Die nach dem ukrainischen Gegenangriff auf Russland gestiegenen Gas-Großhandelspreise werden sich nach Ansicht des Energieexperten Malte Küper voraussichtlich nicht auf die Gas-Verbraucherpreise auswirken. «Wenn wir jetzt Preisschwankungen haben, die nur einige Wochen anhalten werden, dann wird das keine Auswirkungen auf die Preise haben, die Haushalte für Erdgas bezahlen», sagte Küper der Deutschen Presse-Agentur dpa. Grund sei die meist längerfristig angelegte Einkaufsstrategie der Energieversorgungsunternehmen. Küper ist Referent für Energie und Klimapolitik am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Montag kostete Erdgas zeitweise fast 43 Euro
In dem von ukrainischen Truppen besetzten russischen Gebiet in der Region Kursk befindet sich die wichtige Gas-Übergabestation Sudscha. Sie ist seit dem Gegenangriff mutmaßlich in der Hand der Ukrainer. Über sie wird russisches Erdgas quer durch die Ukraine in die Slowakei und Österreich und weitere europäische Länder geleitet. Seit Bekanntwerden des Angriffs stieg der Preis für die Megawattstunde Erdgas am niederländischen Handelsplatz TTF an. Am Montag erreichte der Preis für im September zu lieferndes Erdgas mit zeitweise fast 43 Euro je Megawattstunde eine Höhe wie zuletzt Anfang Dezember 2023.
Küper sieht den Hauptgrund für die gestiegenen Großhandelspreise in der Sorge der Märkte vor einer unbeabsichtigten Zerstörung der Station in Zuge von Kampfhandlungen, etwa durch einen Raketeneinschlag. «Ein ukrainisches Interesse, da jetzt irgendwas einzustellen, kann ich nicht erkennen», sagte der Experte. Sollte es doch zu einer unbeabsichtigten Beschädigung kommen, könnte etwa Österreich über Deutschland und Italien mit Erdgas versorgt werden.
Industrie eher betroffen von Preisanstieg als Haushalte
Sollte der aktuelle Preisanstieg länger anhalten, wäre die Industrie laut Küper eher davon betroffen als Haushaltskunden. Grund sei, dass Industrieunternehmen wegen einer anderen Beschaffungsstrategie Preisschwankungen an der Börse häufig unmittelbarer oder früher zu spüren bekämen als Haushalte. Auch hätten in energieintensiven Industriebetrieben kleinere Preisunterschiede größere Auswirkungen als bei Haushalten.
Gasspeicher in Deutschland zu 91,5 Prozent gefüllt
Die Erdgasspeicher in Deutschland waren am Montagmorgen zu 91,5 Prozent gefüllt, die Speicher Österreichs zu 88,4 Prozent. EU-weit lag der Füllstand bei 87,6 Prozent, wie am Dienstag aus Daten des europäischen Gasspeicherverbands GIE hervorging. Der Gasspeicherverband Ines (Initiative Energien Speichern) hatte sich schon Anfang Juli zuversichtlich gezeigt, dass die deutschen Gasspeicher vor dem kommenden Winter 2024/2025 erneut vollständig befüllt werden können.
Die Bundesnetzagentur beurteilt die Gasversorgung in Deutschland weiterhin als stabil. «Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet», heißt es im jüngsten Lagebericht. Man schätze die Gefahr einer angespannten Gasversorgung im Augenblick als gering ein. «Ein sparsamer Gasverbrauch bleibt dennoch wichtig», betont die Behörde. Im ersten Halbjahr 2024 lag der Erdgasverbrauch in Deutschland laut Energiewirtschaftsverband BDEW 0,7 Prozent über dem Verbrauch des entsprechenden Vorjahreszeitraums.
Erdgasimport vor allem aus Norwegen
Deutschland erhält weiterhin täglich Erdgas aus anderen Ländern, zumeist über Pipelines. So gelangte am vergangenen Sonntag laut Bundesnetzagentur Erdgas mit einem Energiegehalt von insgesamt 2076 Gigawattstunden (GWh) nach Deutschland, und zwar aus Norwegen 1086 GWh, aus den Niederlanden 440 GWh, aus Belgien 454 GWh und über die deutschen LNG-Terminals 96 GWh.
Am gleichen Tag exportierte Deutschland 467 Gigawattstunden Erdgas. Das Gas ging in die Niederlande, nach Tschechien, nach Österreich, in die Schweiz und nach Polen.