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Baerbock fordert von Israel Stopp der Siedlungsprojekte

Die Gespräche über eine Waffenruhe in Gaza und einen Geisel-Deal stocken nach wie vor. Partner und Nachbarn verlieren die Geduld mit Israels Regierung. Außenministerin Baerbock findet deutliche Worte.
Außenministerin Baerbock besucht Israel
Das jüngste Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem israelischen Kollegen Israel Katz ist erst gut zwei Monate her. Jetzt ist die Grünen-Politikerin erneut in Israel. Noch immer gibt es keinen Erfolg bei den Vermittlungsbemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung der Geiseln aus der Hand der Hamas. © Soeren Stache/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock fordert von der israelischen Regierung als Zeichen der Vertrauensbildung in der Region ein Ende der Siedlungsprojekte im Westjordanland. Der Siedlungsbau im Westjordanland verstoße ganz eindeutig gegen das Völkerrecht. «Er ist illegal», kritisierte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrem israelischen Amtskollegen Israel Katz in Tel Aviv. «Die israelische Regierung könnte verlorenes Vertrauen international aus meiner Sicht auch wiedergewinnen, indem (sie) in einem ersten Schritt die laufenden Siedlungsprojekte stoppt», sagte sie.

Israels Regierung müsse zudem «stärker und sichtbarer gegen die Gewalttaten von radikalen Siedlern» vorgehen, verlangte Baerbock. Dies wäre ein «erster wichtiger Schritt zur Entspannung im Westjordanland». Baerbock hatte am Vortag in Jordanien gesagt, Israel sei dort «Besatzungsmacht und gemäß Genfer Konvention dazu verpflichtet, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, anstatt sie zu gefährden».

Israels Regierung treibt Siedlungsbau voran

Vor zwei Monaten hatte Israel den Bau von mehr als 5.000 Wohneinheiten in mehreren Siedlungen im Westjordanland genehmigt und die Legalisierung mehrerer Siedler-Außenposten beschlossen. Diese improvisierten Siedlungen sind auch nach israelischem Gesetz illegal, werden aber gelegentlich rückwirkend legalisiert

Die Außenministerin sprach angesichts der stockenden Vermittlungsgespräche über eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung der 101 von der islamistischen Hamas entführten Geiseln auch mit Verteidigungsminister Joav Galant. Während die US-Regierung eine solche Vereinbarung in Reichweite sieht, bleibt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei Fragen rund um einen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen unnachgiebig. Es befindet sich unter den Geiseln noch eine sehr niedrige zweistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger beziehungsweise Personen mit deutscher Familie.

Nach dem Fund der sechs Geisel-Leichen am Wochenende hatte Galant Israels Sicherheitskabinett aufgefordert, die Entscheidung rückgängig zu machen, an der Kontrolle über die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten festzuhalten. Israels Forderung nach einer dauerhaften Kontrolle des etwa 14 Kilometer langen Streifens ist einer der Hauptstreitpunkte bei den Verhandlungen über einen Geisel-Deal. 

Baerbock: Sicherheit Israels Staatsräson - aber nicht die einer Regierung

Baerbock betonte, die Sicherheit Israels «bleibt deutsche Staatsräson». Es gehe um die Sicherheit des Landes und seiner Menschen, «und nicht um die Sicherheit einer Regierung konkret oder um einzelne Regierungsmitglieder». Dafür und für den Frieden in der Region brauche es Partner. «Wenn diese Partner immer mehr wegbrechen, dann hat der Frieden keine Chance.» Auch deswegen sei sie nach Saudi-Arabien und Jordanien gereist. 

Nach den Massenprotesten vom vergangenen Wochenende, als Hunderttausende nach dem Fund der sechs Geisel-Leichen gegen die Regierung Netanjahu auf die Straße gingen, hat die Zahl der Teilnehmer der Demonstrationen deutlich abgenommen. Netanjahu gibt sich unnachgiebig. Es sei kein Deal in Sicht, sagte er dem US-Sender Fox News. 

UN: Lage im Gazastreifen katastrophal

Laut Vereinten Nationen ist die humanitäre Lage im Gazastreifen «mehr als katastrophal». Die Partner der UN verfügten nicht über ausreichende Nahrungsmittelvorräte, sagte UN-Sprecher Stéphane. Die Zahl der täglich gekochten Mahlzeiten sei im Vergleich zum Juli zurückgegangen. Grund dafür seien auch die Evakuierungsbefehle der israelischen Armee. 

In Ramallah im Westjordanland wollte Baerbock zum Abschluss ihrer Reise mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Mustafa, sprechen. Die Behörde könnte aus Baerbocks Sicht in einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen eine wichtige Rolle spielen.

Bei ihrem Besuch im Westjordanland ließ sich Baerbock auf einem Aussichtspunkt in der Nähe von Ramallah von einer Mitarbeiterin der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem die Folgen der israelischen Siedlungspolitik zeigen, die zu erheblichen Einschränkungen für die Palästinenser führt.

Israels Militäreinsatz in Dschenin beendet

Die Bundesaußenministerin traf sich auch mit Betroffenen von Siedlergewalt. Man lebe wie in einem Gefängnis, berichtete ihr der Vertreter eines Dorfrates. Sein Dorf sei umgeben von israelischen Siedlungen. Israelische Soldaten würden die palästinensischen Bewohner, darunter auch Kinder und Frauen, schikanieren. Die israelischen Siedler hinderten sie, die von Landwirtschaft und Viehzucht lebten, zudem an der Olivenernte, schilderte der Mann. Auch sei wertvolle Weidefläche beschlagnahmt worden.

Der zehntägige israelische Armeeeinsatz gegen islamistische Extremisten in Dschenin im nördlichen Westjordanland wurde einem palästinensischen Medienbericht zufolge inzwischen beendet. In dem Ort, der als Hochburg militanter Palästinenser gilt, seien bislang 14 Militante getötet und mehr als 30 Verdächtige festgenommen worden, teilte Israels Militär mit. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah kamen in der Gegend 21 und im gesamten Westjordanland 39 Menschen ums Leben, seitdem Israels Militär in der vergangenen Woche seine großangelegte Militäraktion begonnen hatte.

Baerbock tauscht sich mit Angehörigen von Geiseln aus

Am Donnerstagabend hatte sich Baerbock mit rund 20 Angehörigen von Geiseln getroffen. Bei dem Austausch sei deutlich geworden, dass die Geduld der Angehörigen immer dünner werde, hieß es anschließend. Manche sähen ein Vorrücken der Armee als größte Gefahr für die verbliebenen Geiseln - teils habe es sogar geheißen, dies könne deren Todesurteil sein. 

© dpa ⁄ Jörg Blank und Cindy Riechau, dpa
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