Er gilt als Mann, der für die Niederlage von Hitler-Deutschland mitentscheidend war. Mit seinem Biopic-Drama "Die dunkelste Stunde" (Montag, 1. Juni, 22.00 Uhr, ZDF) erschuf Regisseur Joe Wright ("Anna Karenina") dem britischen Weltkriegs-Premierminister Winston Churchill ein filmisches Denkmal. Auch und vor allem dank seines Hauptdarstellers Gary Oldman, für den sich der strapaziöse Verwandlungsprozess laut eigener Aussage schon vor seinem späteren Golden Globe-Gewinn ausgezahlt hat...
Kurz nachdem der britische Premierminister Chamberlain abgedankt hat, übernimmt Winston Churchill (Gary Oldman) das schwierige Amt. Denn der voluminöse Vollblutpolitiker muss nicht nur den skeptischen König Georg VI (Ben Mendelsohn) und das Parlament von sich überzeugen, sondern auch entscheiden, ob man mit Hitler ein Friedensabkommen verhandeln soll oder sich als Nation gegen die drohende Niederlage stemmt. Bei der schweren Entscheidung zur Seite stehen ihm seine liebvolle Frau Clementine genannt Clemmie (Kristin Scott Thomas) und seine junge Sekretärin Elizabeth Layton (Lily James), die beide auf ihre Art für Churchill ein Licht in der dunkelsten Stunde verkörpern...
Noch vor seinem verdienten Golden Globe und Oscar stand uns Churchill-Darsteller Gary Oldman Frage und Antwort...
GOLDENE KAMERA: Als Brite sind Sie sicherlich Ihr Leben lang in die "Winston Churchill-Schule" gegangen. Haben Sie durch "Die dunkelste Stunde" trotzdem etwas Neues über diese Figur gelernt?
GARY OLDMAN: Winston Churchill ist einfach einzigartig. Ich wurde 1958 geboren und bin mit Churchills Triumphen und seiner Legende groß geworden. Seit dem Kindergarten habe ich immer wieder gehört, wie dieser Mann den Krieg gewonnen und uns vor Nazi-Deutschland gerettet hat. Meine 98-jährige Mutter hat Winston Churchill sogar einmal gesehen und erinnert sich heute noch daran. Mein Vater ging 1935 in die Royal Navy und hat unter Churchill unter anderem in der Schlacht um Okinawa gekämpft. Ich hatte also nicht nur eine schulische Beziehung zu diesem Staatsmann, sondern auch eine persönliche.
Aber durch diese Rolle habe ich eine ganz neue Seite von Churchill kennen gelernt. Er hat 50 Bücher geschrieben – mehr Worte als alle Shakespeare-Werke addiert! Er hat den Nobelpreis für Literatur gewonnen. Er hat 544 Gemälde gemalt, und er hatte 16 Ausstellungen in der Royal Academy. Churchill war 50 Jahre lang in der Politik aktiv. Er hat in fast jeder hohen politischen Position gedient. Er war konservativ, aber auch liberal. Viele der heutigen sozialen Sicherheitsnetze haben wir ihm zu verdanken.
Wie haben Sie sich also auf diese politische Ikone vorbereitet?
Es ist menschlich einfach unmöglich, alle Biografien über diesen Mann zu lesen. Und auch seine 50 Bücher sind keine Kurzgeschichten, sondern extrem dicke Bände. Ich habe so viel gelesen wie möglich, aber am meisten haben mir die Archivvideos über Churchill geholfen. Sie haben mir den Charakter dieses Mannes gezeigt. Als mir diese Rolle angeboten wurde, habe ich sie zuerst abgelehnt, denn ich würde nicht nur in Fußstapfen eines großen historischen Briten treten, sondern auch in die von Schauspielgrößen wie Albert Finney und Robert Hardy, die Churchill so wunderbar gespielt haben.
Aber dank der Archiv-Videos konnte ich einen neuen Churchill entdecken. Die Welt kannte Churchill als Griesgram mit Zigarre, Melone und Whiskeyglas, aber ich sah einen Menschen, der sehr dynamisch war, voller Lebenslust und ein Mann mit Mission, der Verantwortung liebte. Mit seinem engelhaften runden Gesicht und seinen funkelnden Augen und Schmunzeln auf den Lippen ähnelte er eher einem kleinen Kind, und das war eine Offenbarung für mich. Das war der Winston Churchill, den ich in "Die dunkelste Stunde" zeigen wollte.
Der Film zeigt Churchill auch als einen sehr emotionalen Menschen. Ist das Fakt oder Fiktion?
Wenn wir im Film zeigen, wie Churchill vom kleinen Mädchen in der U-Bahn gesagt bekommt, dass er eine Heulsuse sei, beruht das auf wahren Begebenheiten. Er war sehr schnell am Wasser gebaut. Wenn er Bürger im bombardierten London besuchte, hatte er oft Tränen in den Augen. Und Kätzchen und Welpen haben ihn sofort das Herz geschmolzen.
Mir war auch neu, dass eine Streichholzschachtel so eine große Bedeutung für Churchill hatte. Haben Sie auch einen Talisman, den Sie immer bei sich haben und von dem Sie glauben, dass er Ihnen Glück bringt?
Meine Frau hatte mir vor Drehstart eine Gedenkmünze gegeben, auf der Churchill abgebildet war und die ich die ganze Tag in meiner Westentasche bei mir hatte. Am letzten Drehtag habe ich sie dann Regisseur Joe Wright gegeben. Es heißt ja, dass man Glücksbringer weiterreichen soll.
Wie war die körperliche Verwandlung für Sie?
Das Auftragen des Make-Ups dauerte vier Stunden. Dann 12 Stunden Dreharbeiten und eine Stunde Abschminken. Und all das 48 Drehtage lang. Die größte Herausforderung war nicht die körperliche Verwandlung oder meine schauspielerische Darbietung, sondern meine Ausdauer. Am Anfang hatte ich Angst, ob ich das durchhalten würde, aber ich habe jede Minute als Winston Churchill genossen.
Haben Sie diese Figur manchmal abends nach Hause genommen?
Meine Frau sagte mir, dass sie während den Dreharbeiten mit Winston Churchill ins Bett ging und morgens mit Gary Oldman aufwachte. Zum Glück war es nicht anders herum (lacht).
Interview: Anke Hofmann