In der Welt der sozialen Medien ist Rodrigo Hernández Cascante, bekannt als Rodri, nicht zu finden. Kein Instagram-Account, kein Facebook, nichts. «Ihm fehlt das Marketing. Sonst würde er um den Ballon d’Or mitkämpfen», sagt Spaniens Kapitäns Álvaro Morata über die zentrale Figur bei Deutschlands Viertelfinal-Gegner. Rodri ist so etwas wie der Anti-Star der Furia Roja - und dieser Europameisterschaft. Und: einer der herausragenden Fußballer.
Die Urteile seiner Mitspieler schwanken zwischen «dem besten Sechser der Welt» und «einem der besten Sechser der Welt.» Pep Guardiola, sein Vereinstrainer bei Manchester City, hält ihn für den «besten Mittelfeldspieler der Welt». Für Nationaltrainer Luis de la Fuente ist er der wichtigste Ansprechpartner, der auf dem Rasen seine Anweisungen weitergibt.
Rodri, die Passmaschine
Bessr als Spaniens Sechser - der die Nummer 16 trägt - kann man die Rolle auf dieser so wichtigen Position vor der Abwehr kaum interpretieren. Rodri treibt an, Rodri dirigiert, Rodri ist eine Passmaschine, unterbindet mit seiner körperlichen Wucht und Übersicht viele gegnerische Angriffe - und Rodri hält Spaniens Rasselbande zusammen. Als der Titelkandidat im Achtelfinale gegen Georgien 0:1 zurücklag, da trat er mal kurz auf den Ball, hielt inne und forderte mit einigen Gesten seine Kollegen auf, wieder zur Räson zu kommen. «Es gab fünf Minuten der Konfusion. Sie sollten einen kühlen Kopf bewahren», erklärte er später - ehe er das 1:1 selbst erzielte.
Denn Rodri schießt auch Tore: Im Champions-League-Finale 2023 markierte er gegen Inter Mailand den 1:0-Siegtreffer für City. Acht Treffer und neun Torvorlagen in 34 Spielen zuletzt in der Premier League sind eine beachtliche Quote für einen defensiven Mittelfeldspieler.
Das Hemd in der Hose
Spaniens Denker und Lenker verrichtet seine Ballarbeit ohne großes Getue. Man erkennt ihn auch daran, dass er sein Trikot meist ordentlich in die Hose gesteckt hat, was so manchem Jungprofi ziemlich peinlich wäre. Der 28-Jährige gilt in der Nationalmannschaft längst als der Nachfolger von Ex-Kapitän Sergio Busquets. Ohne die Barcelona-Legende wäre Spaniens 2010 wohl nicht Weltmeister geworden.
«Rodri, der Unangreifbare», titelte kürzlich die Zeitung «Mundo Deportivo». Am Freitag (18.00 Uhr) in Stuttgart wird für Spanien viel davon abhängen, wie der stellvertretende Spielführer das Aufbauspiel von Toni Kroos und Co. stören kann.
In Spanien erzählen sie gerne die Geschichte, wie mühsam Rodris Karriere ins Laufen kam. Wegen seiner körperlichen Defizite wurde der heutige 1,90-Meter-Mann in der Jugend von Atlético Madrid aussortiert, ging zum FC Villarreal, startete dort seine Karriere. 2018 holte Atlético den gebürtigen Madrilenen zurück, was den Klub satte 20 Millionen Euro kostete. Dank einer Ausstiegsklausel wechselte er ein Jahr später für 70 Millionen Euro nach Manchester.
Rodri mit Uni-Abschluss in Management
Als Rodri schon bei Villarreal Profi war, wohnte er noch einem Studentenwohnheim. Er fuhr lange einen alten Opel Corsa - ein Auto sei ja nur dafür da, ihn «von A nach B zu befördern». Inzwischen hat er einen Uni-Abschluss in Betriebswirtschaft und Management vorzuweisen. Über sein aktuelles Gefährt gibt es keine Informationen. Rodri wäre wohl auch der Letzte, der vor einer Luxuskarosse posieren und diese Bilder veröffentlichen würde.
2023 wurde Rodri als bester Spieler der Champions-League-Saison ausgezeichnet, bei der Wahl für den Ballon d'Or belegte er Platz fünf. «Dafür spiele ich nicht Fußball», sagte er und erklärte mit Blick auf Moratas Aussage zu seinem fehlenden Marketing: «Es stimmt, dass Morata mir das manchmal sagt, aber ich verstehe Fußball in einer anderen Richtung. Was mich erfüllt, sind die gemeinsam errungenen Titel.»