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Trotz Kritik: «Wahrer Geist des Sports» im olympischen Dorf

Schlechtes Essen, heiße Zimmer, lange Wartezeiten: Es gibt viel Kritik am Leben im olympischen Dorf in Paris. Doch dem besonderen Flair können die Pannen nichts anhaben. Sie gehören wohl dazu.
Paris 2024 - Vorbereitungen
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Paris 2024
Olympisches Dorf

Als bei den Sommerspielen vor 100 Jahren in Paris die rund 3.000 Athleten ins erste olympische Dorf einzogen, herrschte große Freude. Zuvor hatten die Sportler während der Wettkämpfe vorwiegend in Kasernen, Schulen, Jugendherbergen oder gar auf Booten gewohnt. Entsprechend genossen die meisten das Leben in der eigens für sie errichteten Wohnstätte nordwestlich von Paris mit einer Wechselstube, einem Friseursalon, einem Restaurant und einem Postamt. 

Im Vergleich zu den Holzhütten, die nach dem Ende der Spiele wieder abgerissen wurden, wirken die aktuellen Athleten-Unterkünfte im Pariser Vorort Saint-Denis wie purer Luxus. Für viele der rund 14.000 Sportler hält sich der Wohlfühlfaktor im olympischen Dorf dennoch in Grenzen.

Selfies mit Millionären

Zu heiß, zu unbequeme Betten, zu wenig und zu schlechtes Essen, unzuverlässiger Transport, ein paar Diebstähle: Viele Dinge werden bemäkelt und die Missstände in den sozialen Medien auch fleißig kundgetan. Doch dieses besondere Flair im olympischen Dorf, wo es eine fast kindliche Begeisterung für die Pin-Jagd gibt, sicher viele der 300.000 Gratis-Kondome benutzt werden und Sport-Millionäre wie Rafael Nadal bereitwillig Selfies machen, ist auch diesmal zu spüren.

«Es ist eine Erinnerung daran, wo wir wirklich herkommen und woher der wahre Geist des Sports kommt, ohne den Luxus», sagte Tennisstar Nadal, der mit seinem Landsmann und Doppel-Partner Carlos Alcaraz ein Apartment teilt. «Man verbringt fast seine ganze Karriere in Hotels», erklärte der 14-malige French-Open-Gewinner: «Um die volle Erfahrung zu leben, muss man im Dorf sein.» Und dazu gehört eben auch, dass Nadal und Alcaraz auf dem Weg zum Essen immer wieder von Autogramm- und Selfiejägern aufgehalten werden. 

«10 Mädchen, zwei Badezimmer»

Doch einige Stars haben das olympische Dorf bereits verlassen. Tennisspielerin Emma Navarro entschloss sich wie einige andere aus dem US-Team zum Auszug, nachdem sie in den ersten drei Nächten insgesamt nur sechs Stunden geschlafen hatte. Danach habe sie aus Enttäuschung auch aus Schlafmangel «ein bisschen in der Lobby geweint». Ihre Teamkollegin Coco Gauff gab in einem TikTok-Video mit der Überschrift «10 Mädchen, zwei Badezimmer» einen vielsagenden Einblick in das chaotische WG-Leben.

Größter Kritikpunkt der vergangenen heißen Tage war das Fehlen von klassischen Klimaanlagen in den überhitzten Wohnungen. Das olympische Dorf ist aus ökologischen Gründen mit einem Wasserkühlsystem ausgestattet, das aber offenbar an seine Grenzen stieß. Zahlreiche Delegationen bestellten portable Geräte nach. 

«Anti-Sex-Betten» 

Auch die Betten aus Pappe sind Teil der Strategie, den Kohlenstoff-Fußabdruck der Spiele zu senken. Doch was gut für die Umwelt ist, kann schlecht für die Rücken der Athleten sein. «Das Bett nervt», kommentierte Turnstar Simone Biles, die mit einer Körpergröße von nur 1,42 Meter immerhin keine Längenprobleme hat wie hochgewachsene Athleten. 

Die von der «New York Post» als «Anti-Sex-Betten» bezeichneten Schlafmöglichkeiten waren für die Schweizer Ruderin Celia Dupre «so hart wie ein Stein». Die australische Wasserballerin Tilly Kearns berichtete, sie habe deswegen sogar bereits eine Massage in Anspruch nehmen müssen: «Mein Rücken ist kurz davor, abzufallen.»

Noch größer sind die Klagen über das Essen. Die langen Wartezeiten, die karge Auswahl und nicht ausreichend gefüllte Wasservorräte sorgten an den ersten Tagen für reichlich Verdruss. Von der viel gerühmten französischen Küche erleben die Olympiastarter in der Mensa zu gut wie nichts, was nicht nur US-Superstar Biles bemängelt. Sie postete auf Social Media ein Video beim Essen eines Pain au chocolat aus einer Plastikverpackung, was Franzosen mitleidig kommentierten. 

«Das Essen ist gelinde gesagt eine Katastrophe», sagte Hockey-Nationalspieler Christopher Rühr der Deutschen Presse-Agentur. Man stehe «unglaublich lange an», und dann sei «das Essen qualitativ auch nicht besonders gut». Die deutsche Einer-Ruderin Alexandra Föster zeigte jedoch Verständnis, dass man bei bis zu 60.000 Mahlzeiten pro Tag «natürlich kein Sterne-Essen hinzaubern» könne. Auch die deutsche Sprinterin Gina Lückenkemper relativierte: «Ich werde satt und ich kann damit gut trainieren». Zudem nahmen die Organisatoren Anpassungen vor. Große Mengen Eier und eine Tonne Fleisch wurden zusätzlich bereitgestellt. 

Diebstahl im Dorf

Und wie sieht es mit der Sicherheit aus? Das Dorf liegt im wohl ärmsten und für Kriminalität bekannten französischen Département Seine-Saint-Denis. Fünf Anzeigen soll es wegen Diebstahls im olympischen Dorf gegeben haben, teilweise seien Dinge aus den Wohnräumen der Sportler gestohlen worden. Das berichtete die französische Zeitung «Le Parisien». 

Verglichen mit der enormen Anzahl an vielfältigen Menschen auf einem 52 Hektar - etwa 74 Fußballfelder - großen Gelände ist dies aber eine eher kleine Zahl. Und auch sonst lassen sich die meisten Teilnehmer das Erlebnis im olympischen Dorf durch ein paar negative Dinge nicht vermiesen. «Ich habe das Dorfleben bisher sehr genossen», sagte Lückenkemper. Auch, weil sie hier Jagd nach Pins machen kann: «Das ist der olympische Sport, über den relativ wenig berichtet wird: Das Pin-Game im olympischen Dorf.»

Liechtensteiner wird zum gefragten Mann

Bei Olympia ist es für viele Brauch, Pins zu tauschen und diese auf dem Band der Akkreditierung zu platzieren. Mountainbiker Romano Püntener als einziger Starter aus Liechtenstein ist deshalb einer der gefragtesten Tausch-Partner. Selbst Tennisstar Andy Murray habe «den armen Kerl im ganzen olympischen Dorf gesucht», wie die ehemalige Tennisspielerin Laura Robson bei Eurosport erzählte. «Es war, als hätte er Olympiagold geholt», berichtete Püntener über die Reaktion des zweimaligen Olympiasiegers: «Er hat den Pin jedem gezeigt und gesagt: Schau, was ich habe.»

 

© dpa ⁄ Jörg Soldwisch und den dpa-Korrespondenten
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