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(K)ein Signal? Frau Wittmann im Männerfußball

Eine Frau trainiert die Männer. Sabrina Wittmann ist damit Pionierin im deutschen Profifußball. Bleibt sie die einzige Trainerin? Oder ist sie die Erste einer lange verschlafenen Entwicklung?
Sabrina Wittmann
Die Trainerin Sabrina Wittmann gibt beim FC Ingolstadt als Cheftrainerin den Takt an. © Daniel Karmann/dpa

Ivica Grlic weiß, wie es in der Schule läuft. «Es regt sich ja keiner darüber auf, ob eine Lehrerin oder ein Lehrer unterrichtet», sagt der Sportliche Leiter des Drittligisten FC Ingolstadt 04. «Es geht immer um den Inhalt. Wenn ein Schüler oder eine Mannschaft sich damit identifizieren kann, dann wird die Mannschaft folgen – genau wie eine Klasse.» Seine Jungs hat er nun dauerhaft einer Lehrerin anvertraut, im konkreten Fall einer Fußball-Lehrerin: Sabrina Wittmann (32).

Im deutschen Männerfußball ist sie die erste Frau, die einen Profi-Club fest übernimmt. Als erste von vielen weiteren Trainerinnen? «Natürlich ist es - Stand jetzt - etwas Einmaliges, aber jeder Verein muss das für sich selbst entscheiden», sagt Grlic, der das große Ganze durch die vielleicht etwas kleinere Vereinsbrille sieht.

«Signal oder kein Signal oder PR – darum geht es nicht», erklärt der 48-Jährige: «Es geht nur um Inhalte, um Qualifikationen.» Weshalb die beim FCI groß gewordene Wittmann genau die Richtige für die Schanzer-Lehrlinge sei. Grlic beschreibt sie als authentisch, als Menschenfängerin und inhaltlich gut.

Nur wenige Frauen mit Trainer-Lizenz

Was Wittmann aber auch ist: eine statistische Seltenheit. Im deutschen Fußball mangelt es allgemein an Trainerinnen. Die basisnahe Trainer-C-Lizenz vergaben der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und seine 21 Landesverbände im vergangenen Jahr an 5413 Personen, gerade mal 456 waren weiblich. Von 1835 B-Lizenzen, die dazu berechtigen, Männer-Mannschaften bis zur fünftklassigen Oberliga zu trainieren, gingen 118 an Frauen und Mädchen.

Insgesamt besaßen zum Stichtag 31. Dezember 2023 fast 32 000 Personen eine gültige C-Lizenz, darunter 2563 Frauen und Mädchen, ein Anteil von 8 Prozent. 681 B-Lizenz-Inhaberinnen gibt es (3,8 Prozent), 17 817 insgesamt. Nur drei Trainerinnen erhielten die A-Lizenz, eine einzige den höchsten Schein, die UEFA Pro-Lizenz.

Vor Wittmann wurden erst zwei andere Chef-Trainerinnen im Männerfußball zumindest halbwegs wahrgenommen. Inka Grings (SV Straelen) und Imke Wübbenhorst (Sportfreunde Lotte) trainierten einst einen Männer-Viertligisten.

Wittmanns Aufstieg vom Ingolstädter Nachwuchs- zum Chefcoach begrüßen beide. Dies sei «absolut» ein Signal in die Branche, meint die 45 Jahre alte Grings, die zuletzt das Schweizer Frauen-Nationalteam trainierte. Sie sehe gerade «eine Chance, dass man die Qualitäten von Frauen im Männerfußball erkennt; dass das funktioniert, wie man so schön sagt – weil ja die Bedenken immer wieder groß sind». Auch die frühere Nationalstürmerin hat schon mit Zweit- und Drittligisten Verhandlungen geführt – einen Vertrag erhielt sie nie.

Rote Haare und Sprachfehler als Kriterien

Ähnlich erging es Wübbenhorst, die mal als Kandidatin bei einem Traditionsverein aus der 3. Liga vorsprach. Mit dem Sportlichen Leiter habe sie ein Jahr später über die Gründe für die Absage gesprochen, «da sagte er, dass ihm viele Dinge wichtig seien: Ist der Trainer dick, ist der dünn? Hat er rote Haare? Schielt er ein bisschen? Hat er einen Sprachfehler? Hat er eine hohe oder tiefe Stimme? Wie wirkt das bei den Spielern? Hat der einen Gehfehler?»

Äußere Merkmale spielten eben eine Rolle, meint die 35-jährige Wübbenhorst, derzeit für das Frauenteam der Young Boys Bern verantwortlich. «Weil das häufig der erste Angriffspunkt für Kritik ist», sagt sie. «Als Frau hast du natürlich ein paar Merkmale, die nach außen hin anders aufgenommen werden. Darauf wird man dann reduziert.»

Männliche Entscheider ohne Mut

Sie kommt noch einmal auf den damaligen Entscheider zu sprechen, der ihr eine zutiefst ehrliche Antwort gegeben habe: «Dieser Sportdirektor hat dann gesagt, dass eine Frau ihm eben zu viel Angriffsfläche bieten würde – für Sponsoren, für Spieler. Dem Risiko wollte er einfach aus dem Weg gehen.»

Es fehle den zumeist männlichen Entscheidern oft an Mut, beklagt Wübbenhorst, und der sei nun mal vonnöten, um eine Frau im Spitzenfußball zu installieren. «Gerade, wenn die Trainerin vielleicht nicht aus dem eigenen Verein kommt. Dann wird es schwieriger, alle Entscheider hinter der Idee, eine Trainerin zu holen, zu versammeln.»

Grings sieht es ähnlich: «Die Sportliche Leitung braucht schon Mut, überhaupt mal über eine Trainerin nachzudenken. Auf der anderen Seite: Es gibt aktuell leider nicht viele Trainerinnen, die für entsprechende Positionen angefragt werden könnten.»

Bewerberinnen für Top-Lizenz fehlen

In den vergangenen zehn Jahren gab es lediglich neun Teilnehmerinnen an Lehrgängen zur UEFA Pro-Lizenz (der frühere Fußball-Lehrer-Schein), darunter Grings und Wübbenhorst. Und für die abgelaufene Saison 2023/24 sowie die kommende 2024/25: exakt null.

Auch die Zahl der Bewerberinnen ist ernüchternd. Nur eine habe Interesse an den streng limitierten Lehrgangs-Plätzen angemeldet, teilt der DFB mit, «die die Zulassungsvoraussetzungen leider nicht erfüllt und somit keine Zulassung erhalten hat». Der Name der Bewerberin: Sabrina Wittmann.

Bei der A-Lizenz, der Vorstufe zur Pro-Lizenz, ergibt sich ein ähnlich düsteres Bild: Von sechs Bewerberinnen wurde nur eine zugelassen. Kaum Vorbilder, fehlende Zugänge und diverse Vorurteile. Der DFB, der den Mädchen- und Frauenfußball langfristig stärken will, hat in der Trainerinnen-Ausbildung viel Stoff abzuarbeiten.

«In der Breite müssen mehr Angebote geschaffen werden, vom Verband, von den Vereinen», fordert Grings. Sonst besteht weiterhin Fachkräftemangel – auch ein bekanntes Schulthema.

© dpa ⁄ David Joram, dpa
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