Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in Oberbayern ein Bild von den dramatischen Überschwemmungen gemacht. Die Hochwasserlage im Süden Deutschlands - in Bayern und Baden-Württemberg - ist weiter dynamisch und teils unübersichtlich. Viele kleine Gemeinden sind betroffen, Tausende Helfer weiter im Einsatz. Vier Todesopfer wurden bislang geborgen, wobei nicht bei allen feststeht, ob sie aufgrund des Hochwassers ums Leben kamen.
In Baden-Württemberg konnten die Behörden außer in Oberschwaben und im Allgäu im Verlauf des Tages zunehmend Hoffnung machen und Warnungen aufheben. Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Lage im Land als «angespannt statisch». In Bayern verlagert sich die Gefahr derweil immer weiter nach Osten, wo laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Schlimmste noch bevorsteht. Regensburg an der Donau und Rosenheim riefen den Katastrophenfall aus.
Lemke: Starkregen und Hochwasser «immer häufiger und heftiger»
Angesichts der schweren Überflutungen in Bayern und Baden-Württemberg hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ein neues Gesetz zum besseren Schutz vor Hochwasser in Deutschland angekündigt. «Es wird immer deutlicher, dass wir uns gegen die Folgen der Klimakrise besser schützen müssen», teilte Lemke schriftlich mit. «Dafür brauchen wir auch ein neues Hochwasserschutzgesetz.» Hierzu gebe es bereits «intensive Gespräche» mit den Bundesländern. Aus ihrem Ministerium hieß es, dass mit dem geplanten Gesetz die bereits bestehenden Vorschriften zum Hochwasserschutz weiterentwickelt werden sollen.
Betroffen seien etwa Regeln zur Festlegung von Überschwemmungsgebieten. Auch die Regeln, die generell in diesen Gebieten gelten, seien auf dem Prüfstand. Ministerin Lemke betonte den großen Handlungsbedarf. In Deutschland und weltweit würden Starkregen und Hochwasser «immer häufiger und heftiger».
Zwei Tote in Keller in Baden-Württemberg geborgen
Einsatzkräfte bargen in Baden-Württemberg zwei Tote in einem leer gepumpten Keller in Schorndorf im besonders vom Hochwasser betroffenen Rems-Murr-Kreis. Es handele sich um einen 58-jährigen Hausbewohner und seine 84 Jahre alte Mutter, teilte die Polizei in Aalen mit. Laut Zeugenaussagen seien beide am Sonntagabend damit beschäftigt gewesen, in das Haus eingedrungenes Wasser im Keller abzupumpen.
Unweit vom Ort des Kanzlerbesuchs haben Rettungskräfte in Schrobenhausen am Montag eine Leiche im Keller eines Hauses entdeckt. Die gestorbene 43-Jährige war das zweite Opfer der Fluten, das bekannt wurde. Bereits am Sonntagmorgen war in Pfaffenhofen an der Ilm ein Feuerwehrmann tot geborgen worden, der bei einer Rettungsaktion ums Leben kam. Ein anderer Feuerwehrmann wird weiter vermisst.
Scholz und Faeser besuchen das Flutgebiet
Bei seinem Besuch im bayerischen Reichertshofen sicherte Bundeskanzler Scholz den Betroffenen seine Unterstützung zu. Solidarität sei das, «was wir als Menschen am meisten brauchen», sagte er. «Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann.» Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) waren ebenfalls vor Ort. Sie sei beeindruckt, wie gut die Rettungskräfte zusammenarbeiten, sagte Faeser.
Auswirkungen auf Schulen und Bahnverkehr
In etlichen Schulen in Bayern fällt auch am Dienstag der Präsenzunterricht aus. Die Unwetterschäden beeinträchtigten weiterhin den Verkehr. Die Deutsche Bahn rät von Fahrten nach Süddeutschland ab. Bei den Fernverkehrsverbindungen kommt es zu Zugausfällen, der Fernverkehr könne München von Norden und Westen nicht anfahren.
Regensburg und Rosenheim lösen Katastrophenfall aus
In Bezug auf die Gefahren des Hochwassers verlagert sich in Bayern der Fokus stärker auf den Osten des Freistaats. Söder mahnte, auch wenn mancherorts schon die Aufräumarbeiten starteten, drohten anderswo weiter Dämme zu brechen oder durchzuweichen. Und im Osten stehe das Schlimmste noch bevor. «Wir sehen, dass das Hochwasser jetzt wandert», sagte er - und zwar in Richtung Regensburg. «Die werden steigen, die Pegel.» Die Stadt Regensburg hatte am Morgen bereits den Katastrophenfall ausgelöst.
Auch der Landkreis Rosenheim rief den Katastrophenfall aus. «Die Maßnahme ermöglicht uns die Anforderung überörtlicher Kräfte sowie eine schnellere und effizientere Koordinierung der Einsatzkräfte, um der zu erwartenden Lage gerecht werden zu können», sagte Landrat Otto Lederer (CSU).
Die Bürgerinnen und Bürger wurden angesichts des Hochwassers dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. «Es besteht eine akute Gefahr für Leib und Leben», hieß es in einer Mitteilung der Behörde. Die Menschen sollten den Aufenthalt im Freien vermeiden, sich von offenen Gewässern fernhalten und die Rettungskräfte nicht bei ihrer Arbeit behindern.
Die Pegelstände der Bäche und Flüsse im Landkreis seien im Verlauf des Nachmittags weiter gestiegen. In Flintsbach wurden Häuser evakuiert, in weiteren Gemeinden könnten Evakuierungen erforderlich werden. Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW seien mit einem Großaufgebot unterwegs.
Keine Entwarnung, aber Hoffnung in Baden-Württemberg
Nach weiteren Regenfällen in der Nacht hatte sich die Lage in Baden-Württemberg vor allem an Rems und Murr, im Ostalbkreis und dem Kreis Göppingen sowie in Oberschwaben zunächst noch verschärft. Vorsorglich wurden Menschen in mehreren Gemeinden aus ihren Häusern gebracht. Später stufte der Krisenstab die Hochwasserlage zurück. Ein Großteil der Menschen konnte in die Häuser zurückkehren.
Feuerwehrleute retteten in Ebersbach an der Fils mehr als elf von Fluten eingeschlossene Menschen. Mehrere hätten sich zudem selbst oder mithilfe von Nachbarn in Sicherheit bringen können, sagte ein Sprecher des Landkreises Göppingen. Einige Straßen seien bis zu drei Meter überflutet und zahlreiche Gebäude evakuiert worden. Nennenswert verletzt worden sei nach aktuellem Stand aber niemand.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stimmte die Menschen im Land auf immer häufigere Hochwasserlagen ein. «Wir müssen damit rechnen, dass wir so was häufiger bekommen», sagte der Grünen-Politiker bei einem Besuch in der besonders betroffenen Gemeinde Meckenbeuren. Das sei schlicht ein Ergebnis des Klimawandels.
Wie geht es weiter?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet bis Dienstagnacht im Süden Bayerns zum Teil mit Stark- oder Dauerregen und einzelnen kräftigen Gewittern. Im Tagesverlauf soll es stellenweise noch etwas Regen oder einzelne Schauer geben.
Für ganz Baden-Württemberg hob der DWD seine Unwetterwarnungen vor Dauerregen am Abend auf. «Die Dauerregenlage ist beendet», sagte ein DWD-Meteorologe in Stuttgart. In der Nacht beruhige sich das Wetter und es breite sich Hochdruckeinfluss aus. Auch im Allgäu klinge der Regen ab. «Dort ist eine Menge Regen gefallen, aber das ist jetzt zu Ende.»