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Geschlechterdebatte bei Olympia: IOC warnt vor «Kulturkrieg»

Um Imane Khelif und Lin Yu-Ting gibt es eine Geschlechterdebatte. Diese wird emotional geführt und erreicht höchste politische Kreise. Warum dürfen bei der WM gesperrte Boxerinnen in Paris starten?
Paris 2024 - Boxen
Paris 2024 - Boxen

Das olympische Frauenboxen gerät durch die aufgeheizte Geschlechterdebatte in einen «Kulturkrieg». IOC-Präsident Thomas Bach versuchte, bei einem Treffen mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni die Wogen zu glätten. Donald Trump verkündete für das hochkomplexe Thema dagegen einen wenig überraschend simplen Lösungsansatz. «Ich werde alle Männer aus dem Frauensport fernhalten!», ließ er via Social Media verlauten.

Mitten in dem hochemotional geführten Streit um das Startrecht finden sich die algerische Boxerin Imane Khelif und Lin Yu-Ting aus Taiwan wieder, die vom Internationalen Olympischen Komitee für die Frauen-Wettbewerbe in Paris zugelassen wurden, nachdem der Weltverband sie im Vorjahr bei der WM noch disqualifiziert hatte.

In der aufgeheizten Diskussion warnte das IOC vor einer Eskalation. «Wir dürfen daraus keinen Kulturkrieg machen, sondern müssen an die Menschen denken, die von Falschinformationen betroffen sind», sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Schon allein die Diskussion um das Geschlecht von Khelif und Lin sei «ein Minenfeld», die Athletinnen könnten seelische Schäden erleiden. 

Lin zog am Freitag in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm durch einen einstimmigen Punktsieg gegen die Usbekin Sitora Turdibekowa ins Viertelfinale ein. Die 28-Jährige wurde vom Publikum mit Applaus empfangen, die Gegnerin gratulierte Lin zumindest vor der Urteilsverkündung mit einem kurzen Handschlag. Zahlreiche Medienvertreter wohnten dem Kampf bei, das internationale Interesse an den zwei Olympia-Boxerinnen ist angesichts der Kontroverse enorm. 

WM-Verbot, aber Olympia-Erlaubnis

Über Khelif sagte Adams: «Sie wurde als Frau geboren, lebt als Frau, boxt als Frau und ist nach ihrem Pass eine Frau.» Das im Pass angegebene Geschlecht ist für das IOC in dieser Sache entscheidend. Der vom IOC nicht mehr anerkannte Box-Weltverband Iba setzte andere Maßstäbe an und verbot Khelif und Lin die Teilnahme an der WM im vergangenen Jahr wegen erhöhter Werte des männlichen Sexualhormons Testosteron. Das IOC nannte es eine «willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren».

Dass Khelif in der Gewichtsklasse bis 66 Kilo Angela Carini nach nur 46 Sekunden durch technischen K.o. besiegt und die unterlegene Italienerin anschließend den sonst üblichen Handschlag verweigert hatte, sorgte weltweit für große Aufregung. Die Debatte um das Startrecht für Khelif und Lin erreichte schnell eine politische Dimension, unter anderem äußerte sich Italiens Ministerpräsidentin Meloni bei einem Besuch im olympischen Dorf: «Von meinem Standpunkt aus war es kein Wettbewerb unter Gleichen.»

Verliererin: «Ich würde sie umarmen»

Doch ausgerechnet die unterlegene Carini sprang Khelif nun bei. «Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen», sagte die 25-Jährige der «Gazzetta dello Sport». Sie respektiere die Entscheidung des IOC, und der verweigerte Handschlag tue ihr leid: «Das war keine absichtliche Geste, ich entschuldige mich bei ihr und bei allen.» 

Sie sei wütend auf sich selbst gewesen. «Ich habe nichts gegen Khelif, wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen.»

So viel Verständnis schlägt Khelif und Lin, die beide schon bei den Sommerspielen 2021 in Tokio dabei waren, nicht immer entgegen. Die beiden Boxerinnen dürften in Paris weiter kritisch beäugt werden, im Falle von Medaillengewinnen erst recht. 

Weder wissenschaftlich noch politisch gebe es in dieser Frage eine einfache Erklärung, äußerte IOC-Sprecher Adams. Die Suche nach einem Konsens gestalte sich dementsprechend schwierig. «Wenn ein gemeinsames Verständnis erreicht wird, wären wir die Ersten, die danach handeln würden.»

Bach spricht mit Meloni über das Thema

Bach ist bemüht, die Wogen zu glätten. Nach einem Treffen mit Italiens Regierungschefin Meloni versprach der IOC-Boss, «dass wir in Kontakt bleiben und den wissenschaftlichen Hintergrund klären und verbessern wollen, um die Situation verständlicher zu machen», wie er der Nachrichtenagentur Ansa sagte. Meloni hatte gefordert, «dass Athleten, die männliche genetische Merkmale haben, nicht zu Frauenwettbewerben zugelassen werden sollten». 

© dpa ⁄ Jörg Soldwisch, Christian Hollmann und Tom Bachmann, dpa
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