«Tourists go home!», «Touristen, geht heim!», schrien die Menschen immer wieder, als sie in Palma an Terrassen voller ausländischer Gäste vorbeizogen. Tausende protestierten auf Mallorca gegen Massentourismus.
Unter dem Motto «Sagen wir Basta!» und «Mallorca steht nicht zum Verkauf!» gingen nach Polizeischätzung rund 10.000 auf die Straße. Die Organisatoren sprachen von 25.000 Teilnehmern.
In einem waren sich aber alle einig: Es war ein «historischer» Protest, wie die Regionalzeitungen «Diario de Mallorca» und «Última Hora» schrieben. Es sei eine der größten Kundgebungen, die es jemals auf Mallorca gegeben habe, hieß es.
Der Unmut ist groß und wird immer größer
Die Demonstranten, darunter auch viele Familien mit Kindern, Schüler und Studenten sowie Rentner, skandierten beim Marsch über Palmas Flaniermeile Passeig del Born Slogans wie «Wer Mallorca liebt, zerstört es nicht». Es gab auch viele Plakate mit Aufschriften wie «Wenn sie uns ein Dach verweigern, verweigern sie uns die Zukunft». Dem Protest schlossen sich Gewerkschaften, Umweltschutzgruppen und verschiedene Bürgerinitiativen an.
Dazu aufgerufen hatte die jüngst gegründete Organisation «Banc de Temps de Sencelles». Sie macht die immer größer werdende Zahl der Besucher und der Ferienwohnungen für die Wohnungsnot auf Mallorca und für die «Zerstörung» der spanischen Mittelmeerinsel verantwortlich. Die Sprecher der Gruppe riefen die Behörden in einer Rede zum Abschluss der Demo dazu auf, den Wohnungsnotstand auszurufen.
Zu Recht, sagt Alba Martínez. «Ich bin alleinerziehende Mutter zweier Kinder und bald schmeißt mich mein Vermieter raus. Die Preise kann man nicht mehr bezahlen, man muss handeln», sagte sie «Diario de Mallorca». Der Unmut ist groß und wird immer größer. «Wohin man auch schaut, es sind alles Ausländer hier», skandierten die Protestler.
Überlebenswichtiger Tourismus - und doch profitiere nur eine Minderheit
Für die Insel ist Tourismus zwar überlebenswichtig. Die Branche steht für 45 Prozent der Wirtschaftsleistung Mallorcas. Aber wie auch bei Protesten in anderen Tourismushochburgen des Landes, etwa im April auf den Kanaren, wird beklagt, dass nur eine Minderheit profitiert, während die große Mehrheit im florierenden Sektor schlecht bezahlte Jobs bekommt und unter Wohnungsnot, Staus, Lärm, Schmutz leidet.
Eine Inszenierung der Protestler gab die Stimmung deutlich wieder: Eine als reiche Touristin verkleidete Teilnehmerin schlenderte hochnäsig zwischen den Tischen der Cafés umher - und zog einen «einheimischen Sklaven» hinter sich her. «
Die Balearen sind klein, haben nur knapp 1,2 Millionen Einwohner. Voriges Jahr kletterte die Zahl der Besucher auf fast 18 Millionen, davon 14,4 Millionen aus dem Ausland. Das sind fast zehn Prozent mehr als 2022 und doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Inzwischen gibt es kaum jemand, der die Notwendigkeit einer Begrenzung der Besucherzahlen infrage stellt.
Sogar Immobilienmakler solidarisieren sich
Sogar Immobilienmakler, die vom Anstieg der Häuserpreise profitieren, schickten den Protestlern eine Solidaritätsbotschaft. Der Druck des Massentourismus sei «unhaltbar», Wohnraum «unzugänglich», so der Maklerverband Abini.
Auch die Politik weiß, dass es fünf vor zwölf ist. Wenige Tage vor dem Protest versprach die seit einem Jahr amtierende konservative Regionalpräsident Marga Prohens Maßnahmen. «Das Modell hat seine Grenze erreicht», sagte sie. «Der Erfolg im Tourismus führt nicht zu Wohlstand für die Bürger.»
Die Verdrossenheit, der Zorn, die Verzweiflung sind vor allem am Ballermann, der deutschen Partyhochburg, groß. Nicht nur die Anwohner schimpfen. Dem Präsidenten der Playa-Hoteliers, Pedro Marín, war voriges Jahr trotz einer Superauslastung von 97 Prozent nicht zum Feiern zumute. Der 47-Jährige klagte, wegen Auswüchse, Sauftourismus und Kriminalität sei es «eine der schlimmsten Saisons aller Zeiten» gewesen.
Kundgebung nach Restaurant-Einsturz mit vier Toten
Die Kundgebung stand unter dem Eindruck des Restaurant-Einsturzes am Ballermann. Beim Unglück gab es am Donnerstag vier Tote, darunter zwei junge Frauen aus Deutschland. Als Ursache werden Baumängel und Überlastung vermutet.
Anwohner sind überzeugt, viele Gebäude des Gebiets seien nicht geeignet für den Massentourismus. Es gebe zudem kaum Kontrollen der Behörden, klagte Carmen Nogueira, Präsidentin des Nachbarverbandes AAVV Playa de Palma. «Wäre das Unglück um Mitternacht passiert, hätte es 200 Tote gegeben.»