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Nächtliche Angriffe im Libanon - Irans Atomanlagen ein Ziel?

Israels Armee geht vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers weiter gegen seine Feinde vor. Währenddessen wird gerätselt, wann und wie Israel Vergeltung für Irans Raketenangriff übt.
Nahostkonflikt - Beirut
Nahostkonflikt - Beirut
Wahlkampf in den USA - Trump
US-Präsident Biden
Nahostkonflikt - Iran

Israels Luftwaffe hat in der Nacht laut örtlichen Sicherheitsquellen Ziele weit im Landesinneren des Libanons angegriffen. Demnach traf eine Drohne nahe der Hafenstadt Tripoli im Nordwesten eine Wohnung in einem palästinensischen Flüchtlingslager. Dem Vernehmen nach soll es Tote und Verletzte geben. Es sei der erste Angriff dieser Art auf das Gebiet, seit Israel vor mehr als zwei Wochen seine Offensive begann, hieß es. Auch in südlichen Vororten der Hauptstadt Beirut sowie im Bekaa-Tal im Osten wurden erneut Angriffe gemeldet. Von Israels Armee gab es zunächst keine Angaben. 

Unterdessen herrscht im Nahen Osten kurz vor dem ersten Jahrestag des Massakers der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober nervöses Warten auf die angekündigte Vergeltung Israels für Irans kürzlichen Raketenangriff. Israel habe der Regierung von US-Präsident Joe Biden nicht zugesichert, dass ein möglicher Angriff auf die iranischen Atomanlagen vom Tisch ist, sagte ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums dem US-Fernsehsender CNN. Biden hatte sich am Mittwoch gegen einen solchen Angriff ausgesprochen.

Biden gegen Angriff auf Irans Atomanlagen, Trump dafür

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump widersprach ihm jetzt: «Seine Antwort hätte sein sollen: Zielt zuerst auf die Atomanlagen und macht euch über den Rest später Gedanken», sagte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Fayetteville im US-Bundesstaat North Carolina. Biden riet Israel auch von Angriffen auf die Infrastruktur der iranischen Öl-Industrie ab. «Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich über andere Alternativen nachdenken, als Ölfelder anzugreifen», sagte er vor der Presse im Weißen Haus.

Zahlreiche Kundgebungen zum Jahrestag des Hamas-Massakers

Es sei schwer zu sagen, ob Israel den Jahrestag des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober nutzen werde, um Vergeltung zu üben, zitierte CNN den US-Beamten weiter. Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser des Krieges in dem Küstenstreifen. Dort griff die israelische Armee nach eigenen Angaben unterdessen erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an. 

Sie habe sich im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets in einem früheren Schulgebäude befunden, teilte die Armee in der Nacht mit. Man habe zuvor Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Derweil wollen vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers auch in Deutschland Menschen an den Überfall und an den Krieg erinnern. In Berlin und andernorts sind für dieses Wochenende zahlreiche Veranstaltungen angekündigt. Die Polizei stellt sich auf einen Großeinsatz ein.

Derweil herrscht nach dem Raketenangriff des Irans auf Israel vom Dienstag Sorge vor einem Flächenbrand. Die Israelis hätten sich bislang nicht festgelegt, wie sie auf den iranischen Angriff reagieren wollten, sagte Biden. Der von CNN zitierte Beamte antwortete auf die Frage, ob ein Angriff auf Irans Atomanlagen vom Tisch sei: «Wir hoffen und erwarten, dass wir sowohl Weisheit als auch Stärke sehen werden, aber wie Sie wissen, gibt es keine Garantien». Ein anderes mögliches Ziel für Israel könnten laut Experten Irans Raketen sein. 

Experte: Angriff auf Irans Raketenproduktion möglich

Da diese bei einem möglichen erneuten Angriff die Luftabwehr der Israelis am Ende überwältigen könnten, dürfte insbesondere Irans Kapazitäten zur Herstellung der Raketen zu den vorrangigen Zielen Israels gehören, zitierte das «Wall Street Journal» Fabian Hinz, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Verteidigungs- und Militäranalysen am International Institute for Strategic Studies. Während sich die iranischen Raketenbestände in unterirdischen Anlagen befänden, die nur schwer zu treffen seien, seien die Raketenproduktionsanlagen weniger geschützt, erklärte Hinz der US-Zeitung. 

