Angesichts der schlechteren Steuerprognosen infolge der schwachen Konjunktur nutzt Nordrhein-Westfalen Ausnahmen bei der gesetzlichen Schuldenbremse und plant eine zusätzliche Kreditaufnahme. «Diese Auswirkungen der Steuerschätzung kompensiert Nordrhein-Westfalen durch die Inanspruchnahme der Konjunkturkomponente, die in der Schuldenbremse verankert ist», sagte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) am Mittwoch vor Journalisten. Dazu werde für dieses Jahr ein Nachtragshaushalt eingebracht. Auch im kommenden Jahr 2025 plant das Land demnach, die Spielräume der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für eine zusätzliche Kreditaufnahme zu nutzen, verlautete aus Kreisen des Ministeriums.
Die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse besagt, dass in konjunkturell schlechten Zeiten grundsätzlich die Aufnahme von neuen Krediten gestattet ist, diese aber in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs wieder zurückzuführen sind. Wie hoch die Kreditaufnahme in NRW sein wird, ist noch unklar.
Grund sind die prognostizierten Steuermindereinnahmen für NRW. Im Vergleich zur Finanzplanung 2023 muss das Land für das laufende Haushaltsjahr 2024 mit 1,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen rechnen und 2025 mit rund 1,3 Milliarden Euro weniger. Über den gesamten Schätzzeitraum 2024 bis 2028 werden für den Landeshaushalt Mindereinnahmen von 4,9 Milliarden Euro gegenüber dem ursprünglichen Planungsstand erwartet. Dennoch hatte Optendrenk eine Haushaltssperre ausgeschlossen und setzt jetzt auf die innerhalb der Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme. Auf dieser Basis könne der Haushalt 2024 planmäßig vollzogen werden, hieß es.
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes werden aber seit Monaten Forderungen aus Parteien und von Wirtschaftsexperten lauter, die Schuldenbremse zu lockern.
Der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen FDP-Fraktion, Ralf Witzel, sprach von einem schwarz-grünen «Offenbarungseid». «Der Griff zu neuen Schulden ist Armutszeugnis und Wortbruch des Finanzministers zugleich», sagte er. «Der Finanzminister ist an seinen eigenen Ansprüchen zur gebotenen Haushaltsführung gescheitert.» Die SPD kritisierte, anders als noch vor wenigen Tagen behauptet, müsse der Finanzminister nun doch Schulden machen. «Allerdings um liquide zu bleiben, und nicht um dringend benötigte Investitionen zu tätigen.» Von solider Finanzpolitik ist in NRW nichts mehr übrig.
Es wird erwartet, dass das Landeskabinett in der letzten Woche vor den Sommerferien Anfang Juli über den Nachtragshaushalt 2024 und den Landeshaushalt 2025 berät.