Nach monatelangem Ringen hat das Bundeskabinett das zweite Rentenpaket der Ampel-Koalition auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde machte den Weg für die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) frei. Damit sollen die Renten auch künftig mit den Löhnen in Deutschland steigen.
Das Rentenniveau soll dafür bei 48 Prozent fixiert werden. Zudem soll ein Generationenkapital aus Bundesmitteln am Aktienmarkt angelegt werden. Aus dessen Zinserträgen soll der künftige Beitragsanstieg abgebremst werden.
Heil sagte: «Damit investieren wir in den Sozialstaat und in die soziale Sicherheit von morgen.» Lindner sprach bei einem separaten Auftritt von einer «Zäsur» in der Rentenpolitik: «Mit dem Rentenpaket II beginnen wir jetzt, die internationalen Kapitalmärkte für unsere Altersvorsorge arbeiten zu lassen.» Für das Generationenkapital will die Regierung bis Mitte der 2030er Jahre mindestens 200 Milliarden Euro größtenteils aus Schulden des Bundes am Aktienmarkt anlegen.
Renten sollen an Löhne gekoppelt bleiben
Angesichts der Alterung der Gesellschaft stellte Heil die Absicherung des Rentenniveaus ins Zentrum: «Das Rentenniveau würde sich nach dem Jahre 2025 Stück für Stück nach unten bewegen und damit die Entwicklung der Renten von der Lohnentwicklung abgekoppelt, und zwar spürbar.» Grund ist, dass es mit dem Übertritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge immer mehr Rentnerinnen und Rentner und weniger Einzahlende gibt.
Heil nannte ein praktisches Beispiel. «Eine Krankenpflegerin in Sachsen, die heute 49 Jahre alt ist, die dann wahrscheinlich 2040 mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen kann, hätte 1100 Euro im Jahr weniger zur Verfügung, wenn wir nicht das Rentenniveau sichern können.»
Union: Koalition heizt Ausgabendynamik an
Heftige Kritik entzündete sich an den hohen Kosten der Rentenpläne. Laut Gesetzentwurf steigen die Rentenausgaben mit der Reform bis 2045 von 372 auf 802 Milliarden Euro. Der Unions-Arbeitsmarktexperte Stephan Stracke (CSU) sagte: «Mit dem Rentenpaket II kündigt die Bundesregierung den Generationenvertrag in der Rente auf.» Zusätzlich zu den massiven Beitragssatzsteigerungen infolge des demografischen Wandels bringe die Bundesregierung Milliarden-Mehrbelastungen für Beschäftigte und Unternehmen auf den Weg. «Damit heizt sie die ungebrochene Ausgabendynamik bei den Sozialversicherungsbeiträgen weiter an.»
Heil entgegnete solchen Warnungen, dass die Einnahmebasis der gesetzlichen Rente vor allem auch am Arbeitsmarkt gesichert werde. «Wir müssen und werden unsere Hausaufgaben am Arbeitsmarkt machen», sagte Heil. Qualifizierung und qualifizierte Zuwanderung sorge für Arbeits- und Fachkräftesicherung.
Gewerkschaften fordern höheres Rentenniveau
Sozialverbände und Gewerkschaften begrüßten die Fortsetzung der 48-Prozent-Haltelinie beim Rentenniveau - und forderten mehr. So sagte Verdi-Chef Frank Werneke: «Mittelfristig ist (...) eine Anhebung auf mehr als 50 Prozent erforderlich, um Altersarmut dauerhaft einzudämmen.»
Zuvor hatte die Koalition monatelang um die Pläne gerungen. Das Finanzressort blockierte den Gesetzentwurf zuletzt noch im Streit um den Bundeshaushalt. Mit dem Kabinettsbeschluss ist nun der Bundestag am Zug. Das Bundeskanzleramt hatte zuvor die Länder um Fristverkürzung gebeten, so dass der Bundesrat die Reform bereits in seiner Sitzung am 5. Juli beraten kann.
Längeres Arbeiten soll attraktiver werden
Heil kündigte weitere Reformschritte bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 an. Dazu zählte der Arbeitsminister Reformen bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Zudem werde die Regierung ein drittes Rentenpaket für eine bessere Altersabsicherung der Selbstständigen vorlegen.
Auch weitere Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten könnten bald noch kommen. Heil verwies auf einen derzeit laufenden Gesprächsprozess mit Wirtschaft und Gewerkschaften. «Es geht darum, dass Menschen, die wollen und können, freiwillig auch länger arbeiten können.» Im Sommer werde es Vorschläge dazu geben.
Lindner will weitere Rentenpakete
Die Frage nach darüber hinausgehenden Reformschritten hatte Heil bereits am Vortag verneint. Lindner und die FDP hatten bereits im Vorfeld ein drittes Rentenpaket gefordert, allerdings unter anderem um dort noch mehr für das Aktienkapital zu tun. Lindner hält auch weiter Schritte gegen den prognostizierten Beitragsanstieg für nötig. «Und deshalb ist das Rentenpaket II von heute der Vorläufer des Rentenpakets III und des Rentenpakets IV, des Rentenpakets V, jedenfalls weiterer Anstrengungen, die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger in den 30er Jahren zu begrenzen», sagte Lindner.
Die Aktiven dürften nicht überlastet werden, forderte der FDP-Chef. Aber: Die Möglichkeiten für weitere Rentenreformen in der Ampel seien begrenzt. «Ich glaube auch, dass wir schon sehr viel von dem, was (...) in dieser Konstellation erreichbar ist, bereits miteinander besprochen haben.» Er gehe davon aus, «dass die nächste Bundestagswahl auch über die Rente abstimmt».