war nach seinen EM-Minuten gegen Schottland in seiner Münchner Fußball-Arena in seinem Element.

Als würde er jeden Moment genießen. Es ist, als wüsste Müller, dass für ihn bei der Nationalmannschaft wohl nach der EM mit 34 Jahren sinnbildlich der Hammer fällt.

Manuel Neuer (38) rutschte die Nachricht sogar fast schon selber raus. «Das kann ich jetzt noch nicht verraten», sagte die ewige deutsche Nummer eins zu ihrer Zukunft im Nationaltrikot. Neuer hat offenbar schon eine Entscheidung getroffen. Nach der EM werde er sich «Gedanken machen», schob der Teamsenior einschränkend hinterher. Nur Toni Kroos (34) - als Dritter im Bunde der so unterschiedlichen letzten verbliebenen Rio-Weltmeister im Kader von Julian Nagelsmann - hat reinen Tisch gemacht. Karriereende mit EM-Abpfiff.

Aber bitte nicht schon am Samstag (21.00 Uhr/ZDF/Magenta TV) in Dortmund nach dem Achtelfinale gegen Dänemark. Das wäre zwei Wochen zu früh. Als Zielpunkt haben sich alle Champions von 2014 den 14. Juli gesetzt - das EM-Finale in Berlin. Zehn Jahre und einen Tag nach der magischen Nacht im Maracanã. Bestenfalls erst dann. Aber spätestens dann endet ziemlich sicher eine Ära in der DFB-Historie. Zusammen 364 Länderspiele für Deutschland, drei goldene WM-Medaillen, dazu in Summe zehn Champions-League-Siege, je fünf für die Bayern und fünf für Real Madrid. Eine Vielzahl an nationalen Titeln. Drei Welt-Karrieren eben.

Nagelsmann will «Lösungen finden»

Offiziell ist bis auf die Personalie Kroos noch nichts. Aber Bundestrainer Nagelsmann hat schon angedeutet, dass Richtung WM 2026 in Nordamerika ein Schnitt notwendig ist. «Für die Zukunft müssen wir Lösungen finden. Denn wir haben den ältesten Kader. Wir werden ein paar jüngere Spieler brauchen», sagte der Bundestrainer. Für die Heim-EM «ist es ein guter Mix», sagte Nagelsmann, der mit 36 Jahren der jüngste Coach der EM-Historie ist.

Aber dann: Jüngere Spieler rein, ältere raus. Das klingt logisch. Und wen sollte Nagelsmann gemeint haben außer Müller und Neuer, die Ältesten im Kader neben dem baldigen Fußball-Ruheständler Kroos? Allenfalls noch Ersatztorwart Oliver Baumann (34) oder Ilkay Gündogan (33), dessen Deutschland-Karriere aber gefühlt mit diesem Turnier als Kapitän im positiven Sinne erst richtig beginnt.

Auch Rudi Völler sprach im Teamquartier in Herzogenaurach zumindest mit Müller schon über die Zukunft. Ohne hinterher Details zu verraten. «Ich bin gerne mal mit Manuel auf einen Kaffee zusammen, auch mit Thomas, sich zu unterhalten über die Karriere, die er schon hat und wie es weitergeht. Beide sind absolute Vorbilder», sagte der DFB-Sportdirektor.

Ruhestand ja, Rücktritt nein

Bei Müller ist die Sachlage eigentlich ähnlich klar wie bei Kroos. Er wird, was das DFB-Trikot angeht, aber nie einen offiziellen Schnitt machen. Beim FC Bayern mag sein Vertrag in einem Jahr auslaufen. Als Nationalspieler tritt man aber nicht zurück, lautet seine Devise.

Aussortiert wurde er schon 2019 von Joachim Löw - und kam wieder zurück. Nach dem WM-Debakel in Katar 2022 klangen seine Worte im Interview wie ein Abschied von den Fans. Doch er kam erneut zurück. Die Heim-EM wirkt nun wie ein letzter Bonus. Seine «Gimmick»-Minuten, wie Nagelsmann es nennt, bekam er schon im Eröffnungsspiel gegen Schottland. Der große Traum vom ersten EM-Tor ist für den Bayern, der 2010 und 2014 zehn WM-Tore schoss, aber noch nicht erfüllt.

Als «Schmiermittel» und «Connector» hat ihn Nagelmann im Mix der Generationen bezeichnet. Von außen betrachtet wirkt Müller aber wie das fünfte Rad am Wagen. Auffällig sind vor allem noch seine skurrilen Aktionen vor dem Aufwärmprogramm. Wie vor dem Schweiz-Spiel, als er vergeblich versuchte, den Ball bis zum Video-Würfel im Frankfurter Stadion zu dreschen. Die sportlich relevante Hierarchie unter den Oldies verdeutlichen die bisherigen Turnier-Minuten: Neuer 270, Kroos 257, Müller 17.

Erben stehen bereit

Neuer wird vermutlich irgendwann einen sauberen Schnitt ziehen. Ob nach der EM, das wird sich zeigen. Acht Turniere als Nummer eins seit 2010. EM-Rekordtorwart (18 Spiele), deutscher Rekordtorwart (122 Länderspiele). Er hat eine Torwart-Ära geprägt und dominiert.

Sein ewiger Ersatzmann Marc-André ter Stegen steht als Nachfolger seit langem bereit. In Alexander Nübel ist sogar dessen Erbe ausgemacht. Für Neuer war es eine Genugtuung, nach seinem schweren Beinbruch das Comeback im DFB-Tor geschafft zu haben. Und die nach mehreren Patzern zuletzt ziemlich lauten Zweifel an seiner Stärke auch beim Turnier zu beseitigen.

Für Müller gibt es im offensiven Bereich schon jetzt einen reichen Fundus an jungen Optionen mit den Fußball-Zauberern Jamal Musiala und Florian Wirtz (beide 21) als Versprechen für Gegenwart und Zukunft. Beträchtlich wird die Lücke sein, die Kroos als Ruhepol hinterlässt. Sein Comeback war Nagelsmanns Königszug im personellen Rollenspiel.

Ein Aus gegen Dänemark? Es wäre fast schon Fußball-Blasphemie, eine Karriere so enden zu lassen. Dann schon eher gegen das große Spanien, seine Fußball-Heimat im anschließenden Viertelfinale. Aber am allerbesten im EM-Finale. «Natürlich wäre das fast zu kitschig, dieses Ende, aber ich würde es nehmen», sagte Kroos. Neuer und Müller sicherlich auch.

© dpa ⁄ Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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