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Wüst ruft nach Gewalttat von Bad Oeynhausen zu Mäßigung auf

Es ist eine Gratwanderung: Der tödliche Angriff auf einen 20-Jährigen in Bad Oeynhausen hat die Debatte über Zuwanderung angeheizt. Politiker fordern Mäßigung, zugleich aber harte Maßnahmen.
Landtag Nordrhein-Westfalen
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Zwei Wochen nach dem tödlichen Angriff auf einen jungen Mann in Bad Oeynhausen haben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und andere Politiker davor gewarnt, aus der Gewalttat politisches Kapital schlagen zu wollen. Zugleich bekräftigte Wüst seine Forderung: «Es muss besser gelingen, Intensivstraftäter, die keine deutschen Staatsbürger sind, wo immer das möglich ist, auch abzuschieben.»

Wie schwierig die Gratwanderung zwischen Mäßigung und Forderungen nach einem Durchgreifen des Rechtsstaats ist, zeigte die Debatte im nordrhein-westfälischen Landtag. Wüst und SPD-Oppositionsführer Jochen Ott bemühten sich um einen sachlichen Ton. Die AfD warf den anderen Parteien eine «Hypermoral» vor. Aber auch Abgeordnete von CDU und FDP warnten mit scharfen Worten vor einer «Falsche-Toleranz-Ideologie» und «gewaltbereiten jungen Männern» aus Nordafrika und Afghanistan.

Der Tat beschuldigt wird ein 18-jähriger Syrer. Er soll den 20-Jährigen in der Nacht zum 23. Juni aus bisher unklaren Gründen attackiert und auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Der Mann starb wenige Tage später im Krankenhaus. Der Beschuldigte war laut Ermittlern 2016 im Rahmen einer Familienzusammenführung mit Eltern und Geschwistern nach Deutschland gelangt. Den Ermittlern zufolge war der 18-Jährige zuvor bereits durch Gewalt-, Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte aufgefallen, ist aber nicht vorbestraft.

Das Opfer hatte sein Leben noch vor sich

Wüst erzählte in der Debatte über das Leben und die Zukunftsträume des Opfers: «Musik war sein Leben. Er hat sie geliebt. Er hat Musik produziert.» Erst vor zwei Monaten sei der junge Mann von zu Hause ausgezogen. «Die erste eigene Wohnung. Der erste große Schritt in ein eigenständiges Leben.» Seine Mutter habe Philippos als fröhlichen jungen Mann beschrieben und stolz von den Plänen ihrer Kinder erzählt. 

Angesichts der aufgeheizten Debatte rief Wüst zum Zusammenhalt auf. Rechtsextreme politische Kräfte versuchten, aus dem Tod des jungen Mannes politisches Kapital zu schlagen. «Wir müssen der Versuchung widerstehen, uns auseinandertreiben zu lassen, einen Keil in diese Gesellschaft treiben zu lassen.» Noch seien nicht alle Hintergründe der Tat klar. Zugleich unterstrich Wüst: «Diese Tat verdient eine harte, eine gerechte Strafe.» 

Die Menschen in Deutschland erwarteten in einer solchen Situation, «die Dinge beim Namen zu nennen», sagte Wüst. «Damit wir auch in Zukunft Menschen helfen können, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, muss irreguläre Migration beendet werden.» Der Tatverdächtige sei in Deutschland zur Schule gegangen und sollte eine Ausbildung machen. «Er hatte die Chance auf ein gutes Leben. Er hat diese Chance nicht genutzt – im Gegenteil», sagte Wüst. 

Gewalttat nicht für Stimmungsmache missbrauchen

Auch SPD-Fraktionschef Ott sagte: «Der Täter allein trägt die Schuld – und deshalb muss und wird er bestraft werden: von einem Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren.» Herkunft, Religion und Migration erklärten nichts. «Das beweisen die Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte in Nordrhein-Westfalen.» Auch diese Menschen verlangten, dass alle sich an die Regeln und Gesetze in Deutschland hielten. Zugleich betonte Ott: «Wer unser Gast ist und das nicht macht, wer kriminell wird, wer unsere Sicherheit bedroht, der muss wieder gehen.»

