Deutschlands Sprint-Star Gina Lückenkemper lächelte, als sie nach emotionalen Olympia-Tagen dem Start der großen Leichtathletik-Show entgegenblickte. «Dass es so historisch schnell ging mit der ersten Goldmedaille für das deutsche Team, war der absolute Wahnsinn», sagte die 27-Jährige und berichtete von «super Stimmung» in der Mannschaft. «Das macht sofort Bock auf mehr, und natürlich tragen auch diese Medaillen dazu bei, dass die Motivation hoch ist, dass die Leute sich mitfreuen.»
Mit den zwei Goldmedaillen von Freistilschwimmer Lukas Märtens und Vielseitigkeitsreiter Michael Jung war das deutsche Team furios in die Spiele gestartet, musste aber auch eine Reihe Enttäuschungen verkraften. In der zweiten Olympia-Hälfte rücken die Leichtathleten um Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo und den deutschen Zehnkampf-Rekordler Leo Neugebauer in den Fokus. Und nach der WM-Nullnummer von Budapest strebt der Verband wie in Rio de Janeiro 2016 und in Tokio 2021 drei Medaillen an.
Talsohle durchschritten?
Sportvorstand Jörg Bügner verspürte einen «kleinen Trendwechsel» nach der EM in diesem Juni in Rom, als es elf Medaillen mit Gold durch Mihambo als Höhepunkt gab. «Ich hoffe, dass sich das verstetigt und dass wir sagen können, wir haben die Talsohle durchschritten und werden jetzt hier angreifen und Medaillen gewinnen», sagte Bügner. Den Start machen die Geher und Geherinnen am Donnerstag über 20 Kilometer, im Stade de France fällt am Freitag der erste Startschuss.
Chef de Mission: Auf Kurs
Die ersten Wettkampftage von Kanuten oder Schwimmern im sportbegeisterten Paris unterstrichen aber einmal mehr, wie schnell trotz Top-Leistungen Medaillenhoffnungen platzen. «Es gibt durchaus Licht und Schatten, aber mit der Prognose sind wir auf Kurs. Die Stimmung im Team ist nach wie vor erstklassig», sagte der deutsche Chef de Mission, Olaf Tabor, der Deutschen Presse-Agentur. Er sieht nach dem ersten Olympia-Viertel mit einer Reihe nicht erfüllter Hoffnungen keinen Grund für eine Korrektur der Zielvorgabe.
Viele Erfolgserlebnisse steuerten in den ersten Tagen die Ballsport-Mannschaften in ihren Vorrunden bei. Tabor verwies zudem auf weitere «vierte, fünfte, sechste, siebte Plätze und gute Qualifikationsergebnisse. Die Plätze jenseits der Medaillenränge spielen in den Verbandswertungen und für die Förderung eine große Rolle. Den Glanz von Edelmetall haben sie aber nicht.
Drei Medaillen in Tokio
Die deutsche Leichtathletik der in der Breite größten internationalen Konkurrenz erlebte das allzu oft. Bei der WM 2022 in Eugene, als Mihambo Gold und die Lückenkemper-Staffel Bronze gewannen, und erst recht in Budapest 2023, als die Siegerehrungen ohne Deutsche stattfanden. In Tokio hatte es Gold für Weitspringerin Mihambo sowie Silber durch Geher Jonathan Hilbert und Diskuswerferin Kristin Pudenz gegeben.
«Manchmal hat einfach das nötige Quäntchen Glück gefehlt hat. Und dann wurde es ein vierter oder fünfter Platz und eben keine Medaille», sagte Mihambo der dpa zu vergangenen Großereignissen. «Es geht mittelfristig darum, wieder mehr den Anschluss an die internationale Spitze zu finden. Größere Erfolge in der Breite werden sich erst langfristig einstellen.»
Hohes Ziel für 2028
Das ist dem Deutschen Leichtathletik-Verband bewusst. Die Sommerspiele in der Grande Nation sind dabei ein wichtiger Schritt auf dem Weg, 2028 wieder zu den Top-5-Nationen auf der Welt zu gehören. «Jetzt gilt alle Konzentration Paris. Ich erlebe eine hochmotivierte Teilmannschaft», verkündete Bügner. «Wir wollen möglichst viele Gänsehaut-Momente erleben und erzeugen.»
Ein Ziel hat der DLV nach den vielen Ausfällen rund um die WM erreicht. «Wir haben mehr oder weniger alle an die Startlinie gebracht. Das ist eine Grundvoraussetzung, um überhaupt zu performen», sagte Bügner. Das Olympia-Aus von Zehnkämpfer Manuel Eitel nach einer Corona-Infektion hinterließ beim Sportvorstand jedoch einen «inneren Schmerz».
Lückenkemper: Zerbricht einem das Herz
Auch Lückenkemper ist betroffen. «Es zerbricht einem als Sportler das Herz. Ich habe eine Gänsehaut gehabt, weil ich so viel Glück hatte und rechtzeitig gesund geworden bin», sagte Lückenkemper nach eigener überstandener Corona-Infektion. «Natürlich ist es wichtig, dass auch die Leichtathletik überzeugt», sagte die 27-Jährige. «Ich glaube sehr fest daran, dass wir ein wahnsinnig gutes Team vor Ort haben, das anständig angreifen kann - und das am Ende Spaß machen und überzeugen wird.»
Lückenkemper peilt ihr erstes olympisches Einzelfinale an. Erfolgsgarantin Mihambo und Shootingstar Neugebauer hoffen auf noch mehr. «Es kommt darauf an, locker zu bleiben und das zu machen, was man schon die ganze Saison gemacht hat», sagte der Weltjahresbeste im Zehnkampf der dpa.
Aussichten auf eine Medaille hat auch Speerwerfer Julian Weber. Zum erweiterten Kreis der Anwärter auf Topplätze zählen auch der frühere Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul oder die Zweite der Hallen-WM im Kugelstoßen, Yemisi Ogunleye.