Die Europäische Union und Serbien wollen gemeinsam eines der größten Lithium-Vorkommen Europas im Wert von mehreren Milliarden Euro für die Herstellung von Batterien vor allem für Elektroautos erschließen.
In Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz, Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic wurde in Belgrad eine Absichtserklärung unterzeichnet, die eine umweltverträgliche Förderung des weltweit extrem begehrten Leichtmetalls im westserbischen Jadar-Tal ermöglichen soll. In Serbien gibt es allerdings erheblichen Widerstand von Umweltschützern gegen das Projekt.
Scholz versicherte, dass es den «höchsten Standards» des Umweltschutzes entsprechen werde. Sefcovic sprach von einem «historischen Tag» und wertete das Abkommen als Schritt Serbiens in Richtung EU. Am euphorischsten äußerte sich Vucic nach der Unterzeichnungszeremonie: «Für uns wird dies einen Wendepunkt und einen Quantensprung in die Zukunft darstellen, etwas, das wir nicht für möglich gehalten hätten.»
Größte Direktinvestition in der Geschichte Serbiens
Für beide Seiten geht es bei dem Rohstoff-Abkommen um viel. Für Serbien handelt es sich um die größte ausländische Direktinvestition seiner Geschichte. Ziel der Regierung in Belgrad ist es, eine Wertschöpfungskette für Elektromobilität vom Abbau des Rohstoffs bis zur Batteriefertigung aufzubauen. Das bedeutet Staatseinnahmen, Arbeitsplätze und Investitionen, die Vucic auf sechs Milliarden Euro schätzte. Unter anderem habe Scholz ihm versichert, dass in Serbien auch eine Batterie-Fabrik entstehen werde.
China zog den Kürzeren
Deutschland und die EU wollen mit dem Projekt vor allem die Abhängigkeit von China reduzieren. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt kontrolliert einen großen Teil des Abbaus und der Verarbeitung von Lithium weltweit. Scholz sagt, man könne diese Abhängigkeit nicht als Problem begreifen und gleichzeitig vor eigenen Bergbauprojekten zurückschrecken könne. «Wir müssen das jetzt hinkriegen», sagte er.
Auch China hatte sich um die Ausbeutung der Vorkommen in Serbien bemüht, im Mai war Präsident Xi Jinping sogar nach Belgrad gereist. Dass man sich trotzdem nun als Europäer durchgesetzt hat, wird von deutscher Seite als großer Erfolg gefeiert, der vielleicht auch Ausstrahlungskraft auf weitere Rohstoff-Projekte haben könnte.
Lithium für mehr als eine Million E-Autos im Jahr
Das Abkommen hat eine längere Vorgeschichte. Bereits vor drei Jahren gab der australische Bergbaugigant Rio Tinto bekannt, dafür eine Milliardeninvestition tätigen zu wollen. Nach Schätzung des Unternehmens kann das geplante Bergwerk jährlich 58.000 Tonnen Lithium produzieren. Das würde serbischen Medienberichten zufolge den Bedarf von 1,1 Millionen Elektro-Fahrzeugen decken, was etwa 17 Prozent der europäischen Produktion entspreche. Die Autohersteller Mercedes-Benz und Stellantis verhandeln mit Rio Tinto bereits über eine Beteiligung. Diese beiden und weitere Unternehmen unterzeichneten am Freitag ebenfalls Absichtserklärungen.
Umweltschützer sorgen sich um Trinkwasserversorgung
Das Projekt ist aber hochumstritten. Umweltschützer kritisieren unter anderem, dass Lithium-Bergbau das Grundwasser mit Schwermetallen verunreinige und daher eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung der Anwohner darstelle. Ein Vertreter der Umweltorganisation Ökologischer Aufstand, Aleksandar Jovanovic Cuta, nannte das Abkommen ein «Todesurteil» für die Abbauregion. Gegner des Projekts wollten während der Unterzeichnungszeremonie eigentlich vor dem Präsidentenpalast demonstrieren, der aber weiträumig abgesperrt wurde.
Serbische Opposition wirft EU-Staaten Anbiederung an Vucic vor
Neben der Kritik der Umweltschützer gibt es auch rechtsstaatliche Bedenken gegen das Projekt. Die serbische Regierung hatte den Weg für die Unterzeichnung erst vor wenigen Tagen freigemacht. Sie berief sich auf ein kurz vorher ergangenes Urteil des Verfassungsgerichts, das den 2022 nach Massenprotesten beschlossenen Planungsstopp rückgängig machte.
Für die serbische Opposition ist der Umgang mit dem Lithium inzwischen eins der wichtigsten Themen. Sie wirft EU-Staaten wie Deutschland vor, sich wegen der serbischen Rohstoffvorkommen Vucic anzubiedern. Dem serbischen Präsidenten werden Abbau der Demokratie und des Rechtsstaats sowie ein enger Draht zu Russland vorgeworfen.
Scholz dankt dem «lieben Gott» - Vucic schickt Kampfjet-Eskorte
Scholz verzichtete bei der Unterzeichnungszeremonie darauf, die Probleme offen anzusprechen. Er erinnerte aber daran, dass, wer in die Europäische Union wolle, «mit gößter Anstrengung die Anforderungen erfüllen» müsse – gerade was Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit angehe.
Sonst dominierte an diesem Tag die Harmonie zwischen Scholz und Vucic, der den Kanzler bei An- und Abreise als Ehrerbietung sogar von serbischen Kampfjets eskortieren ließ. Der Kanzler wurde bei der Pressekonferenz seinerseits für seine Verhältnisse ungewöhnlich pathetisch. «Ich will es für diejenigen sagen, die ein bisschen gläubig sind, und diejenigen, die sich zumindest an diesen Bildern auch gerne orientieren», sagte der SPD-Politiker, der selbst aus der Kirche ausgetreten ist. «Der liebe Gott hat es möglich gemacht, dass einer der begehrtesten Rohstoffe der Welt in größter Qualität in diesem Land ist. Und vielleicht kann es auch als Glück für das Land genutzt werden.»