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Immer mehr Fußball: Schaut das noch wer?

Nach umfassenden Reformen steigt die Anzahl der Fußballspiele in der kommenden Saison. In der Debatte über Sinn und Unsinn von noch mehr Partien streiten die Beteiligten über die Deutungshoheit.
Gianni Infantino
Toni Kroos
Aleksander Ceferin (l.) und Bernd Neuendorf

Wer sich am Wochenende und nach Feierabend stark für den Profifußball der Männer interessiert, der sollte sich den kommenden Februar rot im Kalender markieren. Dank Bundesliga, DFB-Pokal, Champions, Europa und Conference League werden allein in diesen Wettbewerben an 22 der 28 Tage mehr oder weniger spannende Spiele angepfiffen. In der hitzigen Debatte über Überlastung und Überfrachtung im Fußball könnten sich Verbände und Clubs bald die Frage stellen: Passt nicht noch was auf die verbleibenden vier Montage und zwei Donnerstage?

«Irgendwann ist genug», sagte zuletzt der meinungsstarke Uli Hoeneß, dessen Bayern in der Saison 2024/25 auf deutlich mehr Spiele kommen könnten, aber freilich auch von deren Vermarktung stark profitieren würden. So könne es nicht weitergehen, sagte der Ehrenpräsident der Münchner: «Diese Anhäufung von Wettbewerben muss gestoppt werden.»

Zwei große Reformen

In der Bundesliga, die an diesem Freitag (20.30/DAZN und Sat.1) mit dem Eröffnungsspiel von Meister Bayer Leverkusen bei Borussia Mönchengladbach beginnt, bleibt alles beim Alten. 34 Spieltage, zwei Relegationsspiele. Im reformierten Europapokal der Europäischen Fußball-Union UEFA aber kommen etliche Spiele hinzu, allein in der Champions League werden 189 Partien gespielt, 64 mehr als in der vergangenen Saison. Im Februar steht die neue Zwischenrunde nach der Vorrundenliga und vor dem Achtelfinale an.

Der Weltverband FIFA setzte für den an die Saison anschließenden Sommer die Reform der Club-WM durch, die so umfassend ist, dass praktisch ein neuer, knapp vier Wochen andauernder Wettbewerb entstanden ist. In den USA spielen 32 Vereine, darunter der FC Bayern und Borussia Dortmund, um den Titel. Bislang war die Club-WM als nebensächliches Mini-Turnier mit sieben Mannschaften am Jahresende oder -anfang ausgerichtet worden. Das neue Format garantiert (wie die UEFA-Europapokale) eine massive Steigerung der Einnahmen.

Dazu kommt die Nations League für die Nationalmannschaften, die DFB-Auswahl trifft zunächst jeweils zweimal auf die Niederlande, Bosnien-Herzegowina und Ungarn. Kurz vor der Club-WM wird die Endrunde mit den vier besten Auswahlteams gespielt. In der Theorie könnten Spitzenspieler auf deutlich mehr als 60 Spiele kommen.

Eine «völlig wahnsinnige» Planung

«Das Rad ist überdreht. Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen, Spieler zur Nationalmannschaft einzuladen», sagte Belgiens Nationaltrainer Domenico Tedesco. Jürgen Klopp, der sich in eine Auszeit von unbestimmter Dauer verabschiedet hat, bezeichnete den internationalen Fußballkalender als «völligen Wahnsinn». FIFA und UEFA würden nicht zusammenarbeiten. «Jeder sucht für sich, den besten Schnitt zu machen. Das ist ein riesengroßes Problem», sagte Klopp, es gehe «immer ums Geld».

Die Frage, wer wofür verantwortlich ist, scheint einigermaßen komplex. Entschieden wird bei den großen Verbänden in den höchsten Gremien, im FIFA-Council und im UEFA-Exekutivkomitee. Einige Funktionäre sind bei allen Sitzungen dabei, gerade auf europäischer Ebene haben die Clubs, die von Millioneneinnahmen profitieren, enorm viel mitzureden.

Als die Spielergewerkschaft Fifpro und die Ligavereinigung European Leagues kürzliche eine Beschwerde auf EU-Ebene gegen die FIFA ankündigten, entgegnete der Weltverband, die Entscheidungen zum Kalender seien gemeinsam und einstimmig getroffen worden. Der Präsident der European Leagues, Pedro Proença, sitzt zwar nicht im FIFA-Council - aber im UEFA-Exekutivkomitee, und der UEFA-Präsident Aleksander Ceferin ist Vizepräsident der FIFA.

Austausch von Beschuldigungen und Argumenten

So geht es in der Debatte insbesondere auch um Deutungshoheit. Dem Argument der immer deutlicher steigenden Belastung für die Fußballprofis hielt die FIFA eine Studie aus der Schweiz entgegen, laut der die Anzahl der Spiele für die einzelnen Profis in den vergangenen Jahren gar nicht gestiegen sei. 

Rechnerisch ergibt das Sinn - schließlich hängt die Zahl der absolvierten Partien in Pokalwettbewerb maßgeblich von einzelnen K.-o.-Spielen ab. Trotzdem wirken speziell am Ende einer Saison etliche Profis schlicht überspielt - Supertalent Florian Wirtz etwa war bei der Heim-EM nach der Doublesaison mit Bayer Leverkusen weit davon entfernt, die DFB-Auswahl zum Titel führen zu können.

Die andere Ebene der Kritik, dass sich der Fan, der sich am Wochenende und nach Feierabend stark für Profifußball interessiert, bald überfordert abwendet, ignoriert in Teilen die Wahlfreiheit. «Aus medienökonomischer Sicht kann es eigentlich kein "zu viel" geben, da Fußball-Begeisterte ein Mehrangebot bekommen, das sie für sich selbst selektieren können», sagte Medienwissenschaftler Christoph Bertling der Deutschen Presse-Agentur. «Zumindest wenn man von einer Konsumenten-Souveränität ausgeht, sollte es somit keine Probleme geben.»

Im Gegensatz zur Einführung von neuen Wettbewerben seien Reformen von bestehenden Formaten nicht ohne Risiko, sagte Bertling. Bei der Aufstockung der Spieltage «könnte es zu Resignation und Überfrachtung kommen, da der Spannungsbogen überstrapaziert würde», sagte der Kommunikationsexperte. In der Champions League werden 2024/25 in der Vorrunde pro Club acht statt sechs Partien gespielt.

© dpa ⁄ Jan Mies, dpa
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