Neue Ansätze, neue Chancen: Der Start in die Nuri-Sahin-Ära bei Borussia Dortmund ohne Mats Hummels und Marco Reus erscheint vielversprechend. Unter dem neuen Chefcoach stehen nun Spieler im Mittelpunkt, die zumindest in der Form viele Außenstehende nicht unbedingt auf der Rechnung hatten.

Matchwinner beim hart umkämpften und für Sahin und den BVB eminent wichtigen 2:0 (0:0) gegen Eintracht Frankfurt waren ein 20 Jahre altes Top-Talent als Doppeltorschütze und ein fast schon Abgeschriebener: Jamie Gittens und Rami Bensebaini retteten Sahin am Samstagabend den Bundesliga-Einstand. 

«Da ist große Freude und gewisse Erleichterung», bekannte Sahin freudestrahlend. Denn folgerichtig war die ersten drei Punkte für den Champions-League-Finalisten keineswegs. Der BVB begann umständlich. Das Spiel ohne die langjährigen Korsettstangen Hummels und Reus sowie Torjäger Niclas Füllkrug und mit einigen Neuen wirkte noch nicht rund. «Ich habe es erwartet, dass wir uns erstmal finden müssen», sagte Sahin als vierter Dortmunder Trainer binnen fünf Jahren. 

Neue Spielidee unter Sahin

«Wir haben jetzt eine andere Idee. Wir versuchen jetzt mehr von hinten raus zu spielen», sagte Torhüter Gregor Kobel zum Unterschied nach dem Trainerwechsel von Edin Terzic zu Sahin. «Es war noch kein überragender Auftritt aber ein sehr guter erster Auftritt. Das gibt Selbstvertrauen für die Spiele, die noch kommen», befand der Schweizer Keeper.

Der nach eigener Aussage extrem aufgeregte Sahin wusste genau: Wäre der Bundesligastart schiefgegangen, hätte es sofort die erste Unruhe gegeben. Die Westfalen wollen in dieser Saison wieder um die Meisterschaft mitspielen. «Ich bin extrem glücklich jetzt», sagte Sahin, der 2011 einer der Schlüsselspieler bei der bislang vorletzten Meisterschaft Dortmunds war. «Siege sind extrem wichtig, um den Prozess zu beschleunigen.» Aus Dankbarkeit dafür, dass ihm der Neustart erleichtert wurde, gab er seinem Team sogleich bis Dienstag frei. 

Möglicherweise war es auch eine Belohnung für ihn selbst, denn der 35-Jährige durfte sich getrost selbst als Matchwinner sehen. Denn seine Einwechslungen brachten die Wende im Spiel. «Du musst von der Bank Qualität bringen können», sagte Sahin. «Und heute haben alle Wechsel gezündet.» Allen voran Gittens und Bensebaini. 

Erster Bundesliga-Doppelpack für Gittens

Mit einer schnörkellosen und erstaunlich reifen Aktion für einen 20-Jährigen erzielte der Engländer Gittens in der 72. Minute die 1:0-Führung. Mit viel Tempo und kaltschnäuzig sorgte er in der Nachspielzeit schließlich für den Endstand. «Heute war ein guter Tag», schwärmte Gittens, der den Zuspruch der Fans auf der Südtribüne nach dem Spiel sichtlich genoss.

Bislang stand der Hochveranlagte stets etwas im Schatten anderer Offensivkräfte oder anderer Talente. Mit seinem ersten Bundesliga-Doppelpack stand er diesmal erstmals so richtig im Mittelpunkt. Ein Vorgeschmack auf mehr? Schon die Vorbereitung unter dem neuen Coach und Förderer Sahin war vielversprechend. «Jamie hat sehr, sehr hohe Ansprüche. Wir auch. Wir haben auch hohe Erwartungen», sagte sein Trainer.

Erwartungen, die Gittens nach Meinung seiner Teamkollegen erfüllen wird. «Er ist noch so jung. Es ist normal, dass er noch besser werden wird», prophezeite Kobel und geriet geradezu ins Schwärmen. «Jamie kann immer wieder ein Unterschiedsspieler sein. Er hat immer wieder diese überragenden Einzelleistungen.»

Bensebaini galt schon als abgeschrieben

Dass die Dortmunder in den entscheidenden Momenten auch das Spielglück hatten, passte zum gelungenen Abend. Vor dem 1:0 versagten Frankfurts Fares Chaibi vor dem leeren Dortmunder Tor die Nerven und das 2:0 war nur möglich, weil eine waghalsige Grätsche Bensebainis im eigenen Strafraum aufging, der Ausgleich verhindert und so Gittens' zweites Tor eingeleitet wurde.

Nach einem harten Jahr mit Verletzungen und schlechten Leistungen stand der frühere Gladbacher bereits auf dem Abstellgleis. Unter Sahin könnte der algerische Linksverteidiger nun wieder aufblühen, zumindest aber eine neue Chance erhalten. Der neue Trainer lobte den giftigen Abwehrspieler für seine Einstellung und seinen Trainingseifer. «Er bringt extrem viel mit und kann der Mannschaft sehr helfen», urteilte auch Kobel.

Es scheint, als habe Sahin dem gesamten BVB neue Perspektiven eröffnet. «Ich freue mich auf die weitere Arbeit. Er gibt Gas», sagte Kobel. «Man merkt, was das für eine Ehre für ihn ist, Trainer dieses Clubs zu sein.»