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Neugebauer gewinnt Olympia-Silber - Lückenkempers Frust

Lange ist Leo Neugebauer im Zehnkampf auf Goldkurs - ehe ein Norweger mächtig aufdreht. Mit Silber beendet Neugebauer aber eine lange Wartezeit. Für die Sprint-Frontfrau gibt's eine Enttäuschung.
Paris 2024 - Leichtathletik
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Erschöpft hob Leo Neugebauer nach Silber beide Arme in die Höhe. Der deutsche Rekordhalter hat sich bei ohrenbetäubendem Lärm von 70.000 Zuschauern im Stade de France in einem lange hochspannenden Zehnkampf nicht mit der Goldmedaille belohnen können.

Der 24-Jährige musste sich dem furiosen Norweger Markus Rooth geschlagen geben. Teamkollege Niklas Kaul war als erster Gratulant bei Neugebauer, der die erste deutsche Zehnkampf-Medaille seit mehr als einem Vierteljahrhundert gewann. «Ich war sehr solide und kann mich nicht beschweren. Ich habe mein Ding gemacht. Silber ist nicht schlecht», sagte Neugebauer im ZDF.

In der finalen Aufgabe über 1.500 Meter konnte der mit einem Lächeln im Stadionrund erschienene Neugebauer keinen Angriff mehr auf den da schon führenden 22 Jahre alten Kontrahenten aus Skandinavien starten. Er kämpfte aber verbissen gegen Victor Lindon aus Grenada und behauptete Rang zwei vor dem WM-Dritten.

U23-Europameister Rooth hatte letztlich mit 8.796 Punkten in der Königsdisziplin der Leichtathletik 48 Zähler Vorsprung vor Goldfavorit Neugebauer. Mit seiner Weltjahresbestleistung aus dem Juni, als Neugebauer mit 8.961 Punkten seinen eigenen deutschen Rekord verbessert hatte, hätte er beim Olympia-Showdown klar gewonnen. «Jeder Wettkampf ist eben ein Nullstart», sagte Neugebauer dazu.

Lückenkemper mit «Ärger und Wut»

Vor Neugebauers Ende der Goldchancen hatte sich schon Gina Lückenkemper vom großen Olympia-Ziel eines Einzelfinals über 100 Meter verabschieden müssen. «Es ist eher Ärger und Wut als Enttäuschung», sagte die 27-Jährige nach dem Halbfinal-Aus. Wenig später feierte Julien Alfred aus Saint Lucia im Pariser Regen mit klarem Vorsprung Gold über 100 Meter.

Wie für Lückenkemper war der Olympia-Auftritt auch für den früheren Welt- und Europameister Niklas Kaul (26) nicht zufriedenstellend. 8.445 Punkte bedeuteten Platz acht. Ohne den enttäuschenden ersten Tag wäre angesichts der Leistungssteigerung gegen Ende des Wettkampfs ein Topplatz drin gewesen. Debütant Till Steinforth belegte mit 8.170 Punkten Rang 15.

Lange Wartezeit vorbei

Die beiden Mehrkampfkollegen gratulierten Neugebauer herzlich zur Medaille, auf die der Deutsche Leichtathletik-Verband lange warten musste. Der Hüne gewann das erste olympische Edelmetall seit dem zweiten Platz von Frank Busemann 1996 in Atlanta.

Nachdem Neugebauer bei der WM vor einem Jahr in Budapest noch vom Goldrang zur Halbzeit auf den fünften Platz zurückgefallen war, behauptete er diesmal einen Medaillenrang. Gegen Rooth, der in der vorletzten Disziplin Speerwurf nach seiner fünften persönlichen Bestleistung im Wettkampf erstmals an die Spitze vorrückte, hatte Neugebauer ohne eigene Bestleistung in einer der zehn Disziplinen am Ende keine Chance auf den Sieg.

Wieder Medaillen-Freude für Verband

Nach der WM im Vorjahr ohne Edelmetall darf sich der DLV aber wieder über einen glanzvollen Tag freuen. Weitere Medaillen sollen vom Team um Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo folgen. An Neugebauers Silber-Abend feierte Femke Bol mit der niederländischen Mixed-Staffel über 4x400 Meter, der Amerikaner Ryan Crouser im Kugelstoßen und Thea LaFond aus Dominica Olympiasiege.

Neugebauer setzt auch ohne Olympia-Gold seinen rasanten Aufstieg eindrucksvoll fort. Der 1,98-Meter-Mann war im vergangenen Jahr erstmals in das große Rampenlicht gerückt, als er den 39 Jahre alten deutschen Rekord von Zehnkampf-Legende Jürgen Hingsen geknackt hatte. Diesen verbesserte er in diesem Jahr weiter - es war die sechstbeste Leistung, die jemals ein Zehnkämpfer vollbracht hatte.

Neues Ziel: Los Angeles 2028

«LeotheGerman», wie der selbst gewählte Markenname von Neugebauer lautet, gilt als ein Anwärter für die 9000-Punkte-Marke. In Abwesenheit des französischen Weltrekordlers Kevin Mayer glückte ihm das in Saint-Denis nicht. 

Wie Kaul, der 2021 in Tokio nach seinem Verletzungs-Aus in einem Rollstuhl davon geschoben wurde und auch in Paris nicht das Olympia-Glück fand, nimmt auch Neugebauer Los Angeles 2028 ins Visier. Mit der Olympia-Erfahrung aus dem Stade de France gibt es eine neue Chance, als dritter Deutscher nach Christian Schenk (1988) und Willi Holdorf (1964) Olympiasieger im Zehnkampf zu werden.

© dpa ⁄ Christian Kunz, Robert Semmler und Patrick Reichardt, dpa
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