«Selbst recht begrenzte Angriffe hätten Auswirkungen - nichts, was man nicht reparieren könnte, aber etwas, das die Produktion für eine ganze Weile stoppen würde», sagte er. Der Iran hatte Israel am Dienstag mit rund 180 Raketen angegriffen. Die meisten wurden laut Israels Militär auch mithilfe einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen. 

Irans Religionsführer verteidigt Angriff auf Israel

Der Angriff erfolgte nach einer Reihe von gezielten Tötungen durch Israel, die sich gegen zentrale Akteure in Irans Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter wie der Hisbollah richteten. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei verteidigte den Raketenangriff und sprach den Verbündeten Mut zu. «Die glanzvolle Aktion unserer Streitkräfte (...) war eine völlig legale und legitime Handlung. Bei der Erfüllung unserer Pflicht zögern wir nicht und handeln nicht überstürzt», sagte das Staatsoberhaupt bei einer Freitagspredigt in der Hauptstadt Teheran.

 

«Wir haben nicht die Absicht, weiterzumachen», sagte Irans Außenminister Abbas Araghchi, der angesichts der militärischen Spannungen für Gespräche in den Libanon gereist ist. «Sollte Israel weitere Aktionen gegen den Iran unternehmen, wird unsere Antwort härter ausfallen», sagte er vor Journalisten und fügte hinzu: «Unsere Reaktion wird angemessen und gut durchdacht sein.» Beobachter vermuten, dass es bei seinem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut vor allem um die Nachfolge des bei einem israelischen Luftangriff getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah gehe. Der Iran ist der engste Verbündete der Hisbollah-Miliz, die nach dem Tod ihres Anführers erheblich geschwächt ist.

Bericht: USA wollen Schwäche Hisbollahs im Libanon nutzen

In Israel wurde derweil ein saudi-arabischer Medienbericht zitiert, wonach sich Israel inzwischen sicher sei, bei einem massiven Luftangriff in Beirut in der Nacht zum Freitag den als potenziellen Nachfolger von Nasrallah gehandelten Haschim Safi al-Din, Chef des Exekutivrats der Hisbollah, getötet zu haben. Eine offizielle Bestätigung der israelischen Armee gibt es bisher nicht. Auch die Hisbollah äußerte sich nicht dazu. Im Libanon, das seit zwei Jahren ohne Präsident ist und faktisch ohne Regierung, entstand durch Nasrallahs Tod ein Machtvakuum. Es gibt vorerst keine Anzeichen, dass der Iran die Lücke schließen will. 

Die USA wollen nach Informationen des US-Nachrichtenportals «Axios» den massiven Schlag Israels gegen die Hisbollah nutzen, um auf die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten zu drängen. Die Biden-Regierung sehe nun die Möglichkeit, den Einfluss der Miliz auf das politische System des Libanons drastisch zu verringern und einen neuen Präsidenten zu wählen, der kein Verbündeter der Hisbollah ist, zitierte «Axios» zwei nicht genannte US-Beamte. 

Angriffe zwischen Hisbollah und Israel gehen weiter

Unterdessen geht der gegenseitige Beschuss zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee weiter. Israels Armee will die Hisbollah schwächen und von der Grenze zu vertreiben. Die Schiitenmiliz gab im Morgengrauen eine Erklärung ab, wonach sie erneut eine Raketensalve auf den Norden Israels abgefeuert habe. Am Vortag hatte die proiranische Miliz nach Angaben des israelischen Militärs etwa 222 Geschosse aus dem Libanon auf israelisches Gebiet abgefeuert. Im Norden Israels heulten auch in der Nacht die Sirenen.

 

© dpa ⁄ Lars Nicolaysen, dpa
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