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«Der geliebte Feind»: Spaniens Kapitän Morata gegen Italien

Álvaro Morata fühlt sich in Italien mehr geschätzt als in Spanien. Der Torjäger der Furia Roja macht seinem Unmut schon vor dem Gruppengipfel zwischen den beiden EM-Titelkandidaten deutlich Luft.
Álvaro Morata
Torjäger Álvaro Morata fühlt sich in Italien mehr geschätzt als in Spanien. © Sören Stache/dpa

Mit Italien verbindet Álvaro Morata die Liebe zu seiner Frau Alice, grundsätzlich «viel Zuneigung» - aber auch Erinnerungen an blanken Hass. Wenn der Kapitän und Torjäger der Spanier im EM-Gruppengipfel zwischen der Furia Roja und der Squadra Azzurra am Donnerstag (21.00 Uhr/ZDF/Magenta TV) in Gelsenkirchen ins Stadion fährt, dann werden viele Gefühle hochkommen bei dem oft umstrittenen 31-Jährigen.

Den 6. Juli 2021 im Wembleystadion von London wird Morata wohl sein ganzes Leben nicht vergessen: Als Joker sorgte er im EM-Halbfinale gegen Italien in der 80. Minute für den Ausgleich zum 1:1 - im Elfmeterschießen versagten ihm dann aber die Nerven. Der damalige Stürmer von Juventus Turin, wo er von 2014 bis 2016 und von 2020 bis 2022 spielte, wurde in seiner Heimat zum großen Buhmann.

Seine Alice, eine italienische Influencerin, machte damals die Hassnachrichten, die sie und ihr prominenter Mann im Netz lesen mussten, öffentlich. Ein Fan-Liebling ist Morata bis heute nicht. Bei Heimspielen der Nationalelf muss er sich oft Pfiffe anhören. «Ich spiele besser in der Nationalmannschaft, wenn es nicht in Spanien ist», sagt er inzwischen ganz offen.

Emotionale Videobotschaft von Ehefrau Alice

Vehement beklagte sich Morata dieser Tage im Interview mit dem Radiosender «Cadena Ser» über mangelnden Respekt und fehlende Wertschätzung. So sagte er mit Blick auf seine offene Zukunft bei Atlético Madrid: «Für mich ist es am einfachsten, nicht in Spanien zu spielen. Für mein Leben, für das, was ich erleben muss, wenn ich in unserem Land auf die Straße gehe.» Seine fünfjährigen Zwillinge Alessandro und Leonardo, «verstehen nicht, warum es Leute gibt, die so viel Wut auf ihren Vater haben».

Zur Unterstützung ihres Mannes schickte Alice eine Botschaft der Liebe nach Deutschland, einen Videoclip, den Reporter der «Marca» dem Fußballer im spanischen Teamcamp vorspielten. «Ich könnte nicht stolzer auf dich sein. Du verdienst alles, was dir widerfährt. Du bist der größte Kämpfer, den ich in meinem Leben je kennengelernt habe», sagt sie darin. «Jedes Mal, wenn du fällst, stehst du auf und bist noch stärker.» Morata kämpfte beim Anblick des Videos mit den Tränen, auch im Wissen darum, wie seine Frau all die schwierigen Momente miterlebt hatte.

Stolzer Kapitän

Zum Turnierauftakt gegen Kroatien (3:0) durfte sich Morata aber feiern lassen. Nach seinem insgesamt siebten EM-Treffer liegt er in der Torschützenliste gemeinsam mit dem Engländer Alan Shearer und dem Franzosen Antoine Griezmann auf Rang drei hinter Frankreichs Michel Platini (9) und Portugals Superstar Cristiano Ronaldo (14). Mit großem Stolz trägt Morata inzwischen die Kapitänsbinde im Team von Trainer Luis de la Fuente.

«Ich habe hart kämpfen müssen, um dahin zu kommen, wo ich heute bin», sagte der Angreifer. Auch bei der EM 2016 (0:2 im Achtelfinale) war Spanien mit Morata gegen Italien rausgeflogen. «Ich weiß also, wie stark sie sind, vor allem wenn es darauf ankommt, das ist in ihrer DNA. Aber ich bin mir sicher, dass sie auch nicht gerne gegen Spanien antreten werden», erklärte Morata.

Respekt bei Juve, Geringschätzung in Madrid

«Álvaro Morata, der geliebte Feind», titelte «Tuttosport» vor dem Gruppengipfel der beiden großen Fußball-Nationen. Italiens heutiger Teammanager Gianluigi Buffon, der mit dem Mittelstürmer lange bei Juve zusammengespielt hatte, lobte ihn als «großartigen Spieler».

Bei Juve sei er übrigens immer gut behandelt worden, sagte Morata. Der Vertrag des 74-maligen Nationalspielers (36 Tore) in Madrid läuft noch bis 2026. «Im letzten Sommer wäre es einfach gewesen, von Atlético wegzugehen. Ich hatte finanziell bessere Angebote von großen Clubs, aber ich habe die Illusion, mit Atletico Erfolg zu haben», sagte er zu seiner Zukunft. «Wenn ich sehe, dass Atlético acht Stürmer verpflichten will, sehe ich, dass ich keine Priorität genieße im Verein. Ich kann nicht hier bleiben, wenn ich nicht spiele.»

Im Nationalteam muss Morata derzeit nicht um seinen Stammplatz fürchten. Während Italiens Chefcoach Luciano Spalletti eine Nummer 9 sucht, der eingebürgerte Argentinier Mateo Retegui zuletzt nicht überzeugte und Gianluca Scamacca von Atalanta Bergamo beim 2:1 gegen Albanien weitgehend harmlos blieb, hat Spanien immer noch den ewigen Morata.

Gewagter Vergleich

Der vermisst im Land der Superclubs Real Madrid und FC Barcelona generell die Unterstützung für die Auswahl. «Es gibt viele Spanier, die möchten, dass die Selección schlecht abschneidet. So etwas passiert in anderen Ländern nicht», kritisierte er im Interview. Er werde aber nicht groß klagen, sagte Morata, der nach der EM möglicherweise seine Karriere in Spaniens Auswahl beendet, und holte bei einem Vergleich ganz weit aus: «Nicht einmal Jesus mögen alle, da kann man nichts machen. Es gibt Menschen, die sagen, dass er existiert, andere sagen, dass nicht.»

© dpa ⁄ Ulrike John und Miriam Schmidt, dpa
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