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Kreise und Land streiten über Geld für Geflüchtete

Die Kommunen ächzen schon lange unter der Belastung durch Flüchtlinge. Vor allem mangelt es an Geld. In Bruchsal unterbreiten die Landrätinnen und Landräte Regierungsvertretern ihre Forderungen.
Flüchtlinge in Notunterkunft
Joachim Walter
Freiburger Flüchtlingsunterkunft
Achim Brötel

Die Landkreise im Südwesten erwarten vom Land deutlich mehr Hilfe bei Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen - doch hier wie da fehlt Geld. Während Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei einem Treffen der Landrätinnen und Landräte in Bruchsal (Landkreis Karlsruhe) auf Maßnahmen von Land und Bund trotz klammer Kassen verweist, sieht der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Joachim Walter (CDU), den sozialen Zusammenhalt in Gefahr.

Werden rechte Kräfte gestärkt?

Wenn Kommunen auf den Kosten sitzenbleiben, würden Debatten über die Belastungen in Gemeinderäte und Kreistage verlegt. «Wie diese Debatten laufen, das wissen wir», sagte Walter. Lange habe Einvernehmen geherrscht, solche Diskussionen zu vermeiden - nun würden sie unvermeidbar. «Es wird Kräfte befeuern, die darauf nur warten.» Das Land solle rasch wieder mit den Kommunen verhandeln, «damit wir zu vernünftigen Lösungen gelangen und nicht noch Feuer an die Lunte legen».

Mit einem ausufernden Sozialstaat seien die Haushalte ruiniert worden, sagte Walter. Die Pflichtaufgaben seien aber nicht durchfinanziert. Hinzu kämen Faktoren wie eine geringere Zahl an Ehrenamtlichen als etwa beim starken Flüchtlingszuzug 2015.

Er habe kein Verständnis dafür, dass es bislang keine über das Jahr 2024 hinausgehende Verständigung im Hinblick auf die Kosten für Geflüchtete gebe. «Die finanzielle Verantwortung wird hier nun plötzlich und ich meine auch rücksichtslos den Kommunen zugeschoben, nachdem man sich im vergangenen Jahr noch in einer Verantwortungsgemeinschaft sah», sagte der Landkreistags-Präsident. Ein Vorwurf, den Kretschmann zurückwies. «Wir haben ja selber auch Aufwendungen dafür.»

Kretschmann: «Wir sind am Limit»

Stattdessen betonte er Maßnahmen, mit der die Zahl neu ankommender Flüchtlinge in Deutschland gesenkt werden sollen. Der Bund habe unter anderem die Abschiebung von Straftätern verbessert. Ausreisepflichtigen Menschen würden Leistungen gekürzt und die deutschen Grenzen kontrolliert. Mit Blick auf das Land nannte er als Beispiele die Einführung einer Bezahlkarte sowie ein Migrations- und Sicherheitspaket. 

«Ja, wir sind am Limit», räumte Kretschmann ein. «Es geht uns um eine wirksame Begrenzung der irregulären Einwanderung. Und es geht uns um Sicherheit.»

Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) sagte bei einer Podiumsdiskussion, es hätten noch nicht alle den Ernst der Lage begriffen. Dem Land fehle allerdings die Kompetenz, das Thema ohne den Bund und die EU zu regeln.

Tausende Flüchtlinge allein dieses Jahr

Die Zahl der in den vergangenen drei Monaten in Baden-Württemberg registrierten Asylerst- und Folgeantragsteller lag nach Angaben des Migrationsministeriums je knapp über 2.000 - in den Vormonaten dieses Jahres teils deutlich darunter. Hinzu kamen bisher 17.192 Geflüchtete aus der Ukraine im Jahr 2024.

Der neu gewählte Präsident des Deutschen Landkreistags und Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis, Achim Brötel (CDU), betonte, dass eine sinkende Zahl an Neuzugängen kaum Entlastung bedeute. Die Folge sei lediglich ein langsamer wachsender Berg. Es fehle unter anderem an einem Dach über dem Kopf, an Integrationskursen. Ärztliche Versorgung sei gerade im ländlichen Raum ein Thema.

Landkreistags-Präsident Walter erläuterte, das Land wolle den Kommunen künftig lediglich 3.750 Euro je neuem Asylerstantragssteller zur Verfügung stellen. Blieben die Zahlen der Asylsuchenden wie aktuell, bedeute dies, dass die Kommunen insgesamt im nächsten Jahr mit rund 85 Millionen Euro rechnen könnten. 

«Die Landesregierung zeigt sich insofern komplett unbeeindruckt von den – wohlgemerkt gemeinsam errechneten – Nettobelastungen der Landkreise, Städte und Gemeinden in Höhe von im laufenden Jahr rund 1,2 Milliarden Euro für geflüchtete Menschen», sagte Walter. Sie lasse die Kommunen mit den Kosten für die Ukraine-Geflüchteten komplett allein und ignoriere die Kosten für Geflüchtete, die hier schon lebten und Unterstützungsleistungen nach den Sozialgesetzbüchern erhielten. In Bezug auf Kretschmanns Replik sagte Walter, er hätte vom Ministerpräsident mehr erwartet.

Migration für Arbeitsmarkt wichtig

Kretschmann verwies allerdings auch darauf, dass Deutschland Einwanderung in den Arbeitsmarkt brauche, weil der Arbeitsmarkt sonst kollabieren würde. «Und mit ihm die Wertschöpfung und unser gesamtes Sozialsystem.» 

Hier solle die neue Landesagentur für die Zuwanderung von Fachkräften helfen. Sie werde beschleunigte Fachkräfteverfahren durchführen und Unternehmen zum Thema Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen beraten, sagte Kretschmann. Das entlaste Ausländerbehörden in den Kreisen und den großen Kreisstädten.

© dpa
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