Der erste Auftritt als Ex-Nationalspieler führt Manuel Neuer auf eine eher kleine Fußball-Bühne. Für Deutschlands Rekordtorhüter beginnt mit dem Bundesliga-Auftakt beim VfL Wolfsburg am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) ein neuer, ungewohnter Alltag als Profi. Einer, der sich für den 38 Jahre alten Kapitän des FC Bayern nach dem Rückzug aus der deutschen Nationalmannschaft künftig auf Einsätze im Vereinstrikot beschränken wird.
Ein Motivationsverlust? Nein, nicht für einen Ehrgeizling wie Neuer. Dritter in der Bundesliga, Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal, bitteres Halbfinal-Aus in der Champions League - der gesamte FC Bayern bricht inklusive Neuer auf, um unter Anleitung des noch weitgehend unerfahrenen Trainers Vincent Kompany vor allem national vieles gutzumachen.
Neuers Ansage: «Eine titelreiche Saison spielen»
«Wir stehen vor einer neuen Aufgabe. Wir starten wieder bei null. Und wir wissen ja, wie viele Erfolge wir mit Bayern letztes Jahr eingefahren haben. Da ist die Motivation einfach sehr groß, eine andere, titelreiche Saison zu spielen», sagte Neuer: «Damit starten wir jetzt.»
Es ist in der Wolfsburger Arena vor allem der Startschuss für Kompany, dem erst dritten belgischen Trainer in der Bundesliga nach Erik Gerets (Kaiserslautern, Wolfsburg) und Marc Wilmots (Schalke). Der Newcomer muss den Beweis antreten, dass er nach der beispiellosen Fahndung nach einem Nachfolger für Thomas Tuchel die Toplösung darstellen kann.
Neuer Coach in München, Bewährtes bei den Rivalen
Kompany wird von Bossen und Spielern bescheinigt, einen neuen Schwung entfacht zu haben. Der Trainerberuf ist für den 38-Jährigen «ein 24/7-Job», also rund um die Uhr. Dass aus der Spitzengruppe der Vorsaison Meister Bayer Leverkusen (Xabi Alonso), Vize-Meister VfB Stuttgart (Sebastian Hoeneß) und auch der Tabellenvierte RB Leipzig (Marco Rose) mit etablierten Chefs die neue Titeljagd antreten, empfinden sie in München nicht als Nachteil.
«Neuer Trainer, neuer Input, neuer Impact», kontert Sportvorstand Max Eberl. «Wir haben einen Trainer, ein Trainerteam, das neue Energie in die Kabine bringt. Das merken wir», sagte Eberl. Der Sportvorstand verantwortet die Trainerwahl und den Kader-Umbau, auch Eberl braucht dringend zählbare Erfolge.
Der 50-Jährige legt die Latte hoch, sehr hoch - auch für Kompany. «Wir haben einen sehr guten Kader, um anzugreifen. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Und wenn wir jedes Spiel gewinnen, ist die Rechnung relativ leicht», sagte Eberl nach dem finalen Ligatest beim 4:0 gegen den Grasshopper Club Zürich. Überall angreifen, alles gewinnen heißt es also in einer Saison, an deren Ende das Champions-League-Finale wieder in München stattfindet.
«Sehr guter Kader» mit Palhiha und Olise
Wichtig wird sein, dass der mit den aus der Premier League geholten Top-Neuzugängen João Palhinha und Michael Olise aufgemotzte Kader den Spielstil von Kompany schnell verinnerlicht. Energie, Aggressivität, Aktivität, Mentalität - das waren Kompanys Schlagworte des Sommers und kennzeichnen seinen Pressing-Fußball mit hohem Unterhaltungswert. Nicht nur Routinier Neuer zeigt sich angetan von den Anfängen. «Wir haben ein offenes Ohr und wollen die Sachen, die der Trainer von uns verlangt, umsetzen», sagte der Kapitän.
Die Verletzungen von Neuzugang Hiroki Ito und Rückkehrer Josip Stanisic, die ebenso wie Leroy Sané (Aufbautraining) den Ligastart verpassen, wurden von Eberl als «Unfälle» eingeordnet. «Die Jungs kommen relativ schnell wieder zurück.» Eberl sagte, er habe «ein sehr gutes Gefühl bei dem Kader», der bewusst etwas größer ausgelegt wurde. Gerade im Mittelfeld, in dem Joshua Kimmich wieder aufläuft, und in der Offensive hinter Torjäger Harry Kane tobt bereits ein harter, aber von den Bayern-Bossen gewollter Konkurrenzkampf.
Kompanys spezieller Abwehr-Auftrag
Vom ehemaligen Top-Verteidiger Kompany wird dazu erwartet, dass er die Abwehr um die zu oft patzenden Dayot Upamecano und Minjae Kim stabilisiert. «Es sieht schon nach Fußball aus, auch die Aktivität, wie wir nach vorne verteidigen wollen», befand Eberl nach den Eindrücken der Vorbereitung. Neuer ist gespannt auf den Kompany-Start und seine ersten Wochen als Ex-Nationalspieler: «Nach sechs, sieben Spielen weiß man, okay, es passt alles.»