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Demo-Teilnehmer spüren neue Handlungsmacht

Seit Wochen gehen überall in Deutschland Menschen auf die Straße, um gegen rechts zu demonstrieren. Eine psychologische Studie liefert jetzt erste Ansätze dafür, was die Menschen bewegt.
Demo gegen Rechtsextremismus
Demo gegen Rechtsextremismus vor der Bühne auf der Deutzer Werft. © Sascha Thelen/dpa-Zentralbild/dpa

Die derzeitigen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus vermitteln den Teilnehmern einer Studie zufolge ein Gefühl von Handlungsmacht und Zusammengehörigkeit. «Es gibt eine brachliegende Bewegungsenergie», sagte der Psychologe Stephan Grünewald am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie in Köln. «Die Menschen haben das Gefühl, sie stecken in einem krisenhaften Alltag fest.» Der bald zwei Jahre währende Krieg in der Ukraine, die immer wieder aufflackernde Corona-Pandemie und das Dauerthema Migration würden als Krisen mit «Zombie-Qualität» empfunden, weil sie einfach nicht totzukriegen seien. Das Resultat sei ein Ohnmachtsgefühl. 

In dieser Situation seien die Berichte über ein Treffen von Rechtsradikalen in einer Potsdamer Villa und die dort diskutierten «Remigration»-Fantasien als Weckruf aus der eigenen Lethargie erlebt worden. Viele Menschen hätten es als befreiend erlebt, jetzt plötzlich mit der Teilnahme an den Demonstrationen ein Zeichen setzen zu können. «Man erlebte auf einmal eine ungeheure Zusammengehörigkeit, es war toll, wenn man auf diese Plätze kam und sah: Man ist nicht alleine, man ist Teil einer kraftvollen Bewegung.» Viele, die bei der Bundestagswahl vielleicht SPD, Grüne oder FDP gewählt hätten, aber inzwischen mit der Ampel fremdelten, hätten den Eindruck, nun wieder eine politische Heimat gefunden zu haben.

Für die Studie befragte das Kölner Rheingold-Institut Ende Januar mehr als 1000 Personen online und 26 Personen ausführlich in Tiefeninterviews. Die Ergebnisse der Online-Befragung sind den Angaben zufolge repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren.

Rheingold-Gründer Grünewald hob insbesondere hervor, dass 29 Prozent der Befragten angaben, sie könnten sich vorstellen, auch künftig an Demonstrationen gegen rechts teilzunehmen. «Das ist schon viel, wenn ein Drittel der Bevölkerung bereit ist, auf die Straße zu gehen.» Die meisten Demonstrierenden und ihre Sympathisanten hoffen demzufolge, dass aus den Kundgebungen eine konstante «Bürgerwelle» hervorgeht, die nicht nur gegen Rechtsextremismus aufsteht, sondern gegen alles, was in der Politik schiefläuft. Die Haltung früherer Jahre - «Wir delegieren alles an die gute Mutter Merkel, die alternativlos durchregiert» - sei ein Stück weit überwunden, die Menschen hätten sich aus ihrem privaten Schneckenhaus herausgewagt und wollten wieder Selbstwirksamkeit spüren. «Es gibt eine große Sehnsucht, dass das jetzt weitergeht, dass das nicht verpufft», sagte Grünewald.

Diese großen Erwartungen bergen nach Einschätzung der Kölner Psychologen allerdings auch ein Risiko. Bisher hätten die Menschen noch ganz überwiegend den Eindruck, dass bei den Kundgebungen die schweigende Mehrheit auf den Beinen sei, dass die Kundgebungen Maß und Mitte hätten. Wenn dort aber zum Beispiel Parolen pro Palästina gerufen würden oder wenn die Abschaffung der Polizei gefordert werde, dann fragten sich viele sofort, ob sie hier überhaupt hingehörten. «Die große Gefahr ist, wenn diese Demos gekapert werden von extremen Gruppierungen.» Dann könne die Entwicklung auch zu einem Bumerang für die Ampel-Regierung werden, der sowieso schon eine Mitverantwortung für das Erstarken der AfD angelastet werde. Von der Ampel erwarteten die Menschen jetzt eine produktive Problemlösungshaltung und viel weniger Zank. 

Eine Frage, die in den vergangenen Tagen häufig gestellt worden ist, lautet: Welche Wirkung haben die Demonstrationen auf die AfD-Anhänger? Hier muss man laut Grünewald zwischen drei Gruppen unterscheiden. Zum einen seien da die Sympathisanten, die noch nicht fest in der AfD verwurzelt seien, sondern vielleicht erst seit einiger Zeit mit dem Gedanken spielten, die Partei zu wählen. Diese Gruppe könne angesichts der Massenbewegung durchaus ins Grübeln kommen und sich vielleicht abkehren. Die zweite Gruppe seien die klassischen Protestwähler, die es den etablierten Parteien zeigen wollten. «Die fühlen sich durch die Demos jetzt ziemlich ausgegrenzt.» Das führe dann zu einer Wagenburgmentalität nach dem Motto «Jetzt erst recht». Die dritte Gruppe sei die der überzeugten ideologischen AfD-Wähler, die anzweifelten, dass es die Demos überhaupt in diesem Umfang gebe und für die die ausführliche Berichterstattung ein weiterer Beleg für die «Gleichschaltung» der Medien sei. 

Grünewald rät dringend dazu, das Gespräch mit AfD-Sympathisanten zu suchen. «Wir dürfen uns nicht weiter in den Silos verschanzen», sagte er. «Wir werden auch nicht alle überzeugen können, aber wenn wir im Gespräch bleiben, ist was möglich an Wandlung.»

© dpa ⁄ Christoph Driessen, dpa
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