KiK-Chef Patrick Zahn beklagt ein zu lasches Durchgreifen der Politik gegen asiatische Shoppingportale wie Shein und Temu. «Wir sehen mit großem Unverständnis, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, dass solche Anbieter auf dem Markt agieren und sich nicht an Recht und Gesetz halten», sagte er vor Mitgliedern der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Dies sei «eine schreiende Ungerechtigkeit».
Aus Sicht von Zahn profitieren Shein und Temu von unzulässigen Wettbewerbsvorteilen, zum Beispiel beim Zoll. Die asiatischen Online-Plattformen nutzen vor allem Luftfracht. Bei Bestellungen aus Nicht-EU-Ländern müssen für Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro bei der Einfuhr keine Gebühren bezahlt werden. Der Chef des Handelsunternehmens KiK hält dies für ungerecht. «Wir zahlen auch Zölle.» Ausländische Anbieter, die in Europa Handel betrieben, müssten das andersherum genauso machen.
Zahn: «Es ist komisch, wie wir mit zweierlei Maß rechnen»
Der Zoll ist Zahn zufolge mit der Situation völlig überfordert. «Der Großteil der Pakete kommt über Lüttich in Belgien rein. Jeden Tag kommen dort zwischen 400.000 und 500.000 Pakete von Temu und Shein an. Da sitzen sechs Zollbeamte. Das heißt, die Kontrollquote ist gleich null». Es sei deshalb nötig, Pakete aus Asien strenger zu prüfen. «Es ist komisch, wie wir mit zweierlei Maß rechnen», so Zahn. Das Lieferkettengesetz verlange europäischen Unternehmen viel ab, Portalen wie Shein und Temu nicht. Politikern sei dies bekannt, sie gingen die Problematik aber nicht an.
Zahn hält die Vorschriften für lückenhaft: «Unsere Artikel müssen zurückgerufen werden, wenn sich bei Proben herausstellt, dass etwas nicht stimmt, Temu und Shein nicht. Alle halten sich an die Regeln, die zwei nicht.» Wenn dies nicht gewährleistet sei, hätten die Portale auf dem europäischen Markt nichts zu suchen. «Was gar nicht geht, auch aus Verbrauchersicht, ist, dass schadstoffbelastete und durch Kinderarbeit hergestellte Ware hier vertrieben werden kann», so Zahn.
Shein: «Null-Toleranz-Politik gegenüber Kinderarbeit»
Das Portal Shein äußerte sich zu den Vorwürfen. Das Unternehmen verfolge «eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Kinderarbeit», sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Verstöße würden mit «größter Ernsthaftigkeit behandelt». Nach eigenen Angaben wurden zuletzt zwei Fälle von Kinderarbeit in der eigenen Lieferkette im Jahr 2023 entdeckt. Die Bestellungen bei den Herstellern seien daraufhin ausgesetzt und eine Untersuchung eingeleitet worden. Die Fälle seien zügig geklärt worden, auch Verträge seien gekündigt worden, hieß es.
Temu wehrte sich gegen die Vorwürfe von Zahn. «Wir arbeiten mit unseren Händlern zusammen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte alle geltenden Sicherheitsstandards und
-vorschriften erfüllen», sagte ein Sprecher. Temu setze sich dafür ein, ethische Arbeitspraktiken einzuhalten. Der Verhaltenskodex des Unternehmens verbiete «jegliche Form von Zwangs-, Kinder- oder Strafarbeit und verlangt die Einhaltung aller lokalen Arbeitsgesetze».
Die Zeitschrift «Öko-Test» hatte kürzlich Artikel von Shein untersucht. Laut einem im August veröffentlichten Bericht fielen viele Kleidungsstücke im Test durch, einige enthielten demnach giftige Chemikalien. So seien unter anderem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe nachgewiesen worden. Shein erklärte dazu: «Wir nehmen die Ergebnisse von Öko-Test sehr ernst.» Von Lieferanten verlange man strenge Kontrollen und Standards, die sich an europäischen und globalen Vorschriften orientierten, sagte eine Sprecherin. Im vergangenen Jahr seien 400.000 chemische Tests durchgeführt worden, um sicherzustellen, dass die Standards eingehalten werden.
Die Online-Händler Shein und Temu erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. Ihr Erfolg setzt etablierte Händler unter Druck. Nach einer Schätzung des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren kauften die Verbraucher im Deutschland im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Modeartikel und Schuhe bei Anbietern wie Shein und Temu. Die Portale sind jedoch umstritten. Verbraucherschützer, Politiker und Vertreter der Handelsbranche kritisieren unter anderem Produktqualität, irreführende Beschwerdewege und manipulative Praktiken und sprechen sich für schärfere Regeln aus.