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Friedenspreisträgerin warnt vor Netzwerk der Autokraten

«Ich glaube nicht, dass es eine Formel für Frieden gibt», sagt Anne Applebaum. Auf der Buchmesse erklärt sie, warum sie sich für den Frieden einsetzt, aber keine Pazifistin sein will.
Frankfurter Buchmesse - Anne Applebaum
Anne Applebaum wird am Sonntag mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. © Boris Roessler/dpa

Die Historikerin Anne Applebaum sieht liberale Demokratien bedroht durch ein wachsendes Netzwerk autokratischer Regime. «Die Regime sind unterschiedlich, aber sie arbeiten zunehmend zusammen, wenn es ihren Interessen dient», sagte die amerikanische Historikerin in Frankfurt, wo sie am Sonntag zum Abschluss der Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird.

«Sie erkennen immer mehr, dass sie einen gemeinsamen Feind haben und dieser Feind sind wir», sagte Applebaum. «Wir», das seien die Menschen in der liberalen, demokratischen Welt, ebenso wie deren fundamentale Ideen wie Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte oder Pressefreiheit. «All diese Ideen sehen sie als Bedrohung ihrer Macht.» 

Was Demokratie widerstandsfähig macht

Was autoritäre Staaten heute so stark mache, sei deren «neues Geschäftsmodell», sagte Applebaum. «Sie ziehen Geschäft und Politik zusammen.» Viele moderne Diktaturen seien mit Hilfe des westlichen Wirtschaftssystems entstanden. «Eine Möglichkeit, unsere Demokratien zu stärken, ist es, einige der Regeln unseres Finanzsystems zu verändern.»

Ein weiterer Erfolgsfaktor von Diktaturen sei die digitale Überwachung ihrer Bürger und das globale Verbreiten autoritärer Narrative. Um Demokratien widerstandsfähiger zu machen, schlägt Applebaum vor, die Regeln sozialer Medien so zu verändern, dass ihre Mechanismen «kompatibler» sind mit der Demokratie. «Das zu verändern, könnte eine Menge bewirken.»

Keine Pazifistin

«Ich denke nicht, dass es eine Formel für Frieden gibt», sagte die Friedenspreisträgerin, die sich selbst nicht als Pazifistin versteht. Die Vorstellung, wenn man alle Staatenlenker in einen Raum sperre, würden sie sich bei einem Bier schon einigen, findet sie «naiv». Jeder Konflikt erfordere andere Antworten. «In der Ukraine wäre Abschreckung ein Teil dieser Antwort gewesen», sagte sie. «Mit Aufrüstung wäre dieser Krieg unmöglich gewesen.»

«Wahrer Frieden entsteht, wenn man offene Beziehungen zwischen Regierungen hat», sagte Applebaum. Daher sei Dialog für Frieden unerlässlich. Mit jemandem nicht zu sprechen sei ein Argument aus dem Kalten Krieg. «Wir sollten mit allen Führern weltweit sprechen.» 

«So klar, dass es fast schmerzt»

Applebaum werde ausgezeichnet «für ihre kontinuierliche, tiefgehende Analyse», sagte Jury-Vorsitzende Karin Schmidt-Friderichs. «Sie öffnet uns die Augen für das, was in autokratischen Regimen passiert und für die Gefahr, die davon für unsere liberale Demokratie ausgeht.» Und sie tue das «akribisch, klar und so, dass es fast schmerzt».

Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis wird seit 1950 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben. Gewürdigt werden damit Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben. 

Applebaum wurde als Kind jüdischer Eltern in den USA geboren. Neben der US-amerikanischen besitzt sie auch die polnische Staatsbürgerschaft. Sie ist mit Radoslaw Sikorski verheiratet, dem heutigen Außenminister Polens. Sie arbeitet als Journalistin und schrieb Bücher wie «Der Gulag» (2003), «Der Eiserne Vorhang» (2012), «Die Verlockung des Autoritären» (2021) und zuletzt «Die Achse der Autokraten» (2024).

© dpa
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