Nach zäher und kontroverser Debatte hat der SPD-Vorstand Olaf Scholz einstimmig als Kanzlerkandidaten nominiert. Zu den 33 stimmberechtigten Mitgliedern des Führungsgremiums, die sich hinter Scholz stellten, gehört auch Boris Pistorius. In den vergangenen zwei Wochen hatte die Partei öffentlich darüber diskutiert, ob der deutlich beliebtere Verteidigungsminister als Ersatzkandidat für den nach dem Scheitern seiner Ampel-Regierung angeschlagenen Scholz eingewechselt werden soll.
Nun ringt die Partei darum, für den nur dreimonatigen Wahlkampf bis zur Entscheidung am 23. Februar wieder Geschlossenheit herzustellen. Scholz gab trotz bis zu 19 Prozentpunkten Rückstand auf die Union in den Umfragen als Ziel aus, dass die SPD wieder stärkste Partei wird: «Was wir erreichen wollen ist ziemlich offensichtlich: So wie beim letzten Mal (...) wollen wir vorne liegen.»
Warum ist Scholz besser als Pistorius? – «So diskutieren wir in der SPD nicht»
Auf die Frage, warum er der bessere Kanzlerkandidat als Pistorius sei, antwortete Scholz nicht. «So diskutieren wir in der SPD nicht», sagte er. «Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir vorangehen wollen.» Er sei lange mit Pistorius befreundet und habe ihn gebeten, Bundesverteidigungsminister zu werden. Nun wolle man «gemeinsam diesen Wahlkampf führen und gewinnen». Bei der Pressekonferenz mit den beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil stellte sich Pistorius demonstrativ an die Seite des Kanzlers.
Esken sagte nach der Nominierung: «Mit seiner prinzipienfesten entschlossenen Art ist er der richtige Mann für das Kanzleramt.» Sie schwor ihre Partei auf einen kurzen, knackigen und kämpferischen Wahlkampf ein. «Es wird kalt sein auf den Straßen, aber wir sind längst auf Betriebstemperatur.» Die SPD kämpfe für die Menschen, die das Land am Laufen hielten, die Angst um ihren Arbeitsplatz hätten und deren Einkommen unter Druck seien.
«Regierungserfahren und krisenerprobt»
Erst am vergangenen Donnerstag verzichtete Pistorius auf eine Kandidatur und machte so den Weg für die Nominierung von Scholz frei. In der SPD wirkt die Hängepartie in der K-Frage aber noch nach. Beim Bundeskongress der Jungsozialisten (Juso), des Jugendverbands der SPD, gab es am Wochenende scharfe Kritik an der Parteiführung deswegen. Juso-Chef Philipp Türmer warf den Parteivorsitzenden Esken und Klingbeil Führungsversagen vor und sprach von einer «Shit Show».
Esken räumte daraufhin ein: «Nein, wir haben kein wirklich gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten.» Klingbeil verteidigte das Vorgehen der Parteiführung dagegen. «Mein Führungsanspruch ist schon, dass man in die Partei reinhorcht, dass man Debatten führt, dass man in unterschiedlichen Szenarien auch denkt», sagte er im Deutschlandfunk.
96,2 Prozent als Messlatte
Nach der Nominierung muss die Kanzlerkandidatur von Scholz noch auf dem Parteitag am 11. Januar bestätigt werden. Das gilt zwar als Formsache. Scholz muss sich aber an seinem Ergebnis vom Mai 2021 – gut vier Monate vor der Bundestagswahl – messen lassen. Damals wurde Scholz mit 96,2 Prozent der Stimmen bestätigt.
Die SPD lag zu diesem Zeitpunkt wie heute in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent. Erst ein Lacher des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet im Flutgebiet brachte im Sommer die Wende: Die SPD wurde mit 25,7 Prozent noch stärkste Kraft.
SPD will Duell Scholz gegen Merz
Auf Fehler des Herausforderers hofft die SPD auch diesmal. Die Partei will den Wahlkampf auf das Duell zwischen Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zuspitzen. Ihm werfen die Sozialdemokraten rückwärtsgewandte Politik vor und wollen vor allem mit der Regierungserfahrung und Themensicherheit von Scholz punkten.
Bei den Beliebtheitswerten schneidet der Kanzler in den Umfragen aber weiterhin schlechter ab als Merz. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt er auf Platz 7 und Merz auf Platz 5. Pistorius ist unangefochten die Nummer 1. Die Daten wurden aber vor der Entscheidung der SPD in der K-Frage am vergangenen Donnerstag erhoben.
Zugleich hofft man in der SPD, dass sich Scholz im Wahlkampf anders präsentiert als ein auf Ausgleich bedachter Regierungschef. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sagte in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin», die Partei brauche nun einen kämpferischen und kämpfenden Scholz. «Die Zeit der Moderationen in einer schwierigen Ampel-Koalition ist jetzt vorbei. Jetzt brauchen wir den starken Olaf Scholz, der auch zeigt, wohin er das Land bringen will», betonte Schweitzer.
Erstmals vier Kanzlerkandidaten
Scholz ist nach Merz und bei den Grünen Vizekanzler Robert Habeck der dritte Kanzlerkandidat, der von seiner Partei für die Wahl am 23. Februar aufgestellt wurde. Am 7. Dezember will der AfD-Vorstand dann noch Parteichefin Alice Weidel als Kanzlerkandidatin nominieren. Erstmals gibt es damit vier Kanzlerkandidaten und -kandidatinnen bei einer Bundestagswahl.