Die vierteilige Netflix-Doku „Kernschmelze: Der Unfall von Three Mile Island“, die am 4. Mai auf Netflix startet, schildert die dramatischen Ereignisse in einem Atomkraftwerk in den USA Ende der 1970er-Jahre. Die wahre Geschichte hinter der Beinahe-Katastrophe findest Du hier.
Schauplatz der vom oscarnominierten Regisseur Kief Davidson („Open Heart“) in Szene gesetzten Doku-Serie ist das Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania, das rund zehn Kilometer südöstlich der Stadt Harrisburg am Susquehanna River liegt. Three Mile Island bestand aus zwei Reaktor-Blöcken. 1974 wurde der erste, 1978 der zweite Block in Betrieb genommen. Am 20. September 2019 wurde das Atomkraftwerk offiziell stillgelegt, obwohl die Betriebserlaubnis noch bis 2034 lief. Einer der Gründe waren die wirtschaftlichen Verluste, die die Anlage einfuhr.
Kernschmelze: Der Unfall von Three Mile Island – So schlimm war der Vorfall wirklich
Der in der Netflix-Doku im Zentrum stehende Vorfall ereignete sich am 28. März 1979 in Block 2 des Kernkraftwerks. Laut Internationaler Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) kam es damals zu einem „ernsten Unfall“ – Stufe Fünf auf der siebenstufigen INES. Ähnliche Vorfälle gab es bereits 1957 beim Brand des Kernreaktors der Produktionsstätte für Plutonium im britischen Windscale und 1969 bei der Kernschmelze im Kavernen-Reaktor im schweizerischen Lucens, sowie 1986 bei dem heute bekanntesten Nuklear-Unfall in Tschernobyl.
Zur Einordung der INES-Skala: Die eigentliche Katastrophe von Tschernobyl ereignete sich 1986 und ist die mit Abstand größte der Geschichte. Zusammen mit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 bildet sie die siebte und höchste Stufe auf der INES. Auf Stufe Sechs liegt der Kyschtym-Unfall von 1957.
Horror-Bilder mit alarmierender Botschaft: Alles zur Serie „Chernobyl” findest Du hier.
Im Fall von Three Mile Island kam es an jenem 28. März 1979 in Block 2 des Kernkraftwerks zu einer partiellen Kernschmelze, bei der sich einige Brennstäbe im Reaktorkern übermäßig erhitzten und schmolzen. Eigentlich hätten zahlreiche Sicherheitssysteme diese Vorfälle verhindern sollen. Eine Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände in Kombination mit menschlichem Versagen begünstigte die partielle Kernschmelze jedoch in diesem Fall.
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Die Gründe für den Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island
Wie konnte es soweit kommen? Um vier Uhr Ortszeit schalteten sich die Wasserpumpen, die für die Kühlung des Reaktors zuständig waren, plötzlich ab. Grund war eine Fehlfunktion der Ventilsteuerung. Dem Sicherheitsprotokoll folgend, aktivierten die Kernkraftwerksmitarbeiter daraufhin die Schnellabschaltung des Reaktors. Dadurch sollte eine nukleare Kettenreaktion unterbrochen werden. Die radioaktiven Regelstäbe senkten sich dazu zwischen die Brennstäbe ab.
Bis dahin war die Situation im Three Mile Island unter Kontrolle. Die Maßnahmen wirkten. Allerdings fehlte ein entscheidender Schritt: Denn die Notkühlung sprang nicht an. Nach der Schnellabschaltung stoppte die Kernspaltungsreaktion zwar. Durch die Nachzerfallswärme entstand aber neue Hitze, die unter Kontrolle gebracht werden musste.
Auch dieser Vorgang ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Das Problem an jenem Tag war, dass die zuständigen Ventile für die Notfallkühlsysteme vor 42 Stunden bei Tests geschlossen, aber nicht wieder geöffnet wurden. Deshalb konnte die Kühlung im Ernstfall dann auch nicht anspringen.
So hätte die Kernschmelze noch vermieden werden können
Als Folge stiegen Druck und Temperatur im Primärkreislauf des Reaktors. Das dafür zuständige Sicherheitsventil namens PORV klemmte jedoch – es öffnete sich zwar, schloss sich aber nicht mehr wie eigentlich geplant. So entwich radioaktiv kontaminierter Dampf und sammelte sich im Sicherheitsbehälter des Reaktors. Da im Kontrollzentrum des Kernkraftwerks Three Mile Island keine direkte Anzeige für das Sicherheitsventil existierte, bemerkte das Personal den Fehler nicht. Später wurde bekannt, dass hier der Designfehler des Kraftwerks lag. Hätte das Personal das klemmende PORV bemerken können, hätten sie es schließen und den Vorfall sofort beenden können. Doch eine entsprechende Warnvorrichtung gab es schlicht und einfach nicht.
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Erst acht Minuten nach dem Beginn des Vorfalls bemerkten und öffneten die Techniker:innen die geschlossenen Ventile für die Notkühlung. Das PORV blieb aber offen. Viel half dies aber nicht mehr. Der Primärkreislauf wurde zwar gekühlt, aber im Reaktordruckbehälter bildete sich durch Kühlmittelverlust eine wachsende Dampfblase.
