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Putin entlässt Verteidigungsminister Schoigu

Er ist ein enger Freund Putins - trotzdem muss Verteidigungsminister Schoigu seinen Posten räumen. Dahinter stehen wohl interne Machtkämpfe. Aber auch neue Prioritäten des Kremls in Kriegszeiten.
Putin und Schoigu
Putin (l) hat gesprochen: Schoigu soll nicht mehr länger Verteidigungsminister sein. © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Spekuliert worden war darüber bereits, doch es bleibt ein spektakulärer Personalwechsel: Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister und engen Vertrauten Sergej Schoigu entlassen. Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow werden, wie das Oberhaus des russischen Parlaments am Sonntagabend mitteilte. Dort waren Putins Vorschläge für die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung eingegangen.

Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bislang Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung werde in Kürze bekanntgegeben, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Lawrow bleibt russischer Außenminister

Die Bildung einer neuen Regierung steht an, weil die alte nach der Präsidentenwahl Mitte März verfassungsgemäß zurückgetreten ist. Bei der von Betrugs- und Manipulationsvorwürfen überschatteten Abstimmung hatte sich der 71 Jahre alte Kremlchef am Ende zum haushohen Sieger ausrufen lassen; vor einigen Tagen ließ er sich dann offiziell für seine mittlerweile fünfte Amtszeit vereidigen. In der neuen Regierung gibt es einige Personalwechsel - keiner davon ist aber auch nur annähernd so wichtig wie die Auswechslung Schoigus. So hält Putin etwa weiter an Ministerpräsident Michail Mischustin fest. Weiter im Amt bleibt zudem auch nach 20 Jahren der 74-jährige Außenminister Sergej Lawrow.

Ein offizieller Grund für die Entlassung Schoigus wurde nicht genannt. Vereinzelt war allerdings über eine mögliche Entlassung des 68 Jahre alten Schoigus, der seit 2012 Verteidigungsminister war, spekuliert worden. Vor wenigen Wochen nämlich war einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Beobachter hatten das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet. Einige von ihnen sahen bereits da Schoigus Stuhl wackeln.

Putin und Schoigu verbindet enge Freundschaft

Putin verbindet mit Schoigu eine enge Freundschaft, die beiden haben immer wieder auch zusammen demonstrativ Freizeit und Urlaub miteinander verbracht. Putin hatte an dem Minister trotz aller Niederlagen und Pannen besonders zu Beginn des Krieges Anfang 2022 festgehalten. Immer wieder hatte es nach den ersten großen ukrainischen Erfolgen auf dem Schlachtfeld Spekulationen um eine Ablösung gegeben, doch Putin gilt seinen Freunden als treu. Dass er Schoigu nun zum Sicherheitsratschef macht, gilt als gesichtswahrende Lösung für den langjährigen Weggefährten.

Putin hatte diesen Schritt zuvor lange gescheut - selbst, nachdem die Lage vor einem Jahr im Juni mit einem Aufstand des Chefs der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, eskaliert war. Prigoschin hatte Schoigu massive Korruption, Führungsschwäche und Versagen in dem Krieg bescheinigt. Den Machtkampf mit der russischen Militärführung verlor Prigoschin, der im August wie die gesamte Wagner-Führung bei einem bislang nicht aufgeklärten Flugzeugabsturz ums Leben kam. Aber vergessen waren die Skandale um Amtsmissbrauch und Veruntreuung von Mitteln sowie Diebstahl in der russischen Militärführung nicht.

Schoigu: Taktische Erfolge im Krieg 

Schoigu galt danach zunächst als vermeintlicher Sieger der Machtspiele - auch, weil er zuletzt immer wieder taktische Erfolge im Krieg vorweisen konnte. So verzeichnete die russische Armee unter Schoigu etwa in den vergangenen Monaten Gebietsgewinne im Raum Charkiw. Die dunklen Wolken über dem Minister hätten sich wieder verzogen, hieß es von einigen Beobachtern.

Als wichtigster Mann an der Seite Schoigus freilich galt stets Generalstabschef Waleri Gerassimow. Am Sonntagabend war zunächst unklar, ob er seinen Posten behält oder auch gehen muss.

Russische unabhängige Experten sahen die jetzige Entscheidung des Kremlchefs nicht so sehr in einer Unzufriedenheit mit der Militärführung, sondern als Schritt zu einer stärkeren Kontrolle der Ausgaben in diesem Krieg. Der avisierte neue Verteidigungsminister Beloussow gilt als einer der profiliertesten Ökonomen der russischen Führung.

Andrej Beloussow soll Schoigus Nachfolger werden

Die Ernennung Beloussows als Schoigus Nachfolger deutet für einige Experten zudem darauf hin, dass Putin den Krieg vor allem mit der Produktion in den Rüstungsbetrieben gewinnen wolle. «In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat», sagte der Experte Alexander Baunow. Putins Strategie sei es folglich, Druck auf die Ukraine nicht durch die Mobilmachung neuer Soldaten auszuüben, sondern durch die Kapazitäten des Rüstungskomplexes.

Kremlsprecher Dmitri Peskow machte ebenfalls deutlich, dass die Verteidigungsausgaben in Russland inzwischen so hoch seien, dass jemand wie Beloussow der Mann sei, um den Bereich zu kontrollieren. Das Verteidigungsressort nehme bei den Sicherheitsausgaben Russland inzwischen eine Schlüsselposition ein, sagte Peskow. «Das erfordert besonders wichtige Entscheidungen.» Heute gewinne derjenige auf dem Schlachtfeld, der offen sei für Innovationen und deren schnelle Einführung. Deshalb habe sich Putin für einen Zivilisten im Amt entschieden, der die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt habe. Beloussow war unter anderem auch Wirtschaftsberater Putins und zuletzt erster Vize-Regierungschef.

© dpa ⁄ Ulf Mauder, Hannah Wagner und Günther Chalupa, dpa
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