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Pulverfass Nahost: Israel greift an mehreren Fronten an

Neben der Hisbollah und der Hamas werden auch die Huthi im Jemen zum Ziel eines massiven Angriffs. Derweil wächst die Sorge vor einer möglichen Bodenoffensive Israels im Libanon. Was macht der Iran?
Nahostkonflikt - Gaza-Stadt
Nahostkonflikt - Beirut
US-Präsident Biden
Nahostkonflikt - Beirut

Während Israels Armee mit erneuten Luftangriffen im Libanon, im Gazastreifen sowie im Jemen verstärkt gegen Irans verbündete Milizen vorgeht, wächst die Sorge vor einem umfassenden Krieg im Nahen Osten. Auf die Frage von Reportern, ob dieser noch vermieden werden könne, antwortete US-Präsident Joe Biden: «Das muss er. Er muss wirklich vermieden werden.» Er wolle mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu reden. Dieser ließ seine Armee derweil in der Nacht erneut eine Kommandozentrale der islamistischen Hamas in Gaza sowie Stellungen der Hisbollah-Miliz im Libanon attackieren.

Israel erhöht den Druck auf die Hisbollah, damit diese mit ihren Angriffen aufhört und sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Während der jüngsten Eskalation kamen in den beiden vergangenen Wochen Medienberichten zufolge Hunderte Menschen durch die israelischen Angriffe im Libanon ums Leben. In Israel sei im gleichen Zeitraum niemand getötet worden. 

Derweil bombardierten nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Kampfflugzeuge auch im rund 1.800 Kilometer entfernten Jemen Ziele, unter anderem Kraftwerke und einen Hafen, über den die Huthi-Miliz iranische Waffen und militärische Vorräte transportiert haben soll. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Die Hafenstadt Hudaida wurde laut Augenzeugen von Explosionen erschüttert. Der Huthi-nahe TV-Sender Al-Masirah meldete vier Tote. Wie die Hisbollah greift auch die Huthi-Miliz Israel immer wieder an - nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas, gegen die Israel seit fast einem Jahr Krieg führt. 

Unterdessen beginnen im Libanon heute dreitägige Trauerfeiern für den am Freitag durch einen gezielten israelischen Luftschlag in einem Vorort Beiruts getöteten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Die Schiiten-Miliz hat allerdings bislang keine Informationen über seine Beisetzung bekanntgegeben. Auch gibt es scheinbar noch keinen Nachfolger für Nasrallah. 

Sorge vor möglicher Bodenoffensive im Libanon 

Es wächst die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet. Er habe Pläne für das Nordkommando der Streitkräfte gebilligt. «Herausfordernde Tage liegen vor uns», sagte er. Die israelische Armee sei «in höchster Alarmbereitschaft, sowohl in defensiver als auch offensiver Hinsicht, an allen Fronten». Sie sei gerüstet für das, was als Nächstes komme. 

Experten sprechen von einer möglichen «Falle», in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Kämpfern und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das «Wall Street Journal». Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council. 

Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder «aus der Asche» zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel - die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden - mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei. 

Libanon: Bis zu einer Million Vertriebene möglich

Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: «Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie.» Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.

Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bislang, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen nicht zustimmt. 

Experte: Iran steht vor einem Dilemma

Die dramatische Schwächung der Hisbollah-Miliz bringe die Islamische Republik Iran in eine «sehr schwierige Lage», zitierte das «Wall Street Journal» Michael Horowitz, Leiter der Abteilung für Nachrichtendienste bei der Beratungsfirma Le Beck International. Die libanesische Miliz sei «ein wichtiger Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und ihr wichtigstes Abschreckungsinstrument gegen Israel». Der Iran stehe nun vor dem Dilemma, die Hisbollah möglicherweise verteidigen zu müssen, hieß es. Vor diesem Hintergrund könnte die Huthi-Miliz im Jemen für den Iran in seiner sogenannten «Achse des Widerstands», mit dem Teheran gegen den erklärten Erzfeind Israel kämpft, noch an Bedeutung gewinnen.

Israels Luftangriff auf den Jemen erfolgte dem Militär zufolge als Reaktion auf die jüngsten Huthi-Angriffe. Am Samstagabend war unter anderem in der Küstenmetropole Tel Aviv wegen eines Geschosses erneut Raketenalarm ausgelöst worden. Die Miliz erklärte, sie habe den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit einer ballistischen Rakete angegriffen. Diese wurde laut Militär aber noch vor Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

Zuletzt hatte Israels Luftwaffe im Jemen Ende Juli angegriffen. Ziel war auch damals der Hafen von Hudaida als Reaktion auf einen tödlichen Drohnenangriff der Huthi auf Tel Aviv. Derweil griff die israelische Armee nach eigenen Angaben im Norden Gazas erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an, die sich auf dem Gelände einer früheren Schule befunden habe, wie die Armee in der Nacht mitteilte. Man habe vor dem Angriff zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die Armee griff nach eigenen Angaben außerdem weitere Stellungen der Hisbollah-Miliz in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanons an. 

© dpa ⁄ Lars Nicolaysen, dpa
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