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Israels Armee beginnt Großeinsatz im Westjordanland

Das israelische Militär geht im besetzten Westjordanland massiv gegen militante Palästinenser vor. Es ist unklar, wie lange der größte Einsatz in dem Gebiet seit Beginn des Gaza-Kriegs andauern soll.
Nahostkonflikt - Dschenin
Nahostkonflikt - Dschenin
Nahostkonflikt - Dschenin
Israelische Armee an einem Kontrollpunkt im Westjordanland

Israel hat einen großangelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland gestartet, bei dem nach offiziellen palästinensischen Angaben mindestens zehn Menschen getötet worden sind. Die Armee drang nach eigenen Angaben in der Nacht in mehrere Orte ein, darunter Tulkarem und Dschenin. Die Vereinten Nationen kritisierten die Härte des Vorgehens.

Nach Medienberichten setzte das Militär neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin. Es sei zu Feuergefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Mehrere gesuchte Palästinenser seien festgenommen worden. 

Dem palästinensischen Gesundheitsministerium im Westjordanland zufolge wurden in Tubas - ebenfalls im nördlichen Westjordanland - sieben Tote in ein Krankenhaus gebracht. Außerdem bestätigte das Ministerium zwei Tote in Dschenin und einen weiteren in einem Ort in der Nähe der Stadt.

Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, sagte ein israelischer Armeesprecher. 

Armee: Militäreinsatz wegen Anstiegs von Anschlägen

Hintergrund des Einsatzes sei eine zuletzt deutlich gestiegene Anzahl von Anschlägen auf Israelis, die im nördlichen Westjordanland ihren Ursprung gehabt hätten, sagte der Sprecher. Er verwies dabei auch auf die jüngste Explosion eines Sprengsatzes in Tel Aviv, bei dem der Attentäter getötet und ein Passant verletzt worden waren.

Nach israelischer Darstellung ist Ziel des großangelegten Einsatzes vor allem in Dschenin und Tulkarem ein vom Iran unterstütztes Terrornetzwerk. Beide Städte gelten als Hochburgen militanter Palästinenser. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast elf Monaten seien allein von dort aus rund 150 Anschläge mit Schusswaffen und Sprengsätzen auf Israelis verübt worden, sagte der Militärsprecher. 

Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb bei X: «Wir müssen mit der Bedrohung genauso umgehen wie mit der Terror-Infrastruktur in Gaza, einschließlich der vorübergehenden Evakuierung palästinensischer Zivilisten.» Es sei «ein Krieg in jeder Hinsicht, und wir müssen dabei siegen». Der Armeesprecher sagte dazu, ihm sei zu möglichen Evakuierungsplänen der Zivilbevölkerung im nördlichen Westjordanland nichts bekannt. 

Bericht: Militäreinsatz im Westjordanland könnte Tage dauern

Die Militäroperation könnte nach Informationen der «Times of Israel» noch länger dauern. Er sei Quellen in der Armee zufolge auf mehrere Tage angelegt.

«Die israelische Armee geht seit heute Nacht mit aller Macht in den Flüchtlingslagern von Dschenin und Tulkarem gegen ein islamistisch-iranisches Terrornetzwerk vor», schrieb Außenminister Katz. Der Iran arbeite daran, ähnlich wie im Gazastreifen und dem Libanon «durch die Finanzierung und Aufrüstung von Terroristen sowie Schmuggel fortschrittlicher Waffen über Jordanien eine östliche Terrorfront gegen Israel in Judäa und Samaria (Westjordanland) aufzubauen».

 

Während eines Einsatzes in dem Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem beschädigten israelische Einsatzkräfte Armeeangaben zufolge versehentlich eine Wasserleitung, als sie vergrabene Sprengsätze freilegten. Die Wasserversorgung laufe über andere Quellen. Das Militär erlaube es Anwohnern, das Gebiet zu verlassen, hieß es weiter. Es gebe für sie aber keine Anweisung, dies zu tun, betonte Israels Militär.

630 Palästinenser seit dem 7. Oktober getötet

Die ohnehin angespannte Lage im besetzten Westjordanland hat sich seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Beginn des Gaza-Kriegs deutlich verschärft. Seitdem wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 630 Palästinenser getötet.

Vor allem in Dschenin und Tulkarem gibt es immer wieder Razzien der israelischen Armee. Erst am Montag kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei einem israelischen Luftangriff in dem Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem fünf Menschen ums Leben. Das Bombardement hatte nach Angaben der israelischen Armee militante Palästinenser zum Ziel.

UN-Menschenrechtsbüro kritisiert Israel

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf warnte, dass die Militäraktion die schon «katastrophale Lage» im Westjordanland verschlimmern könnte. Bei den israelischen Militäreinsätzen seit dem 7. Oktober seien viele Minderjährige getötet worden, die etwa Steine geworfen hätten, aber keine Bedrohung für Leib und Leben von anderen dargestellt hätten, hieß es. 

«Eine solche unnötige oder unverhältnismäßige Gewaltanwendung und die Zunahme offensichtlich gezielter und anderer summarischer Tötungen sind alarmierend», sagte die Sprecherin Ravina Shamdasani. Israel verstoße gegen Menschenrechtsnormen und -standards, die für Strafverfolgungsmaßnahmen gelten. 

Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, sagte in New York, dass die Menschen in der besetzten Region zunehmend «tödlichen Kriegstaktiken» ausgesetzt seien, «die die internationalen Standards für die Strafverfolgung zu überschreiten scheinen». Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte auf X, der Einsatz dürfe nicht die Voraussetzung dafür schaffen, den Krieg im Gazastreifen auszuweiten. 

Bemühungen um Gaza-Waffenruhe gehen weiter

Unterdessen gehen die Kämpfe im Gazastreifen ebenso weiter wie die Bemühungen um eine Waffenruhe und Freilassung der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas. 

Eine israelische Delegation sollte zu weiteren Gesprächen über ein Abkommen mit der Hamas nach Doha reisen. Die indirekten Verhandlungen, bei denen Katar sowie Ägypten und die USA zwischen den Konfliktparteien vermitteln, treten seit Monaten auf der Stelle.

© dpa
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