Hier wurde ein weiteres Problem sichtbar. Denn die Dampfblase bildete sich an einer Stelle, die die Techniker nicht erwartet hatten. Planmäßig hätte die Blase im sogenannten Druckhalter entstehen sollen, der extra für diesen Zweck installiert wurde. Doch die kurzzeitig vorhandene Blase im Druckhalter kollabierte zugunsten der Blase im Reaktordruckbehälter. Denn die große Menge Kühlwasser, die durch die Hitze verdampfte, kühlte den Druckhalter unbemerkt herunter.
Verhängnisvolle Umstände begünstigen die Kernschmelze
Im Reaktor stiegen somit die Hitze und der Druck, während die Temperatur und der Druck im Druckhalter sanken. Dadurch strömte Wasser in den Druckhalter. Für die Techniker war dies ein eindeutiges Anzeichen, dass die Kühlung funktionierte. Das Gegenteil war der Fall. Als die Techniker die automatische Zufuhr von Kühlmittel in den Primärkreislauf daraufhin stoppten, war das Schicksal des Reaktors besiegelt.
Langsam aber sicher versagte schließlich weitere Technik im Reaktor. Der steigende Dampfdruck beschädigte die Pumpen des Primärkreislaufs. Die Techniker schalteten diese ab und gingen davon aus, dass der natürliche Strömungstransport den Wasserfluss aufrechterhalten würde. Die Dampfblase im Reaktordruckbehälter verhinderte dies jedoch.
Daraufhin begannen die Brennstäbe gegen 6:10 Uhr Ortszeit trockenzufallen, zu überhitzen und schließlich zu schmelzen. So wurde noch mehr radioaktiver Wasserstoff über das nach wie vor offene PORV freigesetzt, kondensierte und sammelte sich zusammen mit dem austretenden Kühlwasser am Boden des Sicherheitsbehälters. Durch einen Schaltfehler wurde die radioaktive Flüssigkeit schließlich in das Nebengebäude gepumpt. Dort lief der Wassertank über und ein Teil der radioaktiven Gase strömte in die Umgebung.
Kernschmelze: Der Unfall von Three Mile Island – Neues Personal sorgt für die Rettung
Doch Rettung war in Sicht. Denn um sechs Uhr hatte bereits ein Schichtwechsel beim Kraftwerkspersonal stattgefunden. Die „Neuen“ kamen zu dem Schluss, dass nur das PORV für die Vorfälle verantwortlich sein konnte. Sie handelten schnell, nutzten ein Absperrventil und beendeten den Kühlwasserverlust. 165 Minuten nach dem Beginn des Störfalls erreichte das kontaminierte Wasser die Sensoren. Die Techniker waren geschockt und konnten nur noch die Kernschmelze feststellen.
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Als letzten Ausweg griffen die Techniker zum Telefon und forderten weitere Fachkräfte an. Diese trafen schnell ein und stellten sofort fest, dass nur noch extrem wenig Kühlwasser im Primärkreislauf vorhanden war. Mit dem Zuführen von neuem Kühlwasser wurde die Situation schließlich entschärft und das Kernkraftwerk gerettet.
Die Folgen des Vorfalls im Three Mile Island
Erst 16 Stunden nach Beginn des Vorfalls konnten die Pumpen des Primärkreislaufs wieder eingeschaltet werden. Jetzt war die Situation wieder vollständig unter Kontrolle. Nun griffen die Techniker im Rahmen der „Aufräumarbeiten“ zu einer umstrittenen Maßnahme und ließen Wasserstoff und Wasserdampf durch sogenanntes Venting in die Atmosphäre entweichen - den Skandal brachte Whistleblower Rick Parks an die Öffentlichkeit.
Daraufhin sorgten unterschiedliche Aussagen gegenüber der Öffentlichkeit für Verwirrung. Vizegouverneur William Scranton III beruhigte die Bevölkerung zunächst, ruderte später aber zurück und beschrieb die Situation als „komplexer als gedacht“. Gouverneur Dick Thornburgh riet später zur Evakuierung von schwangeren Frauen und Vorschulkindern in einem Fünf-Meilen-Radius, der kurz darauf auf 20 Meilen vergrößert wurde
Der Vorfall im Atomkraftwerk Three Mile Island hatte darüber hinaus weitreichende Folgen: Anwohner:innen klagten gegen die Betreiber wegen gesundheitlicher Schäden und sogar Todesfällen. Eine über 18 Jahre dauernde Langzeitstudie stellte dennoch keine Folgen für die Bevölkerung fest. Die Klagen wurden daraufhin abgewiesen, was erneute Proteste auslöste. Denn die Kläger:innen unterstellten den Verantwortlichen die Vertuschung der Ausmaße des Unfalls. Eine weitere Studie stellte 1997 fest, dass die Krebshäufigkeit sechs Jahre nach dem Vorfall in bestimmten Regionen 150 Prozent höher war als in anderen Gegenden um das Kraftwerk herum. Hierfür sollte der Wind am Unglückstag und danach verantwortlich sein.
Wolverine vs. Deadpool: Die popkulturelle Aufarbeitung des Unfalls
Popkulturell wurde der Vorfall übrigens das ein oder andere Mal in verschiedenen Formen behandelt. So gibt es zum Beispiel ein Easter Egg in der Buchverfilmung „Cloud Atlas“ in Form eines Posters mit einer Luftaufnahme des Three-Mile-Island-Kraftwerks. Zudem spielt das Finale der Comicverfilmung „X-Men Origins: Wolverine“ in diesem Kraftwerk zur ungefähren Zeit des Unfalls.
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