Am Tag nach ihrem großen Debüt beginnen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ihr frisch gekürter Vize Tim Walz eine Tour durch besonders umkämpfte Bundesstaaten. Dem Auftakt des Demokraten-Duos in Philadelphia im wohl wichtigsten Swing State Pennsylvania folgen zunächst Auftritte in Wisconsin und Michigan. Es geht in die heiße Phase des Wahlkampfs: Der republikanische Gegenspieler Donald Trump schickt seinen Vize J.D. Vance parallel in dieselben Bundesstaaten.
Harris und Walz waren am Dienstagabend (Ortszeit) unter tosendem Jubel in Philadelphia empfangen worden. Harris war nach dem Verzicht von US-Präsident Joe Biden auf eine weitere Kandidatur in die erste Reihe gerückt. Ihre offizielle Nominierung hätte eigentlich beim Parteitag der Demokraten vom 19. bis 22. August in Chicago stattfinden sollen, wurde aus bürokratischen Gründen aber vorgezogen und digital abgewickelt.
Bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt gab sich Harris siegessicher. «Wir haben das Momentum und ich weiß genau, womit wir es zu tun haben», sagte die 59-Jährige und pries ihren Running Mate als Führungspersönlichkeit an - Walz sei «die Art von Vizepräsident, die Amerika verdient». Sie betonte dabei unter anderem die Unterstützung des 60-Jährigen für Militärveteranen, Gewerkschaften, das liberale Abtreibungsrecht und striktere Waffengesetze.
Walz nimmt Trump und Vance auf die Schippe
Walz ist seit 2019 Gouverneur des Bundesstaats Minnesota und saß vorher lange als Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Vor seiner politischen Laufbahn war er viele Jahre als Lehrer tätig. Der verheiratete Vater zweier Kinder ist bekannt für seine Bodenständigkeit und direkte Art, politische Botschaften zu transportieren. Seine Frau Gwen ist ebenfalls Lehrerin.
Dass Harris sich letztlich für einen Kandidaten ohne starkes nationales Profil entschied, war für viele eine Überraschung. In seiner neuen Funktion ging Walz direkt zum verbalen Angriff auf die republikanische Gegenseite über: Er machte sich über Trump und Vance lustig, warf den beiden Verlogenheit vor. «Donald Trump kämpft nicht für Euch oder Eure Familie», sagte Walz über den Ex-Präsidenten. Er fügte dann mit Blick auf seine eigene Kindheit im ländlichen US-Bundesstaat Nebraska hinzu: «Er saß nie an einem Küchentisch, wie dem, an dem ich aufgewachsen bin, wo wir uns gefragt haben, wie wir die Rechnungen bezahlen sollen. Er saß in seinem Country Club in Mar-a-Lago und hat sich überlegt, wie er die Steuern für seine reichen Freunde senken kann.»
Für Trumps Vizekandidaten Vance hatte er Sarkasmus übrig: «Wie alle normalen Menschen, mit denen ich im Landesinneren aufgewachsen bin, hat J.D. in (der Elite-Universität) Yale studiert, seine Karriere von Silicon-Valley-Milliardären finanzieren lassen und dann einen Bestseller geschrieben, in dem er über die Menschen in seiner Heimat herzieht.» Das Publikum reagierte auf den witzelnden Vize mit lautstarkem Jubel.
Spendengelder fließen weiter
Das «Momentum» lohnt sich auch finanziell für Harris und Walz. Wie die «New York Times» berichtete, sammelten die beiden allein am Dienstag Wahlkampfspenden in Höhe von mehr als 20 Millionen US-Dollar ein (etwa 18 Millionen Euro). Die den Demokraten nahestehende Fundraising-Plattform ActBlue, von der auch andere Kandidaten profitieren, verzeichnete demnach innerhalb eines halben Tages durchschnittlich drei Millionen US-Dollar (etwa 2,7 Millionen Euro) an Spendengeldern - pro Stunde.
Nicht nur finanziell schwimmen die Demokraten aktuell auf einer kleinen Erfolgswelle. Der Eintritt von Harris ins Rennen um das Weiße Haus sorgt auch für Enthusiasmus bei bekannten Gesichtern aus Hollywood. So teilte etwa das US-Model Chrissy Teigen ein Foto bei Instagram, auf dem sie mit einem Harris-Shirt bekleidet posierte. Oscar-Preisträgerin Jamie Lee Curtis postete auf der gleichen Plattform ein Foto von Harris und Walz mit dem Kommentar: «Auf geht's Amerika!»
Bei der Veranstaltung von Harris und Walz in Wisconsin wird die Indieband Bon Iver für musikalische Begleitung sorgen, wie zuvor schon US-Rapperin Megan Thee Stallion bei einem Solo-Auftritt von Harris. Spekuliert wird nun, ob bald noch größere Namen öffentlich für die Demokraten werben könnten, wie etwa Beyoncé oder Taylor Swift.
Trump schimpft bei Truth Social
Die republikanische Konkurrenz setzte nach der Verkündung von Walz als Vize darauf, das Duo als extrem zu zeichnen. «Das ist das linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte», schrieb Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. «So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch nie wieder geben.» Der 78-Jährige bezeichnete Harris außerdem als «verrückt». Sein Vizekandidat Vance wählte ähnliche Worte. Die Personalie unterstreiche, «wie radikal Kamala Harris» sei, sagte der Senator aus Ohio. Er warf der Demokratin unter anderem vor, damit «auf den Hamas-Flügel ihrer eigenen Partei gehört» zu haben.
Walz wird besonders vom linken Flügel der Demokraten unterstützt. Dieser steht für einen Israel-kritischeren Kurs als die Mitte der Partei. Er stellte die Nahost-Politik der Biden-Regierung zuletzt immer wieder infrage. Walz äußerte sich mit Blick auf die Lage im Nahen Osten bislang eher zurückhaltend.
Ein reiner Kandidat der Linken ist Walz nicht. Zuspruch für ihn gab es auch aus der Mitte der Partei, etwa vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Der attestierte seiner Parteifreundin Harris die Wahl eines «idealen Partners». Walz habe «die Werte und die Integrität, um uns stolz zu machen». US-Präsident Biden äußerte sich ebenfalls wohlwollend.