Mit einem Vorschlag für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz führende Vertreter von Grünen und SPD gegen sich aufgebracht. «Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet», sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem «Stern».
Der Kanzlerkandidat der Union hatte in einem Interview der «Welt am Sonntag» gesagt, die von der Ampel-Koalition beschlossene doppelte Staatsbürgerschaft sollte nicht der Regelfall sein, sondern künftig wieder auf begründete Ausnahmefälle beschränkt werden. Merz führte weiter aus: «Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land.» Und: «Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.»
Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft?
Diese Forderungen würden aus Eingebürgerten «Bürger zweiter Klasse machen», kritisierte Esken. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht das ähnlich. Im Netzwerk LinkedIn schrieb er, dieser Vorschlag sei ein «Dammbruch» und «würde zu einer Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft führen». Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der «Rheinischen Post»: «Die Union setzt offenbar auf Populismus und ignoriert die Fakten.»
Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak sagte: «Eine Staatsbürgerschaft auf Abruf darf es für niemanden geben.» Die Union solle auch im Wahlkampf nicht den Eindruck erwecken, «dass sie an so grundlegenden Säulen unseres Rechts sägen will».
Im vergangenen Juni war die von der Ampel-Koalition beschlossene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten. Danach können Menschen, die in Deutschland arbeiten und gut integriert sind, schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren deutsche Staatsangehörige werden. Sie brauchen ihre bisherige Staatsangehörigkeit dafür nicht mehr aufzugeben. Besonders gut integrierte Ausländer können bereits nach drei Jahren eingebürgert werden. Zugleich wurden die Anforderungen für das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verschärft.
Die Zahl der Menschen, die durch Einbürgerung Deutsche wurden, war 2023 mit rund 194.000 Einbürgerungen so hoch wie noch nie. Dass dieser Trend 2024 dann noch zugenommen hat, liegt daran, dass viele Syrer und andere Ausländer, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen waren, inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Ein weiterer Faktor ist das neue Staatsangehörigkeitsgesetz.
In dem Interview war Merz nach möglichen Konsequenzen aus dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefragt worden. Kurz vor Weihnachten war ein 50-jähriger Mann aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Markt gerast. Bislang sind sechs Menschen gestorben, ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren. Zudem gab es knapp 300 Verletzte.
«Uns geht es darum, eine Ausweitung der Tatbestände für den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit zu prüfen, die mehrfach schwer straffällig geworden sind und damit eine Gefahr für die Sicherheit in unserem Land darstellen», sagte ein CDU-Sprecher auf Nachfrage. Das sei auch Thema des Interviews gewesen. Es gehe Merz und der CDU «nicht um Menschen, die zwei Pässe haben und seit Jahren friedlich in unserem Land leben».
Deutschland entlässt niemanden in die Staatenlosigkeit
Die schwarz-rote Koalition hatte 2019 die Frist für die Rücknahme von rechtswidrigen Einbürgerungen von fünf auf zehn Jahre verlängert. Das betrifft Menschen, die falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht haben.
Zwei Terror-Kämpfer ausgebürgert
Den deutschen Pass kann seit der Reform von 2019 auch verlieren, wer im Ausland für eine terroristische Vereinigung an Kampfhandlungen teilnimmt. Das ist seither nach Auskunft des Bundesinnenministeriums in zwei Fällen geschehen.
Bereits vor der damaligen Reform sah das Staatsangehörigkeitsgesetz den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vor, wenn ein Deutscher, der noch eine weitere Staatsbürgerschaft hat, ohne Genehmigung der deutschen Behörden freiwillig in die Streitkräfte eines anderen Staates eintritt. Grundsätzlich ist der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft nur bei Menschen möglich, die noch Staatsbürger eines anderen Landes sind.