Nach einer Machtdemonstration mit Streckenrekordzeit überkamen Patrick Lange die Gefühle. Mit stockender Stimme und Tränen in den Augen widmete der 38 Jahre alte Hesse seinen dritten und vermutlich beeindruckendsten Sieg bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf seiner persönlichen Triathlon-Sehnsuchtsinsel seiner vor vier Jahren gestorbenen Mama. «In den vier Jahren haben alle an mir gezweifelt, das jetzt dem Team und meiner Familie zurückzugeben, bedeutet mir einfach alles», sagte Lange schwer ergriffen.
«Als sie im Hospiz lag und ich sie das letzte Mal gesehen habe, hat sie mir gesagt, ich solle noch mal alles geben und für sie noch mal gewinnen. Ich bin wirklich stolz, dass ich das nun für sie geschafft habe», betonte Lange.
Auch Ironman-Weltmeisterin Laura Philipp gratuliert
In einem der bestbesetzten WM-Profifelder lieferte Lange eine famose Leistung. «Heute hatte ich den perfekten Tag», sagte er im Ziel in Kailua-Kona im ZDF und kündigte eine rauschende Partynacht an. «Wir werden richtig über die Stränge schlagen», sagte er und hoffte auf ein Business-Class-Ticket für die Rückreise, um die Beine hochzulegen.
Seine Saison war bis zu diesem Rennen auf Big Island über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen alles andere als perfekt verlaufen. In Hawaii, wo er besser ist als an jedem anderen Ort, demontierte Lange die Konkurrenz von Titelverteidiger Sam Laidlow über Weltbestzeit-Inhaber Magnus Ditlev bis Olympiasieger und Ex-Champion Kristian Blummenfelt. In 7:35:53 Stunden absolvierte er die Strecke so schnell wie noch niemand vorher.
«Chapeau», gratulierte auch die vor rund einem Monat in Nizza erstmals zur Ironman-Weltmeisterin gekürte Laura Philipp per Instagram. «Hawaii ist einfach sein Pflaster, er kann hier jedes Mal über sich hinauswachsen», sagte der während seiner ruhmreichen eigenen Karriere ebenfalls dreimal in Hawaii erfolgreiche Jan Frodeno als TV-Experte. «Es ist wirklich Wahnsinn», kommentierte 2014-Weltmeister Sebastian Kienle während des Rennens im ZDF.
Lange schickte schon weit vor seinem triumphalen Zieleinlauf auf dem berühmten Ali'i Drive Handküsse in die ferne Heimat, wo seine Frau mitfieberte und mitjubelte. Sie hatte wegen einer Corona-Infektion nicht mitkommen können, 2018 bei seinem zweiten Hawaii-Sieg nach 2017 hatte er ihr auf Knien den Heiratsantrag gemacht. «Mein Herz ist erfüllt», schrieb Julia Lange bei Instagram, sie hatten unmittelbar nach dem Zieleinlauf miteinander telefoniert.
Langes verzweifelte Suche nach Essig
Auf dem Roten Teppich genoss er diesmal den frenetischen Beifall der Zuschauer, er ergriff das Zielband und schrie seine ganze Freude heraus. Er hüpfte, er ballte die Fäuste, klopfte sich auf die Brust und legte den Finger auf den Mund: ein Zeichen der Genugtuung, auch seinen Zweiflern gegenüber. «Hör nicht auf die Hater, ignoriere sie einfach», erklärte Lange in der Pressekonferenz nach dem Rennen, das mit einem ziemlich unangenehmen und schmerzhaften Schreckmoment begonnen hatte: der Begegnung mit einer Qualle.
«Das war ein ordentlicher Biss. Ganz ehrlich, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich wusste nicht, ob ich allergisch bin oder nicht. Ich habe einfach versucht, es auszublenden», sagte Lange. «Es hat mich an beiden Armen, im Gesicht, an den Füßen erwischt», berichtete er und erklärte auch noch, warum er Fotografen gefragt hatte, ob sie Essig dabei hätten. «Ich war verzweifelt», erklärte er und konnte trotz der Schmerzen auch lange nach dem Rennen herzhaft darüber lachen.
Konkurrenz abgehängt
Fast nicht anzusehen waren ihm die Strapazen der rund siebeneinhalb Stunden Schwerstarbeit vorher, die ihm im Ziel einen Vorsprung von beeindruckenden fast acht Minuten auf den Dänen Ditlev bescherten. Dritter mit rund zehn Minuten mehr als Lange wurde der Amerikaner Rudy von Berg (USA).
Mit seinem Titeltriple nach den Erfolgen 2017 und 2018 zog er nach Hawaii-Triumphen mit Frodeno gleich. Dieser hatte 2015, 2016 und auch 2019 gewonnen, als Lange gesundheitlich schwer angeschlagen hatte aufgeben müssen. Insgesamt war es der elfte deutsche Männersieg im Triathlon-Mekka.
Lange krönte auch famose deutsche 15 Triathlon-Monate - angefangen mit einem WM-Dreifacherfolg im vergangenen Jahr über die halbe Distanz, dem Olympiasieg der deutschen Mixed-Staffel im Sommer in Paris und dem ersten Ironman-Weltmeistertitel für Gratulantin Philipp. Er kassierte für seinen Hawaii-Sieg 125 000 US-Dollar und kann auf einen weiteren Geldsegen in der sogenannten Pro-Series von Ironman hoffen, die er nach seinem Hawaii-Triumph anführt.
Lange steigt als Vierter aus dem Pazifik
Vertrauen konnte Lange bei seinem dritten Titel vor allem wieder auf seine Laufstärke, er rannte den Marathon mit einem Schnitt von 3:42 Minuten pro Kilometer. Doch diesmal lief praktisch alles besser, als er sich es hätte wünschen können. Auch in den Duellen mit den deutlich jüngeren Athleten wie dem 25 Jahre alten französischen Nizza-Weltmeister Laidlow oder dem 26 Jahre alten Dänen Ditlev. Schon beim Schwimmen war Lange, der erst kürzlich seinen Trainer gewechselt hatte, vorn dabei und stieg als Vierter aus dem Pazifik.
Er konnte sich auf dem Rad in einer großen Verfolgergruppe hinter Laidlow halten, der seinen Kraftakt durch die Lavafelder bitter bezahlen musste. Als erster Triathlet benötigte er für die 180 Kilometer auf Hawaii weniger als vier Stunden - doch es nutzte ihm nichts. Bei der WM in Frankreich vor einem Jahr hatte er von 13 Minuten Vorsprung auf Lange im Ziel noch vier Minuten behalten.
Das Leiden des entthronten Champions und der Klaps vom neuen Weltmeister
Diesmal brach Laidlow komplett ein. Lange übernahm nach sechs Stunden Rennzeit erstmals die Führung. Mit einem Klaps auf den Hintern und aufbauenden Worten zog er an Laidlow vorbei.
Lange kühlte sich immer wieder mit Wasser und realisierte weit vor dem Ziel, was er in diesem Rennen geleistet hatte, für sich und für seine Mutter. Bereits bei Kilometer fünf an einer Bucht vorbei, «das hört sich vielleicht doof an – war meine Mutter da. Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper bekommen. Dann ist sie nicht mehr weggegangen».