Nach mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin in einer umstrittenen Wahl mit 87,28 Prozent der Stimmen zum fünften Mal im Amt bestätigen lassen. «Das ist ein Rekordergebnis», sagte Wahlleiterin Ella Pamfilowa am Montag bei der Vorstellung der Resultate. Auch die Beteiligung liege mit 77,44 Prozent auf dem höchsten Stand überhaupt. Der 71-Jährige, der 2000 erstmals gewählt wurde, kann damit weitere sechs Jahre regieren.
Insgesamt haben nach Angaben der Wahlkommission mehr als 76 Millionen Russen für Putin gestimmt. Wahlberechtigt waren etwa 114 Millionen Menschen. Laut Pamfilowa ist die hohe Wahlbeteiligung eine Antwort der russischen Bürger auf den Druck, der von außen auf das Land ausgeübt worden sei. Berichten unabhängiger Beobachter zufolge haben aber vor allem staatliche Institutionen und Konzerne massiven Druck auf Angestellte ausgeübt, zur Abstimmung zu gehen. «Wir haben noch nie eine Präsidentenwahl gesehen, die so wenig den Standards der Verfassung entsprochen hat», teilte die unabhängige Wahlbeobachterorganisation «Golos» mit.
Der im Exil lebende Kremlkritiker Michail Chodorkowski zog die Resultate in Zweifel. «Das sind Ergebnisse, an die kein normaler Mensch in Russland glauben kann», sagte der frühere Ölunternehmer in Berlin. Seiner Einschätzung nach habe höchstens jeder zweite Wähler teilgenommen; Putins Wählerschaft in Russland beziffere er auf 30 bis 40 Prozent.
Pamfilowa bezeichnete dagegen die Vorwürfe einer unfreien und unfairen Wahl als «primitives Höhlendenken». Diese Vorurteile würden allein vom Westen geschürt, der den Sieg Putins vorausgesehen habe, aber mit dem Ergebnis nicht einverstanden gewesen sei. «Wir sind überzeugt davon, dass unser Land frei ist, mit einem freien Willen und einem hochgebildeten Volk, dass weder Druck von innen noch von außen duldet», sagte sie. Auch der Kreml wies die Kritik an der Abstimmung zurück.
Neue EU-Strafmaßnahmen gegen Unterstützer Putins
Tatsächlich war der Sieg Putins angesichts der Einschränkungen für die Opposition allgemein erwartet worden. Nach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verzichtete auch Kanzler Olaf Scholz auf ein Glückwunschtelegramm an Putin. «Der Bundeskanzler hat nicht gratuliert. Und Sie wissen ja, dass wir diese sogenannte Wahl in Russland vom vergangenen Wochenende als weder frei noch fair ansehen», sagte Sprecherin Christiane Hoffmann auf Nachfrage von Journalisten in Berlin.
Außenministerin Annalena Baerbock kündigte derweil neue Strafmaßnahmen der EU gegen Unterstützer Putins an. «Wir werden heute Sanktionen auf den Weg bringen mit Blick auf den Tod von Alexej Nawalny», sagte die Grünen-Politikerin bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel. «Die Wahl in Russland war eine Wahl ohne Wahl.» Baerbock erklärte, der Wahlvorgang zeige nicht nur das ruchlose Vorgehen von Präsident Putin gegenüber seinem eigenen Volk, sondern auch gegen die Charta der Vereinten Nationen. Dass sogenannte Wahlen auch in Teilen der Ukraine, in Teilen Moldaus und in Teilen Georgiens abgehalten wurden, sei völkerrechtswidrig.
Auch die französische Regierung hat die Umstände der russischen Präsidentenwahl kritisiert. Man nehme das erwartete Ergebnis zur Kenntnis, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Paris am Montag. «Die Bedingungen für eine freie, pluralistische und demokratische Wahl sind ein weiteres Mal nicht erfüllt worden», hieß es darin weiter.
Glückwünsche aus Peking
Dagegen erhielt der Kremlchef gleich aus mehreren autoritär regierten Ländern Glückwünsche. Zu den ersten Gratulanten zählten die Staatschefs von Nicaragua, Tadschikistan und Venezuela. Weitere Gratulanten waren unter anderem Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un, der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko und Irans Präsident Ebrahim Raisi. Pjöngjang und Teheran liefern Waffen für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Später gratulierte auch Putins wichtigster Verbündeter, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, seinem Kollegen telefonisch zum Wahlausgang. Er vertraue darauf, dass Russland unter Putins Führung noch größere Erfolge bei der Entwicklung und dem Aufbau des Landes erreichen könne, sagte Xi laut dem chinesischen Staatsfernsehen am Montag. China und Russland seien «strategische Partner in der neuen Ära», hatte zuvor Pekings neuer Außenamtssprecher Lin Jian erklärt. Unter der Führung von Xi und Putin würden die Beziehungen der beiden Länder weiter voranschreiten, sagte er.
Zur Wahl waren diesmal keine Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingeladen, deren Bewertung für die internationale Anerkennung eines Ergebnisses wichtig ist.