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Neugebauer im Silber-Traum: «Wow, das habe ich echt gemacht»

«Gaga» und «verrückt»: Leo Neugebauer feiert die erste deutsche Zehnkampf-Medaille seit 1996. Hingsen und Busemann sehen eine große Zukunft. Neugebauer verrät, welchen Anteil die WM am Erfolg hat.
Paris 2024 - Leichtathletik
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Silbermedaillen-Gewinner Leo Neugebauer genoss den großen Glücksmoment in den Armen der Eltern und Freunde. «Eine Umarmung von all den Leuten, die du am liebsten hast, zu bekommen, ist schon verrückt», sagte der 24-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Bei Vater Terence und Mutter Diana kullerten Freudentränen, als ihr Sohn nach einem mitreißenden Zehnkampf überglücklich mit ihnen jubelte. Von Bedauern, dass er als Weltjahresbester nicht Gold gewonnen hatte, war nicht der Hauch einer Spur. 

«Sie haben gesagt, dass sie sehr, sehr stolz auf mich und happy sind», verriet Neugebauer. Beim Zehnkampf-Showdown im Stade de France feierte er die erste deutsche Medaille in der Königsdisziplin der Leichtathletik seit Frank Busemann 1996 in Atlanta. «Die Silbermedaille ist mir eine Ehre», sagte der in den USA lebende Neugebauer. «Ich gehe heim mit einem Lächeln.» 

«Ein paar große Lektionen»

U23-Europameister Markus Rooth aus Norwegen hatte nach reihenweise persönlichen Bestleistungen mit 8.796 Punkten 48 Zähler Vorsprung vor Neugebauer, der alles gegeben hatte. Am Morgen nach der olympischen Tortur sah der deutsche Zehnkampf-Sonnyboy trotzdem blendend erholt aus. Noch ohne rauschende Olympia-Party und in Erwartung der Siegerehrung am Abend absolvierte er den nächsten Interview-Abschnitt gewohnt cool und mit einem Kaffee in der Hand.

«Ich werde alles erst realisieren, wenn ich die Medaille habe, weil ich dann auch was anschauen kann und sagen kann: Wow, das habe ich echt gemacht. Das gehört jetzt mir», sagte Neugebauer. Erst einmal müsse man alles sacken lassen, «und dann werde ich definitiv ein paar große Lektionen mitnehmen».

Rasanter Aufstieg

Der steile Aufstieg von Neugebauer, der bei der WM 2023 erstmals ins große Rampenlicht gerückt war, ist imposant. Im vergangenen Jahr knackte er den 39 Jahre alten deutschen Rekord von Zehnkampf-Legende Jürgen Hingsen, in diesem Jahr verbesserte er ihn weiter. Nachdem er bei der WM als Halbzeit-Führender auf Rang fünf zurückgefallen war, hielt er nun dem Druck stand und gewann Silber. «So lange zu führen bei Olympia, ist nicht einfach», gestand Neugebauer, der stolz über die nächste Entwicklungsstufe ist. «Vielleicht musste ich da letztes Jahr durchgehen, sodass ich dann dieses Jahr mit Silber heim komme.»

Erster Gratulant im stimmungsvollen Stade de France war der frühere Welt- und Europameister und diesmal achtplatzierte Niklas Kaul. «Das zeichnet große Zehnkämpfer aus, dass sie das in dem richtigen Moment dann auch hinbekommen. Das hat er gemacht und er hat dem Druck des Führenden an Tag eins standgehalten», würdigte der 26-jährige Kaul den Teamkollegen.

Busemann und Hingsen sehen große Zukunft

Paris soll nicht das letzte Kapitel der olympischen Geschichte des Zehnkampf-Duos sein. Los Angeles in vier Jahren streben beide an. Für Neugebauer, der als ein Idol den amerikanischen Ex-Weltmeister Trey Hardee nennt, kann sogar Brisbane 2032 ein Thema werden. Nur fünf Zehnkämpfer waren je besser als der Modellathlet, dessen Zukunftsaussichten blendend sind. Er gilt als Kandidat für die 9000-Punkte-Marke - und gar als einer, der den Weltrekord des diesmal verletzt fehlenden Franzosen Kevin Mayer (9126) irgendwann knacken kann.

«Leo hat ein riesiges Potenzial. Aber er hatte auch noch nie Rückschläge oder größere Verletzungen. Das ist noch ein sehr junges Zehnkampfleben», sagte Hingsen der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn alles bei ihm stimmt, kann er eine ganz große Nummer werden.» Auch Busemann, der vor fast drei Jahrzehnten als bislang letzter deutscher Zehnkämpfer bei einer olympischen Siegerehrung dabei war, ist beeindruckt von der Laufbahn. 

«LeoTheGerman» und Leo Quakgebauer 

«Eigentlich ist das doch auch gaga, was Neugebauer da gemacht hat?! Vor zwei Jahren noch unerfahrener College-Rookie mit einer unfassbar mitreißenden Ausstrahlung, der in diesem Jahr schon vier erstklassige Mehrkämpfe absolviert hat und jetzt hängt er sich nach einer harten, langen College-Saison die olympische Silbermedaille um», schrieb der ARD-Experte. «Wenn man sieht, was der noch draufhat, dann werden wir nicht nur heute Spaß mit ihm haben.»

Neugebauer, der das Wirtschaftsstudium in den USA abgeschlossen hat und sein eigenes Business starten will, gerne im Schmuckbereich, freut sich auch selbst auf die weiteren Entwicklungsschritte. «Ich habe noch sehr viel Potenzial in vielen Sachen», sagte der Mann mit dem Marken- und Spitznamen «LeoTheGerman», der kürzlich als Leo Quakgebauer Teil eines Micky-Maus-Comics war. Nur eine persönliche Bestleistung sei beim deutschen Rekord im Juni gefallen, sagte er, «da sieht man, wie viel da noch drin ist».

«Oma war auch dabei»

Erst einmal will er den unvergesslichen Paris-Augenblick genießen. Bei der WM seien erstmals seit Jahren Familie und Freunde live bei einem Wettkampf dabeigewesen, sagte Neugebauer. «Diesmal ist es genauso, nur dass ich mit einer Medaille heimgehe von den Olympischen Spielen. Das ist ein noch verrückterer Moment.»

Dass er seinen Herzens-Fanclub um sich hat, macht den Moment umso schöner.«Freunde, Familie, frühere Trainingskollegen. Einfach so alle, die ich gekannt habe in meinem Leben fast. Oma war auch dabei.»

© dpa ⁄ Christian Kunz und Robert Semmler, dpa
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