Italien – England 4:3 n.E.
Ich hatte ja schon vor der Fußball-EM befürchtet, dass es für die Engländer wegen ihrer Bevorzugung durch die UEFA Ärger geben könnte. Allen, die es nicht mit den „Three Lions“ hielten, fiel es nämlich vor dem Finale der Fußball-EM plötzlich auf, dass England – mit Ausnahme des Viertelfinals – immer im heimischen Wembley-Stadion spielen durfte.
Außerdem habe es England wegen seiner unsportlichen Fans nicht verdient. Dafür wurde der „Nazi-Kind-Eklat“ vom Achtelfinale gegen Deutschland, das Auspfeifen der deutschen und dänischen Hymne und das an den Zweiten Weltkrieg anklingende Lied „Ten German Bombers“ herangezogen.
Da schienen die „Vergehen“ der Italiener schon fast schon „Peanuts“ zu sein: Immobiles Schwächeanfall im belgischen Strafraum und seine plötzliche Wiederauferstehung oder die 2015 getätigte Aussage von Trainer Roberto Mancini, nur echte Italiener hätten für Italien zu spielen.
Ich gebe auf solche Mätzchen nicht allzu viel. Viel lieber halte ich mich an die positiv Bekloppten des Fußballs. So eine Geschichte ist zum Beispiel das Abfahrritual der italienischen Mannschaft, bei dem traditionsgemäß Delegationschef Gianluca Vialli „vergessen“ wird. Seitdem das vor dem 3:0 gegen die Türkei so geschah, wird das als „gutes Omen“ praktiziert und der Bus fährt erst einmal eine Runde, bevor Vialli eingesammelt wird.
Ebenfalls eine skurrile Geschichte ist die der „tierischen“ England-Fans. Schon so genießen Hunde, Katzen und andere Haustiere auf der spleenigen Insel einen besonderen Status, nun vor dem Finale gab es aber so gut wie keinen Vierbeiner, der nicht in eine England-Fahne gehüllt war oder zumindest aus einem England-Napf fressen musste.
Auf dem Rasen selbst zählt indes der alte Spruch „Never change a winning team“. Mancini trat entgegen seines Spruchs von 2015 wie im EM-Halbfinale mit zwei gebürtigen Brasilianern, nämlich Jorginho und Emerson, an. Auch das System blieb beim 4-3-3. Auf der anderen Seite änderte Coach Gareth Southgate die Aufstellung und die Taktik. Trippier kam für Saka ins Team und die „Three Lions“ spielten ein 3-4-3 mit Super-Stürmer Kane in vorderster Front.
Als Referee durfte der Niederländer Kuipers ran – sicherlich eine gute Wahl, denn mit 48 Jahren ist er ausreichend erfahren. In der deutschen Fußball-Bundesliga dürfte er übrigens aufgrund seines Alters nicht pfeifen, denn hier gilt die starre Altersgrenze von 47 Jahren. Seine souveräne und unaufgeregte Leitung, die die aufgeheizte Stimmung auf ein faires Maß herunterfahren ließ, zeigte aber, dass der DFB darüber noch mal nachdenken sollte.
Dennoch gab es zu Beginn der Partie gleich einen Aufreger, doch der war freudiger Natur. Nach feinem Pass von Trippier stand Rechtsverteidiger Shaw ganz frei am italienischen Fünfmeterraum und erzielte mit einem sehenswerten Drop-Kick die englische Führung (2. Minute).
Fortan verlagert sich England zunehmend auf die Defensive, doch die Italiener waren vor dem Seitenwechsel nur aus der Distanz gefährlich. In der zweiten Halbzeit standen die „Three Lions“ vollends zu tief in der eigenen Hälfte. Kane als Spitze war gerade mal 35 Minuten vor dem eigenen Tor zu finden. Italien nutzte die Überlegenheit zum 1:1 durch einen Bonucci-Abstauber nach einer Ecke. Zwar erspielte sich die „Squadra Azzurra“ nach 90 Minuten 14:4 Torchancen, doch es ging in die Verlängerung, die bis auf zwei Torhüterparaden nichts Sehenswertes zu bieten hatte.
Man merkte den Engländern an, dass mit dem Elfmeterschießen nicht gerade ihre Lieblingsdisziplin anstand. Southgate wechselte mit Sancho und Rashford denn auch in der 119. Minute zwei Spieler ein, die er als sichere Elfmeterschützen ausgemacht hatte, doch gerade diese beiden Spieler vergaben wie der erst 19-jährige Saka vom Punkt. Da die „Squadra Azzurra“ nur einen Strafstoß versemmlte, wurde Italien Europameister.
Damit bleiben Deutschland und Spanien Rekord-Europameister mit jeweils drei Titeln, aber die Italiener haben nun eine Mannschaft, die mit breiter Brust zur Fußball-WM in Katar fahren dürfte. England hat es nach 55 Jahren Erfolglosigkeit wieder nicht geschafft einen Titel zu gewinnen. Die „Three Lions“ scheiterten dabei an den eigenen Nerven und zu großer Passivität über 120 Minuten.