Landtagspräsident André Kuper (CDU) sagte, die furchtbare Tat und die Trauer um einen jungen Menschen eigne sich in keiner Weise «zu populistischen Provokationen und zur Stimmungsmache in ohnehin aufgeheizter Zeit». «Schon aus Respekt vor den Hinterbliebenen, die um ihr verlorenes Kind, ihren Bruder und Freund trauern.» Auf der Tribüne verfolgten der Bürgermeister von Bad Oeynhausen, Lars Bökenkröger (CDU), und der Landrat des Kreises Minden-Lübbecke, Ali Dogan (SPD), die Debatte.

Kommunen sind überfordert

Bökenkröger sagte der Deutschen Presse-Agentur, der tatverdächtige Syrer habe mit seiner Familie in einem «normalen Mehrfamilienhaus in Bad Oeynhausen» gelebt. Die Darstellung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SDP), der Beschuldigte habe acht Jahre lang in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt, sei «sehr irritierend» und treffe nicht zu. Faeser hatte auch von einer gescheiterten sozialen Integration gesprochen, was auch im Landtag Kritik auslöste.

Eine offene Diskussion sei nötig, meinte Bökenkröger. «Es gibt viele Fälle von Kriminalität, auch von Migranten begangen. Die Täter muss man dann auch ausweisen.» Zugleich warnte der CDU-Kommunalpolitiker davor, dass die Kommunen bei Zuwanderung und Integration an ihre Grenzen gekommen seien. «Wir brauchen Unterstützung von Bund und Land, wir brauchen alle politischen Ebenen. Wir können als Kommunen nicht noch mehr Flüchtlinge unterbringen und integrieren.» Man werde Kindern und Jugendlichen nicht mehr gerecht, wenn es in manchen in Schulklassen einen Migrationsanteil «von 70 oder 80 Prozent» gebe.

Reul über AfD: «Das ekelt mich an»

Innenminister Herbert Reul (CDU) warf der AfD vor, nach der tödlichen Attacke ein völlig verzerrtes Bild der Wirklichkeit in Deutschland zu zeichnen. Die AfD versuche, «Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen, Stimmung gegen Ausländer zu machen und mit billiger Polemik Stimmen zu sammeln», sagte Reul. «Das ekelt mich an.» 

Zuvor hatte der AfD-Abgeordnete Markus Wagner gesagt: «Wir haben die Nase gestrichen voll von Messermördern, Terroraspiranten und Gruppenvergewaltigern. Wir ertragen es nicht mehr, was sie mit unserem Deutschland anrichten.» Schwerkriminelle und illegale Ausländer müssten jetzt schnell abgeschoben werden. 

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sagte, Pauschalierungen seien kein Ersatz für Antworten und führten nicht zu mehr Sicherheit. Schäffer wandte sich gegen voreilige Forderungen nach Abschiebungen. Bei Vorliegen aller rechtlichen Voraussetzungen würden Straftäter nach Verbüßung ihrer Strafe ohnehin ausgewiesen. Der Rechtsstaat müsse aber auch ein Interesse daran haben, dass Straftaten auch tatsächlich verbüßt würden - in Deutschland.

Unkontrollierte Zuwanderung?

Es gab aber auch schärfere Worte aus den Reihen von CDU und FDP. Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland listete Ermittlungen zu den mutmaßlichen Straftaten des 18-jährigen Tatverdächtigen auf, für die er niemals zur Rechenschaft gezogen worden sei. Diese reichten von Diebstahl bis zu versuchter Vergewaltigung und Körperverletzung. Zugleich bezeichnete Golland «die unkontrollierte und ungebremste Zuwanderung» vor allem junger Männer als ein gravierendes Sicherheitsrisiko. 

Marc Lürbke von der FDP sagte: «Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Intensivtäter jahrelang Straftaten auf dem Kerbholz ansammeln, ehe überhaupt eine Reaktion des Rechtsstaats erfolgt - wenn sie denn überhaupt erfolgt.» Auffällig seien häufig gewaltbereite junge Männer aus dem nordafrikanischen Raum oder Afghanistan. «Probleme wird man nicht lösen, wenn man das ignoriert.» Gleichzeitig dürften aber nicht ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt werden.

© dpa ⁄ Dorothea Hülsmeier, dpa
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