Am «besten Tag» ihres Lebens kommen der neuen Wimbledonsiegerin Barbora Krejcikova beim Gedanken an die gestorbene Jana Novotna die Tränen. Mit einem Schlucken, aber gefasst reagiert die 28-Jährige noch auf dem Centre Court, als sie auf ihre frühere Mentorin angesprochen wird. Als sie abseits der großen Bühne vor der Siegertafel steht, übermannen sie die Gefühle dann doch.
Für 1998 ist Novotna als Champion des populären Tennis-Turniers festgehalten, sie starb im November 2017 an Krebs mit nur 49 Jahren. 26 Jahre nach ihrer einstigen Trainerin ist Krejcikova die Siegerin - und wischt sich die Tränen weg.
«Das Einzige, was mir durch den Kopf ging, war, dass ich Jana sehr vermisse. Es war einfach sehr, sehr emotional, mich auf einer Tafel direkt neben ihr zu sehen», erzählte die Tschechin von diesem Moment, als sie zwei Stunden nach ihrem 6:2, 2:6, 6:4 gegen die Italienerin Jasmine Paolini noch einmal Rede und Antwort stand.
Sie gab auch einen persönlichen Einblick, wie sehr sie die Beziehung zu der früheren Rivalin von Steffi Graf prägt. «Ich träume sehr oft von ihr», verriet sie: «Und wir reden im Traum miteinander.»
Ein Brief an Novotna war der Anfang
Ohne Novotna wäre sie vielleicht nicht zweifache Grand-Slam-Siegerin. An ihre Tür zu klopfen, habe ihr Tennisleben verändert, sagte Krejcikova. 2014 schrieb die damals 18-Jährige aus Brünn Novotna einen Brief, dass ihre Juniorinnen-Zeit ende und sie nicht wisse, was sie machen solle. Etwa eine Woche später schlugen sie zum ersten Mal Bälle. Novotna glaubte an ihr Potenzial.
«Sie wäre stolz», sagte Krejcikova. Bevor sie gestorben sei, habe ihr Novotna gesagt, gehe und gewinne ein Grand-Slam-Turnier. Sie hätte nie geglaubt, dass sie wie sie Wimbledon gewinne. Sie sei so weit davon entfernt gewesen. «Emotionaler können wir nicht werden», kommentierte Boris Becker bei X.
2021 bei den French Open hatte Krejcikova im Einzel und im Doppel triumphiert. Im Doppel sammelte die Tschechin, seit dieser Saison Partnerin von Laura Siegemund, insgesamt sieben Grand-Slam-Titel, drei weitere im Mixed. Die Erfolge im Doppel werden von denen im Einzel jedoch stets weit nach hinten gedrängt.
Finaltag wird «der beste Tag meines Lebens»
Als Krejcikova im Finale gegen Paolini nach einem dominanten Start und einem Zitterspiel am Ende ihren Triumph perfekt gemacht hatte, blickte sie in den Himmel und warf eine Kusshand nach oben. Sie hatte in einem Endspiel mit unerwarteten Wendungen teils herausragend aufgeschlagen und taktisch geschickt gespielt.
«Es ist definitiv der beste Tag meiner Tenniskarriere», stammelte sie, «auch der beste Tag meines Lebens». Niemand in ihrer Heimat werde ihr glauben: «Niemand wird glauben, dass ich ins Finale gekommen bin und niemand wird glauben, dass ich Wimbledon gewonnen habe.» Sie sei nach ihrer Rückenblessur und Erkrankung nicht wirklich in Form gewesen. «Nun stehe ich hier und bin Wimbledonsiegerin.»
Im Notizbuch geblättert
Mit etwa zwölf Jahren habe sie die French Open als ihren Traum notiert. In dem Notizbuch habe sie vor drei, vier Monaten noch geblättert. Ihr Blick auf Wimbledon habe sich in den Gesprächen mit Novotna und all den Wimbledon-Geschichten, die sie erzählte, verändert. Unvergessen in der Tennisszene ist etwa der Moment von 1993, als sich Novotna nach einer Final-Niederlage gegen Steffi Graf von der Herzogin von Kent trösten lässt.
«Ich glaube, seither sehe ich Wimbledon als das größte Turnier der Welt an», sagte Krejcikova zu ihren Gesprächen. Es fühle sich in der Realität «großartig» an, die Siegerin zu sein, antwortete sie, lachte und riss in der Pressekonferenz die Arme nach oben. «Ein Grand Slam zu gewinnen, ist großartig. Hier in Wimbledon zu gewinnen, ist riesig».